7.07 - Körper und Seele von Nadia
7.07 - Körper und Seele by Nadia
Summary: Joey tut sich noch schwer mit den Veränderungen in ihrem Leben. Und selbst als sie Pacey mit ins Boot holt und ihm von der ungewollten Schwangerschaft erzählt, kann sie keine klare Entscheidung fällen.
Andie fühlt sich unterdessen in Deutschland zunehmend unwohler und bekommt Heimweh nach Capeside. Zu allem Überfluss kriselt es auch noch in ihrer Beziehung zu Sasha.
Categories: TV-Serien > Dawson's Creek Characters: Multi-Chars/Ensemble
Genre: Friendship, Romance, Slash, Virtual Episode
Pairing: Jack McPhee / Doug Witter, Joey Potter / Pacey Witter
Challenges:
Series: The Creek - Virtuelle Staffel 7
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 6851 Read: 4362 Published: 20 Apr 2019 Updated: 20 Apr 2019
Chapter 1 by Nadia
Über New York hing ein leichter Regenschauer als der Regionalzug nach Boston die Central Station verließ und Richtung Norden durch Manhattan zuckelte. Joey sah lange aus dem Fenster, die Häuser und Hinterhöfe der Stadt zogen stetig an ihrem Abteil vorüber. Dabei ging ihr eine ganze Menge durch den Kopf: Was sie in Capeside wollte, wie es ihre Zukunft verändern würde, was Pacey tun würde ... All das nahm viel Zeit in Anspruch und mittlerweile zogen schon Bäume und Felder an dem deutlich schneller gewordenen Zug vorbei.

Joey hatte sich seit Beginn der Fahrt das Abteil des ansonsten lehren Wagens mit einem Herrn geteilt, der sich seit ihrer Ankunft hinter seiner Times versteckte. Als sie ihren Plan halbwegs fertig gedacht hatte, sah sie sich suchend in ihrem Abteil um, nach einer neuen Beschäftigung. Ebenfalls etwas gelangweilt schlug der Mann seine Beine übereinander und nahm dabei die Zeitung etwas herab, so dass Joey direkt in sein außerordentlich hübsches Gesicht sehen konnte. Seine blauen Augen zogen gewissenhaft über die Zeilen des Artikels und seine Augenbrauen zuckten unmerklich ob des Inhaltes. Seine starken Kieferknochen und die wohlgeformten Wangen verliehen seinem Gesicht etwas sehr männliches, sexy ... nicht kindlich wie Paceys Gesicht schon immer gewesen war, ertappte sich Joey. Viel zu lang hatte sie schon direkt in sein Gesicht gesehen und dessen gewahr, wandte sie ihren Blick schnell wieder aus dem Fenster. Dennoch irgendwie zog es sie zurück ... und wieder zum Fenster ... und zurück...

*Verdammt Joey, was ist nur mit dir los?!*

Ihr ständiges Hin und Weg blieb auch dem anderen Fahrgast nicht verborgen, als ihr Blick das nächste Mal verstohlen zu ihm wechselte, sahen seine stahlblauen Augen direkt in ihre, sein Mund lächelte sympathisch. Joey fühlte sich ertappt, sehr sogar, sie legte beschämtes Lächeln auf und wollte am liebsten im Boden versinken. Der Tatsache wegen, dass unter dem Boden Schienen mit 80 Meilen vorbeiflitzten, zog sie es jedoch vor einfach wieder den Bäumen vor dem Fenster zu frönen. Der schicke Herr im Anzug ließ den oberen Teil der Zeitung zu sich knicken und begutachtete die auf den Kopf gestellten Artikel auf der Außenseite.

„Welcher hiervon interessiert sie denn so brennend?!“, meinte er mit einer unglaublich schönen Stimme.

Erschrocken über seine offensichtliche Perfektion drehte Joey ihren Kopf wieder herum. „Ich ... nein, ich habe mir nicht die Artikel angesehen.“

Das Lächeln in seinem Gesicht wurde breiter, sorgfältig faltete er die Zeitung und legte sie neben sich auf das Polster. „Reden Sie weiter, das könnte gut für mein Selbstwertgefühl sein.“

Ohne es zu wollen schob Joey verlegen ihre Hand hinter den Kopf und spielte an ihrem Haaransatz. „Das ist mir jetzt ziemlich peinlich.“

„Wieso? Es tut mir leid, wenn ich Sie verlegen mache ... Sie haben angefangen.“ Sie weiter zutraulich musternd lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Erst jetzt sah Joey wieder vom Boden auf und bekam neuen Mut, zumindest etwas. „Ja wohl wahr, jetzt sollte ich dafür gerade stehen. Ihr Selbstwertgefühl brauche ich nicht zu heben, das haben bestimmt schon viele andere Frauen getan.“

Sporadisch sah er sich um. „Sehen Sie welche? Ich bin Max, Maxwell Enders.“

Er beugte sich nach vorn und streckte ihr die Hand entgegen, zögerlich aber dennoch überzeugt schüttelte sie selbige. „Joey Potter, aus Capeside!“, fügte sie stolz hinzu.

„Ah, Capeside. Ich muss gestehen ... ich weiß nicht wo das liegt. Haben Sie jemanden in New York besucht?“

„Nein, ich komme aus New York und werde jemanden in Capeside besuchen. Und Sie?“

„Ich lebe ebenfalls in New York, arbeite an der Börse und besuche meine Großmutter in Boston.“

„Ein Wall Street Broker im feinen Zwirn“, schmunzelte Joey leise woraufhin Max laut lachen musste.

„Sehr gut gefolgert, Sherlock, und noch dazu so objektiv ... Was führt Sie nach Capeside, Joey? Familie?“

„Fast, hoffe ich. Mein Freund hat ein Restaurant in Capeside und ich habe Einiges mit ihm zu besprechen.“

Max sah aus dem Fenster und überlegte kurz. „Ja, Beziehungen über große Entfernungen.“ Dann sah er zu Joey zurück. „Ich denke ich weiß, was Sie bis vorhin noch so nachdenklich gestimmt hat. Entweder wollen Sie nicht zusammenziehen oder Sie wollen und keiner will den großen Schritt wagen und aufgeben.“

Joey war etwas erschrocken über die Tatsache, dass alles so gut zutraf. „Letzteres eher. Irgendwie sehe ich nicht ein, meinen Traum zu opfern, wenn er es auch nicht tun will. Es klingt als hätten Sie Erfahrungen damit!“

„Ein paar. Leider musste ich die typisch männliche Rolle spielen und ziemlich unnachgiebig sein, weshalb es nie lange funktioniert hat.“

„Dass sich Männer immer auf den Zwang ihres Geschlechtes rausreden müssen. Sie hätten doch auch über Ihren Schatten springen können.“

„Aber natürlich, aber wenn ich Sie zitieren darf: ... irgendwie sehe ich nicht ein meinen Traum zu opfern, wenn er es auch nicht tun will.“

Das saß und Joey fühlte sich wieder ertappt, so hatte sie das noch nicht gesehen.

Max rückte sich auf der Sitzbank etwas zurück und stützte seine Ellenbogen auf die Knie als er sich zu Joey beugte.

„Wissen Sie was, Sie sollten es tun. Er denkt bestimmt genauso wie Sie und weil Sie allem Anschein nach ein liebes Mädchen sind, sollten Sie den ersten Schritt tun. Dann wird er wissen, was Sie ihm bedeuten!“

Joey sah den gutaussehenden Mann einige Sekunden abschätzend an und widmete sich dann nachdenklich wieder den Bäumen, die noch bis Boston an ihr vorbeiziehen sollten.

***

Energisch peitschte der Regen gegen das Fenster vor Andies Schreibtisch. Draußen sah es genauso aus, wie in ihr selbst. Gerade hatte sie mit der Mantelkollektion begonnen, mit der sie beauftragt war. Eine Sommerkollektion sollte es sein, doch wirkte alles bisher trist und langweilig, wie für eine Beerdigung. Resignierend ließ sie den Bleistift aus ihrer Hand fallen, seine Spitze rammte sich in den Entwurf und zerbrach. Wütend über den Grafitfleck und die ganze Situation mit ihr und Sasha zerknüllte Andie das Papier und warf es quer durchs Atelier.

Die Schatten der Tropfen, die außen an der Scheibe hinabliefen, wurden auf ihr Gesicht geworfen und wirkten wie Tränen, aber soweit war es noch nicht, soweit würde sie es wegen eines Mannes nicht kommen lassen. Wer war er denn schon, dass er ihr das Leben so schwermachen durfte? Er musste sich Gedanken und Sorgen machen, nicht sie ... und das würde sie ihm jetzt sagen. Entschlossen griff Andie zum Telefon und wählte Sashas Direktwahlnummer in der Agentur. Eine komische Frau nahm ab.

„Wer sind Sie, wo ist Sasha?!“, meinte sie ruppig und glaubte die Frau etwas zu ihm sagen zu hören als sie den Hörer übergab.

„Deine cholerische Freundin!“

„Ja, Andie, was gibt es?“

„Hast du Zeit?“

„Ich ... was willst du denn?“

„Hör zu, wenn ich oder unsere Beziehung dir irgendwas bedeutet, dann kommst du JETZT ins LaPlace!“

Ohne ihm auch nur die Möglichkeit zu geben, abzulehnen, legte sie den Hörer auf. Sie schnappte sich rasch ihre Handtasche und verließ das Atelier.

***

Mit leicht quietschenden Bremsen hielt das Taxi am Bordstein vor dem kleinen Platz, der sowohl an Paceys Restaurant als auch den Hafen grenzte. Schnell streckte Joey ihre Beine heraus und stieg aus, während der Taxifahrer ihr den Koffer daneben stellte. Sie bezahlte ihn und sah sich um. Der lauwarme Wind wehte ihr den Duft der See durchs offene Haar und die seicht strahlende Sonne wärmte angenehm ihr Gesicht.

Joeys Blick wanderte zu dem Schild über dem Eingang und der Tür selbst, auf die sie nun zuging. Ein Pärchen ging gerade vor ihr hinein und weil sie sahen, dass sie einen Koffer hatte hielt der Mann ihr nach seiner Freundin ebenfalls noch die Tür auf. Da es kurz nach Mittag war, saßen einige Gäste im Restaurant und unterhielten sich angeregt, Joey konnte Pacey hinter dem Tresen erkennen wie er an der Kaffeemaschine hantierte und bahnte sich ihren Weg zu ihm.

„Bekommt man als alte Freundin hier eine Sonderbehandlung?“, meinte sie unverblümt und Pacey drehte sich erstaunt um.

„Joey! Schatz, was für eine Überraschung!“ Er umarmte sie über den Tresen hinweg und drückte ihr einen langen Kuss auf.

„Und?“

„War das nicht schon Sonderbehandlung genug?“, grinste Pacey schnippisch als der Espresso hinter ihm gurgelte und er sich diesem wieder widmen musste.

„Wie komme ich zu der Ehre, musst du nicht arbeiten?“

„Ich habe mir frei genommen!“

„Extra wegen mir?“

„Nein, wegen dem gutaussehenden Typen da drüben ...“, feixte sie und zeigte auf einen x-beliebigen Mann, der im Restaurant stand. „Natürlich wegen dir!“

Pacey drehte sich mit den zwei kleinen Tassen zu ihr um und stellte sie auf ein Tablett, das die Bedienung sogleich abholte.

„Du willst reden, nicht wahr! Hör zu, lass uns das heute Abend tun. Wenn du mir ein wenig zur Hand gehst, kann ich sicher etwas früher zumachen, okay?“

„Okay“, antwortet Joey lächelnd.

***

In Leery’s Fresh Fish war der Nachmittag wenig gut besucht und so hatte Gale kaum Stress, außer mit ihrem Chefkoch Bodie. Wieder einmal wollte er die Speisekarte verändern und wieder einmal eine seiner neuen Kreationen einfügen. Wenn sie sich an das Welssufflée erinnerte, das er letzte Woche erfunden, oder eher verbrochen hatte, lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken.

„So, Gale, es ist fertig, ich denke die Ananasstückchen und die geriebene Paprika geben dem Ganzen ein besonderes Aroma.“

Gale nahm das kleine Schälchen entgegen und rührte mit dem Löffel ein wenig in der klumpigen Paste.

„Ich wollte noch Kapern rein tun aber ...“

„Besser so“, versuchte Gale enthusiastisch zu klingen nachdem sie sich flink einen Löffel in den Mund gesteckt hatte.

Zugegeben, es war kein Brechmittel, aber auch wahrlich nicht die Qualität, welche man in Leery’s Fresh Fish erwarten sollte. Sie gab ihm schnell die Schale zurück und wischte sich den Mund mit einer Papierserviette ab.

„Aber am Besten du brütest noch mal eine Nacht darüber, ich weiß, dass du es noch besser kannst!“

Im selben Moment öffnete sich die Tür und Gretchen kam herein. Sie schien sich nachdenklich im leeren Raum umzusehen. Es kam Gale seltsam vor, dass sie jetzt hier war. Sie nahm sofort ihre Schürze ab und kam hinter dem Tresen hervor, um zu Gretchen hinüber zu gehen.

„Gretchen, schön dich zu sehen ... und überraschend.“

Sie schien wie aus einem Traum gerissen, als sie Gale herankommen sah. „Hallo, Gale. Wie geht es?“

„Oh gut, wie immer eben. Setz dich doch, kann ich dir was zum Trinken bringen? Was macht die Arbeit?“

Gretchen setzte sich langsam und Gale ebenfalls. „Ich, na ja ich habe aufgehört in Boston zu arbeiten. Ich werde jetzt eine Weile hierbleiben.“ Sie erzählte Gale nur die halbe Wahrheit, aber nicht jeder musste wissen, dass sie den Job verloren hatte. Es war ihr furchtbar unangenehm.

„Oh, das ist schön. Ich meine, dass du wieder hier bist. Wohnst du bei Pacey?“

„Nein, nein. Ich denke nicht, dass ich das noch mal aushalte.“ Ein kleines Lächeln ließ Grübchen in ihren schlanken Wangen entstehen. „Ich werde mir selbst eine Wohnung suchen ... und einen Job. Deshalb wollte ich mit dir sprechen.“ Zum ersten Mal in der Unterhaltung sah Gretchen Gale wieder direkt an.

Diese nickte langsam und nahm Gretchens Hand, welche auf dem Tisch lag, in ihre eigene. Ein mütterlicher, mitfühlender Blick lag auf ihren Zügen. Sie ahnte, dass Gretchen nicht ohne Grund wieder in Capeside gestrandet war.

***

Mittlerweile hatte es in Deutschland aufgehört zu regnen, selbst im nassen Hamburg. Die Straßen glänzten wohl noch, aber die Luft war trocken und warm. Dennoch saßen Andie und Sasha drinnen in dem kleinen Café, in welches sie ihn zitiert hatte. Sasha war erstaunlich nett gewesen, trotz des ruppigen Marschbefehls ihrerseits. Sie saßen sich an einem Ecktisch gegenüber und hatten jeder einen Milchshake vor sich stehen an dessen Strohhalm Andie herumspielte, während Sasha zurückgelehnt lauschte.

„... deswegen dachte ich mir, wäre es besser Alkantaraleder zu nehmen, damit der Rock trotzdem noch weich fällt.“

„Gut gelöst, du solltest mal wieder für unsere Agentur arbeiten. Meine Chefs waren mehr als beeindruckt.“

„Tatsächlich?“, meinte Andie abwesend, doch Sasha ignorierte es.

„Ja, wirklich, außerdem würden wir uns dann öfter sehen!“

„Das ist es ja, ich finde Privates und Berufliches sollte man trennen ... Aber gibt es zwischen uns überhaupt noch Privates?“, fügte sie leise hinzu.

„Was?“, hakte Sasha nach, wodurch Andie ihm direkt ins Gesicht sah.

„Ob es noch ein UNS gibt!“

Er zog die Augenbrauen zusammen und starrte sie unschlüssig an.

„Verdammt Sasha, nennst du das etwa eine Beziehung, was wir die letzten Wochen führen? Dann möchte ich nicht mit dir verheiratet sein!“

Etwas genervt drehte er den Kopf zur Seite und blickte starr in das Café, dann wieder zu Andie. „Wie schön, dann kann ich mir die Frage ja schon mal sparen.“

„Du hast nicht das Recht wütend zu sein, die Distanz zwischen uns hast schließlich DU geschaffen!“

„Aber ja, natürlich, Miss McPhee ist nie schuld. Das verwöhnte Bonzen-Töchterchen wird immer nur von allen betrogen und belogen. Die Distanz zwischen uns, falls es sie gibt, kommt nur von deiner ständigen Bohrerei, deinem Drang alles zu analysieren und zu verbessern. Du bist nie zufrieden ... kein Mann könnte dich zufrieden stellen!“

Andie schwieg einige Sekunden und brachte dann leise hervor. „Vielleicht sollten wir eine Pause machen!“

Sasha lachte gekünstelt. „Eine Pause?! Von was? Laut dir gibt es zwischen uns ja überhaupt nichts mehr.“

Er rutschte zum Ende der Bank und nahm dabei seine Jacke in die Hand.

„Wenn du mich liebst gehst du jetzt nicht, bitte!“, flehte Andie ihn an als er seine Jacke anzog und ein paar Geldscheine auf den Tisch warf.

Ein letztes Mal sah er sie mit wütenden, aber auch leidenden Augen an. „Wenn du mich lieben würdest, hättest du mich nicht dazu gebracht ... leb wohl, Andie!“

Er wandte sich ab und bevor Andie fähig war das zu verarbeiten und eine Antwort darauf zu finden, war er weg und sie allein mit ihrer Traurigkeit. Sie wollte sich besser fühlen, aber tat es nicht. Andie spürte wie die Tränen von Innen gegen ihre Augen drückten und ihr die Kehle zuschnürten. Das sollte es jetzt also gewesen sein? So einfach hatte Sasha sich von ihr getrennt? Als es draußen wieder zu regnen begann, ließ auch Andie den angestauten Tränen freien Lauf.

***

In Paceys Lokal war diesen Nachmittag die Hölle los. Es waren nicht mal annähernd genug Tische da für alle die einen wollten. Joey hatte sich, nachdem sie lange den Streitigkeiten unter den Gästen gelauscht hatte, dazu entschlossen den Posten des Platzanweisers zu übernehmen. Sie wartete am Eingang und merkte sich die Reihenfolge der Neuankömmlinge, dann wies sie ihnen der Reihe nach freiwerdende Tische zu. Auch als Bedienung musste sie wieder mal herhalten, aber darin hatte sie ja Übung.

Gegen Abend wurde es dann ruhiger und zumindest ein Platzanweiser war nicht mehr benötigt. Lediglich an drei Tischen saßen noch ein paar, versumpfte Personen mit denen der Student, der hier aushilfsweise kellnerte, gut ein paar Minuten allein zurechtkam. Also zog sich Joey die Schürze aus und kam an den Tresen. Sie musste ihn nur fordernd ansehen und er wusste Bescheid.

„Du willst das Versprechen einlösen!“, grinste er. Dann sah er sich kurz im Restaurant um und nahm sie am Arm.

„Komm, gehen wir ins Büro, falls wir mehr tun wollen als uns zu unterhalten.“ Er zwinkerte ihr zu und Joey musste unwillkürlich bezaubernd lächeln. Als sie das abgedunkelte Hinterzimmer erreichten, bat Pacey sie sich hinzusetzen. Er zog den Schreibtischstuhl direkt vor sie, setzte sich darauf und beugte sich ganz nah zu ihr vor. „Also?“

Joey sah ihn eine Weile an und überlegte schwer. „Ich hab mir in letzter Zeit wieder viele Gedanken gemacht, über uns und die gemeinsame Zukunft. Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte und irgendwie schien alles falsch: sowohl nachzugeben als auch stur zu bleiben.“

Pacey sah sie mit einem ungeahnt verständnisvollen Blick an. „Muss man sich denn immer entscheiden? Kann man nie einen Kompromiss finden?“

„Wo sollte der liegen, auf halbem Weg zwischen hier und New York? Dann müssten wir beide unser Leben aufgeben, ich finde das ist die schlechteste Lösung.“

„Stimmt, aber es stimmt auch, dass du dir was überlegt hast, Potter, nicht wahr?“

Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht, ehe sie wieder vollkommen ernst wurde. Sie hatte hin und her überlegt, wie sie es ihm schonend sagen sollte, doch letztlich gab es keinen wirklich schonenden Weg. Daher rückte sie einfach mit dem raus, was ihr seit einigen Tagen auf der Seele lastete. „Ich bin schwanger, Pacey!“

Seine Augen wurden auf einmal groß und es schien als sei er erstarrt. Er schien abzuwägen, ob sie es erst meinte oder sich einen fiesen Scherz erlaubte. Doch dann, als sich ihre Miene nicht veränderte, breitete sich ein großes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er wurde Vater! Voller Freude umarmte er Joey stürmisch. „Das ist wunderbar!“

Joey schien sich in ihrem Redefluss allerdings nicht gestört. „Ich weiß nicht recht, Pace. Es ist so viel auf einmal. Das ich von hier aus arbeiten kann, scheint ja so gut wie geklärt zu sein, und wenn das Haus wirklich so traumhaft ist, wie du sagst, hab ich auch kein Problem damit, dass wir es zusammen beziehen." Sie machte eine Pause und sah ihn ernst an. "Aber ich weiß nicht, ob ich bereit bin Mutter zu werden."

Hörbar schluckte Pacey den Kloß hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte, während Joey sprach, und sah sie fassungslos an. "Was willst du damit sagen, Jo?"

Sie erwiderte nichts, ließ sich lediglich in ihrem Stuhl zurücksinken und hielt seinem verwirrten, fast schon verletzten Blick stand.

***

Das Lachen der Geschwister Witter verhallte allmählich und Doug stand von seinem Platz auf. Seinen Teller auf Jacks und schließlich Gretchens stellend, sagte er ein wenig wehmütig: "Ich unterbreche das Schwelgen in Erinnerungen an unsere Kindheit nur ungern, aber leider fängt mein Dienst in knapp einer Stunde an und ich will vorher noch duschen."

Jack sah zu ihm auf und lächelte.

Ebenso Gretchen, die ihrerseits aufstand und die Schüssel mit den Spaghetti nahm. "Schon gut, ich bin ja für längere Zeit hier und nicht auf der Flucht. Wir können einen anderen Abend weiterschwelgen."

Jack blieb sitzen und wischte Amy den Mund ab, der über und über mit Tomatensoße bekleckert war. Das kleine Mädchen saß, wie gewohnt, in ihrem Hochstuhl, genau zwischen Jack und Doug und ließ die Reinigung über sich ergehen, wobei sie Jack anlächelte. Dieser erwiderte es nur schwach und atmete tief durch.

Doug, der bereits dabei war die Teller und das Besteck in die Küche zu tragen, hörte Jacks Seufzen nicht mehr, dafür jedoch Gretchen, die ihn daraufhin einige Sekunden lang musterte. "Du siehst erschöpft aus, Jack. Stress in der Schule gehabt?"

Etwas verdutzt sah Jack sie an. "Nein, eigentlich nicht. Sie erinnert mich nur immer wieder an ihre Mutter, wenn sie mich so anlächelt." Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, so dass sein Gesichtsausdruck sehr betrübt wirkte. Dann setzte Jack jedoch schnell seine Maske der Heiterkeit auf und hob seine Tochter aus dem Stuhl.

Gretchen war der Ansicht, dass Jack allmählich über Jens Tod hinweg sein sollte. Zumindest soweit, dass er nicht mehr aussah, als sei sie erst vergangene Woche gestorben. Jens Tod lag nun schon über ein halbes Jahr zurück und ganz gleich, wie nahe sie sich auch gestanden haben mochten, so war es doch nicht normal, dass er so lange so intensiv trauerte. "Vielleicht solltest du es nicht negativ sehen, wenn deine Tochter – ihre Tochter – dich an sie erinnert. Sieh es von der positiven Seite, Jack."

"Das tue ich doch", erwiderte dieser und blickte von Amy zu Gretchen auf.

"Das ist nicht wahr", sagte Gretchen mit einem sehr sanften Ton und umrundete den Tisch, so dass sie direkt neben Jack zum stehen kam. Mitfühlend legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihn unvermittelt an. "Du kannst allen anderen etwas vormachen, aber nicht mir. Ich kenne dich zwar nicht so gut wie Doug, dafür bin ich jedoch die aufmerksamste aller Witter Nachkömmlinge. Und ich sehe dir an, dass es dir ganz und gar nicht gut geht. Dass du leidest und Jen vermisst. Vielleicht mehr sogar, als gut ist."

"Es ist nicht nur so, dass ich Jen vermisse, Gretchen. Ich vermisse auch Grams. Die Beiden waren meine Familie, nachdem Andie sich entschloss in Europa zu bleiben und meine Eltern nach Philadelphia umgezogen sind. Sie waren so viele Jahre ein fester Bestandteil meines Lebens ... und ich ... zog zurück nach Capeside, um Lehrer an der hiesigen Highschool zu werden, anstatt in New York bei ihnen zu bleiben." Er schluckte hart und wandte den Blick von Gretchen ab. "Ich hätte mich nicht von ihnen entfernen dürfen. Ich hätte ... die Zeit mit ihnen nutzen müssen. Für sie da sein sollen. Vielleicht", er zögerte und senkte die Stimme zu einem Flüstern, "vielleicht wäre dann zumindest Jen noch am Leben."

"Um Himmelswillen, Jack!" Gretchen ging neben ihm in die Hocke, so dass sie zu ihm aufsehen konnte und sah ihn durchdringend an. "Du hättest ihr nicht helfen können, nicht mehr als du es auch von Capeside aus getan hast. Du warst ihr der beste Freund, für viele gute Jahre. Du bist kein Arzt. Und nach allem, was du und Doug mir bisher erzählt habt, war sie bei den besten Kardiologen des Landes. Sie hat jede erdenkliche Therapie versucht, doch es sollte nicht sein." Gretchen überlegte sich genau, was sie als nächstes sagen würde. "Das Schicksal wollte nicht, dass sie weiterlebt, obgleich sie viel zu jung war, um zu sterben. Sie hat es nicht verdient, das weiß ich ebenso wie jeder, der sie kannte. Und doch ist es geschehen, Jack, und es ist NICHT deine Schuld. Du hättest ihr nicht helfen können."

Mit Tränen erfüllten Augen sah Jack nun endlich wieder in Gretchens und erkannte darin unendlich viel Anteilnahme und auch Mitleid. Dann sah er seine Tochter an, die er immer noch auf dem Arm hielt und begann lautlos zu weinen.

Gretchen nahm ihn aus einem Impuls heraus in den Arm und hielt so einige Minuten sowohl Jack als auch Amy fest.


***


Ashley lag mit dem Kopf auf dem Oberschenkel ihres Mannes und sah seitlich auf den Fernseher, während er saß und ihren Nacken zärtlich kraulte. Das tat er immer, wenn sie sich gemeinsam einen Film ansahen und sie ließ es zu, wie ein Kätzchen das schnurrend genießt, und lächelte sanft.

Sie sahen sich wieder einmal einen dieser teuren Hollywood Streifen an, der eine gesunde Mischung aus Romantik und Action beinhaltete, damit sie beide zufrieden gestellt waren. Während Justin nämlich nichts für reine Romanzen übrig hatte, konnte sich Ashley absolut nicht für pure Actionfilme begeistern.

Als die Werbung eingeblendet wurde und ein Spot für Kodak Filme im Fernsehen lief, erinnerte sich Justin an das Telefonat, das er am Mittag mit dem Produzenten einer neuen Fernsehserie geführt hatte, der wollte, dass Justin das Shooting mit den Hauptdarstellern übernahm. Ein ausgezeichnetes Angebot, wie Justin fand, dem er sofort zugesagt hatte, da sie das Geld gut gebrauchen konnten das dieser Job ihm einbringen würde.

Dawson hatte seine Finger im Spiel gehabt, hatte ihm Bruckheimer erzählt, da er ihn empfohlen hatte, als Jerry und er sich zum Lunch getroffen und über ihre Projekte geplauscht hatten.

"Liebling", sagte Justin und streichelte Ashley liebevoll eine ihrer goldenen Strähnen aus dem Gesicht. "Ich hab völlig vergessen, dir etwas zu erzählen."

"Was denn?", fragte sie lächelnd und drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte. "Etwas Gutes, hoffe ich?"

"Natürlich. Etwas sehr Gutes sogar." Justin strahlte übers ganze Gesicht. "Jerry Bruckheimer hat mich heute Mittag angerufen."

"Was?!", kam es kreischend vor Begeisterung von Ashley und sie setzte sich abrupt auf. "Im Ernst?"

"Ja", nickte Justin eifrig.

"Woher hat er deine Nummer?"

"Von Dawson", schmunzelte er und nahm ihre Hände in seine. "Er will, dass ich die Castingbilder zu einer seiner neuen Serien mache."

"Oh mein Gott! Das ist ja fantastisch! Wann?"

"Kommende Woche." Er hielt einen Moment inne. "Und ich möchte, dass du mich begleitest."

Sofort verschwand das Lächeln von ihrem Gesicht und sie sah ihren Mann ernst an. "Du weißt doch, dass ich nicht nach L.A. zurückgehe."

"Niemand will, dass du dort modelst oder sonst was tust, Schatz. Ich möchte dich einfach nur bei mir haben. Ich werde für ein paar Tage weg sein und ich weiß nicht, ob ich ein paar Tage von dir getrennt sein kann." Er streichelte liebevoll ihre Wange und lächelte sie zärtlich an.

"Ich", sie schluckte, "ich kann nicht wieder dorthin zurück, nachdem ich hier ein neues Leben angefangen habe, Justin. Bitte, zwing mich nicht dazu."

Resignation lag in seinem Blick, als er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn drückte. "Wir telefonieren aber jeden Tag, in Ordnung?"

"Okay", sagte sie und ihr Gesichtsausdruck wurde wieder weicher. "Ja, das machen wir."

"Ich werde dir doch auch fehlen, nicht wahr?", fragte er spielerisch und als Antwort gab sie ihm einen langen, tiefen Kuss, der ihm beinahe den Verstand raubte.

***

Unruhig wälzte Andie sich in ihrem Bett hin und her. Und zum aber tausendsten Mal an diesem Abend starrte sie hinauf an die weiße Zimmerdecke, auf der gruselig die Schatten hin und her sprangen, die durch das verregnete Fenster kamen. Irgendwie erinnerte sie das Szenario an einen Film, den sie als Kind mit Jack gesehen hatte, als Brown auf sie aufgepasst hatte und vor dem Fernseher eingenickt war. Poltergeist. Was hatten sie diesen Film geliebt. Gemeinsam hatten sie unter der Decke gekuschelt, eine Schüssel Popcorn zwischen ihnen und vor Angst gebibbert.

Wo waren diese Tage unbeschwerter Kindheit hin?

Gott, sie vermisste Jack. Sie vermisste Brown. Und Capeside und ... ja, verdammt, sie vermisste Sasha! Er hatte es überhaupt nicht verdient, dass sie ihm nachtrauerte, und doch tat sie es. Sie vermisste die schönen Zeiten mit ihm, in denen sie unter den Sternen am Hafen entlang schlenderten, Picknicks im Park gemacht, gemeinsam Essen oder im Kino waren. Und ganz besonders vermisste sie seine weichen Hände auf ihrer Haut. Seine zärtlichen Küsse.

Wann hatte sie diesen Sasha verloren? Und warum?

Der Sasha von heute, der so mir nichts dir nichts aufgestanden war und sie im Café zurückgelassen hatte, war nicht der Sasha, in den sie sich verliebt hatte. Das war nicht der Sasha, von dem sie geglaubt hatte, dass er eines Tages Kinder mit ihr haben würde.
Dieser Sasha heute war besessen von seiner Arbeit, vollkommen gestresst und abgespannt, so wie sie selbst es war. Sie hatte sich zu einem Workaholic entwickelt und er ebenso. Sie hatten beide das aus den Augen verloren, was eigentlich wichtig war. Was, nach Andies Meinung, der Sinn des Lebens war. Die Liebe! Sie hatten ihre Liebe ihrem Beruf geopfert.

Und nun war alles dahin.

Andie vermochte es kaum noch, sich an die letzte richtig leidenschaftliche Nacht mit Sasha zurück zu erinnern. Es schien so lange her zu sein, dass die Erinnerung daran regelrecht verblasst war.

Und dabei hatten sie sich ganz zu Beginn ihrer Beziehung täglich geliebt, manchmal sogar mehr als einmal am Tag, wenn es sich irgendwie hatte einrichten lassen. Sasha hatte sie immer wieder herausgefordert und dabei hatten sie es manchmal an Orten getan, die Andie im Nachhinein nur noch ein Kopfschütteln abrangen. In einem Fahrstuhl, in der Umkleidekabine eines Schwimmbads, auf dem Balkon seiner Wohnung, nachts in einem Schwimmbad im Wasser, als sie heimlich über den Zaun geklettert waren, um nackt baden zu gehen. Himmel, sie hatten so viel Spaß zusammen gehabt. Und sie vermisste weit mehr als nur den Sex mit ihm.

Sie vermisste ebenso die ruhigen Stunden vorm Fernseher, oder wenn sie sich gegenseitig bei der Arbeit geholfen und sich Inspirationen geliefert hatten. Das alles war, wie mit allen Beziehungen, die sie bisher geführt hatte, nun Vergangenheit und nichts weiter als Erinnerungen. Schöne Erinnerungen, mit denen sie sich abfinden musste, jedoch weder wollte noch konnte. Sie zog die Bettdecke bis zum Hals hoch und schloss die Augen, als sie begannen zu brennen sobald sich Tränen darin begannen zu sammeln.

"Warum, verdammt?", flüsterte sie und in die Dunkelheit der Nacht zu ihrem Fenster hinaus, auf dem der Regen in kleinen Rinnsälen hinabfloss. "Warum darf ich nicht auch endlich mal Glück haben? Was hab ich getan, um so bestraft zu werden?"

Sie sah es als Strafe an, dass keine ihrer Liebesbeziehung von großer Dauer zu sein schien. Zuerst hatte sie Pacey verloren, dann Pedro – wobei das daran lag, dass er Italien nicht verlassen und sie nach Deutschland begleiten wollte, und sie in Italien beruflich nicht weitergekommen wäre – und nun Sasha. Die anderen Männer waren unbedeutend gewesen. Aber diese drei Männer hatte sie geliebt. Sie liebte sie noch, jeden auf eine bestimmte Art und Weise. Und ganz besonders schwer wurde ihr ums Herz, als sie Sashas lächelndes Gesicht vor ihrem inneren Auge sah, wie er sie angesehen hatte, als sie sprichwörtlich ineinandergelaufen waren. Es war Kismet gewesen, Schicksal! Sie hatten sich treffen sollen. Doch war auch das Scheitern ihrer Beziehung Teil der Gleichung? Waren sie wirklich nicht füreinander bestimmt? Oder war all dies nur eine Prüfung für sie beide?

Grübelnd und in Gedanken an Sasha versunken, schlief Andie irgendwann weinend ein.

***

"Weißt du", rief Pacey ihr über die Schulter hinweg zu, während er das Restaurant abschloss, "ich verstehe, deine Zweifel. So ein Baby bedeutet viel Verantwortung. Alles ändert sich mit einem Kind." Er drehte sich zu ihr um und sah sie mit einem strahlenden Lächeln an als er auf sie zuging. "Aber wir haben doch praktisch schon das Haus, das uns nichts weiter als die Reparaturen kosten wird. Und die kann ich durchführen, wie es unser Budget erlaubt. Und es ist nicht so, dass ich dich das Baby allein erziehen lassen würde."

Joey lehnte an seinem Wagen und sah ihn mit vor der Brust verschränkten Armen ziemlich kritisch an, ohne ein Wort zu erwidern. Er schien gar nicht begreifen zu wollen, was zurzeit in ihr vorging. Alles stürmte derzeit mit einer solchen Gewalt auf sie ein, die Angst vor der Entbindung, davor keine gute Mutter zu sein, das Gefühl zu jung zu sein, um solch eine Verantwortung zu tragen ... Es war so vieles auf einmal. Und Pacey schien ganz im Gegensatz zu ihr nur die positiven Seiten an einem gemeinsamen Kind zu sehen. Sicher war so ein Baby niedlich. Doch es würde sie viele Jahre lang ein kleines Vermögen kosten. Sie sah doch, wie Jack und Doug ständig am sparen waren und dass die beiden auf Vieles verzichten mussten.

"Stell dir doch nur vor", redete er unaufhörlich weiter, legte den rechten Arm um ihre Schultern und vollzog mit dem linken eine ausschweifende Geste. "Wir werden zusammen zur Schwangerschaftsgymnastik gehen, Babykurse mitmachen uns von Doug und Jack Tipps geben lassen, dann gehen wir gemeinsam die Erstausstattung kaufen, richten das Zimmer zusammen her – wobei ich natürlich dafür sorgen werde, dass du dich nicht übernimmst –" Er grinste, ohne ihr ernstes Gesicht zu beachten. "Und ich bin sogar bereit das Baby nachts zu versorgen, damit du schlafen kannst."

"Was, wenn ich es stille? Wie willst du das dann machen?" Sie sah ihn aus zusammen gekniffenen Augen an und wartete gespannt auf seine Antwort.

"Na", sagte er und dachte kurz nach. Es war als könnte Joey plötzlich eine Glühbirne über seinem Kopf aufleuchten sehen, als ihm eine Lösung für das 'Problem' einfiel. "Ich werde dein Pyjamaoberteil hochschieben, während du schläfst, das Baby an deine Brust anlegen und warten bis es satt ist." Er grinste übers ganze Gesicht.

"Pace", seufzte sie. "Du stellst dir das alles ein wenig zu einfach vor."

"Und du verkomplizierst die Sache unnötig, Joey." Er drehte sie so, dass er ihr direkt in die Augen sehen konnte, ohne sich dabei den Hals zu zerren. "Wir schaffen das schon zusammen."

Sie sagte nichts, wandte nach einer Weile sogar den Blick von ihm ab und schaute auf den Boden, als gäbe es dort etwas furchtbar Interessantes zu sehen.

"Ich ... sieh mich bitte wieder an", bat er und sie tat es mit Tränen in den Augen, "ich will dieses Baby, Joey. Ich will es mit dir zusammen großziehen, in unserem Haus. Und ..." Er strich ihr liebevoll eine ihrer langen Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelte zärtlich. "Und ich möchte an deiner Seite alt werden. Ich liebe dich über alles, Joey Potter, auch wenn ich es dir an manchen Tagen vielleicht mehr zeigen sollte. Du bist meine Welt und ich kann mir keinen Tag mehr ohne dich vorstellen." Behutsam legte er seine Hand auf ihren Bauch, wo er das Baby vermutete. "Und ich werde unser Baby lieben."

Tränen rannen ihre Wangen hinab, während sie ihn stumm ansah. Und als er plötzlich vor ihr in die Knie ging, glaubte sie zu spüren, wie ihr Herz einige Takte ausließ und sie hielt den Atem an.

"Ich ... war darauf nicht vorbereitet", sagte er etwas verlegen, weil er keinen Ring für sie hatte, "aber ich möchte, dass du meine Frau wirst. Joey Potter, bitte heirate mich." In seiner Euphorie hatte er erwartet, dass sie ihm freudestrahlend um den Hals fallen würde, obgleich er keinen Ring für sie hatte. Oder, dass sie zumindest lächeln würde. Irgendeine Art der Freude demonstrieren würde.

Aber ganz sicher hatte er nicht erwartet, dass sie ebenfalls in die Knie ging und sagte: "Wir können nicht heiraten, Pace. Ich möchte das nicht. Nicht so ... Nicht, weil du denkst mich heiraten zu müssen, weil ich schwanger von dir bin und weil du vielleicht denkst, dies tun zu müssen." Sie machte eine kurze Pause und sah in sein verblüfftes und trauriges Gesicht. "Ich habe nichts dagegen, dass wir irgendwann heiraten, aber ich will nicht, dass es jetzt passiert, nicht so." Sie hoffte, dass ihre Worte ihn etwas trösten würden, doch er sah sie nur voller Unglauben an.

"Du denkst, dass ich dich nur wegen des Babys heiraten will? Gott, Joey, ich habe schon tausend Mal daran gedacht, dich zu bitten meine Frau zu werden, aber ich hatte immer Angst vor deiner Reaktion. Davor, dass wir beide vielleicht noch nicht so weit sein könnten."

"Und jetzt bist du der Meinung, dass wir es sind?"

Beide standen auf, ließen jedoch nicht den Blick vom anderen.

Er nickte. "Ja. Ja, ich denke, dass wir soweit sind. Ich weiß nicht, wie ich es dir beweisen kann oder was ich tun kann, um dir klar zu machen, dass wir beide sicherlich ein schönes Leben gemeinsam haben werden, wenn du mich nicht ausschließt. Schließ mich nicht aus, Jo. Nicht noch einmal. Die fünf Jahre in denen wir uns nicht gesehen haben, waren die Hölle für mich. Ich wusste nicht, wofür ich mir den Arsch mit dem Restaurant aufriss, nicht wofür ich morgens aufstand. Und als ich dich wiedersah, da machte es klick. Ich sah dich und wusste, dass ich das alles tat, damit ich dir etwas bieten konnte. Um dir zu beweisen, dass ich kein Versager bin. Dass ich dir ein würdiger Ehemann sein werde und ein guter Vater." Sein Blick glitt hinab zu ihrem Bauch und er lächelte etwas schwermütig. "Bitte, Joey, entscheide dich für uns." Seine Augen fixierten ihre und er sah darin unendlich großen Kummer.

Joey antwortete nicht. Sie schluckte nur und schloss die Augen, um seinem zärtlichen, jedoch auch bohrenden Blick auszuweichen.

***

Während der ganzen Fahrt zu Paceys Wohnung sprach keiner der beiden auch nur ein Wort. Paceys Blick war stur geradeaus auf die nächtliche Straße gerichtet und Joey blickte – ohne dabei ihre Umgebung wirklich wahrzunehmen – zum Seitenfenster hinaus.

Warum hatte er ihr ausgerechnet jetzt einen Antrag gemacht? Warum an dem Tag, an dem sie ihm von der Schwangerschaft erzählte? Wollte er sie damit davon abhalten das Baby eventuell abzutreiben? Denn dies war ein Gedanke, der sie einfach nicht loslassen wollte. Sie wollte irgendwann mal ein Kind oder vielleicht auch zwei, aber doch nicht jetzt. Sie war gerade mal fünfundzwanzig, erfolgreich im Beruf, und sie wollte noch so vieles tun und erleben, bevor sie bereit war Hausfrau und Mutter zu sein. Joey wusste noch zu gut, wie schwer Bessie es zu Beginn mit Alexander gehabt hatte. All die Verantwortung, die sie auch so schon für Joey hatte tragen müssen, dann das eigene Kind, das Zuhause ... und weder Mutter noch Vater. Niemand, der ihr half all das durchzustehen.

Wenn Bessie Glück gehabt hatte, dann konnte sie einmal im Quartal einen Abend ausgehen und Bodie treffen, der lange Zeit weit weg von Capeside hatte Arbeit annehmen müssen, weil sonst der Pfandleiher irgendwann vor der Tür gestanden hätte und sie das Haus verloren hätten, die einzige Sache, die sie noch wirklich zusammenhielt.

Joey wollte all das nicht ebenfalls durchmachen. Sie hatte nicht vorgehabt ihr erstes Kind zu bekommen, bevor sie etwa dreißig war. Dann – so war ihre Überlegung – war sie erstens wirklich reif dafür und zweitens hatte sie dann genug Zeit gehabt, alles zu sehen und zu erreichen, was sie sich seit ihrer Jungendzeit so fest vorgenommen hatte. Wie konnte Pacey von ihr erwarten, dass sie alles aufgab, hierher zurückkäme und dann ein Leben wie Bessie fristete?

Heimlich sah er sie aus dem Augenwinkel an und seufzte innerlich, ohne sich auch nur etwas anmerken zu lassen. Irgendwie hatte er geglaubt das Richtige zu tun. So zu reagieren, wie es eine Freundin von ihrem Freund erwartet, wenn sie ihm eine Schwangerschaft beichtet und sich vor seiner Reaktion fürchtete. Er war ihr mit Verständnis begegnet und mehr noch hatte er sich von Herzen gefreut. Ja, er freute sich darüber, dass Joey ein Kind von ihm erwartete. Wie konnte sie ernsthaft in Erwägung ziehen, sein wenige Wochen junges Leben zu beenden ehe es begonnen hat, nur weil sie sich im Augenblick noch nicht erwachsen genug dafür fühlte? Herrje, vielleicht würde sie sich niemals reif genug dafür fühlen. Würden sie dann vielleicht niemals Kinder haben? Und das, wo er Kinder doch so sehr liebte.

Hatte sie noch nie gesehen, mit welcher Freude er Jack und Doug besuchte, so oft es ihm möglich war, nur um Zeit mit Amy verbringen zu können? Durch Jens frühen Tod war Amy weit mehr als nur die Tochter einer Freundin. Er fühlte sich ihr mindestens so verbunden, wie ein Onkel oder – ja, eigentlich fühlte er sich ihr noch näher als das. Und er wollte gerne ein Mädchen oder einen kleinen frechen Jungen, der ihn eines Tages mit Daddy ansprechen würde.

Gott verdammt, wie konnte sie diese Entscheidung einfach für sie beide treffen? Und warum zum Teufel glaubte sie nach all den Jahren, dass er sie nicht genug liebte, um sie auch ohne Schwangerschaft zu heiraten? Hätte er ihr bereits mit siebzehn einen Antrag machen sollen? Womöglich bevor er sie defloriert hatte? Wäre das in ihrem Sinn gewesen?

Manchmal verstand er sie einfach nicht, auch wenn er sich oft einredete, sie begriffen zu haben. An manchen Tagen war es okay, dann war es, als wäre das einfach wie eine Art Geheimnis, das sie so besonders machte. Und an manchen Tagen, da wollte er einfach verstehen, wie ihr Verstand tickte, was in ihrem hübschen und cleveren Kopf vor sich ging. Doch würde er das je? Er bezweifelte es ernsthaft. Und so fuhren sie wortlos die karge Straße entlang, einer noch ungeschriebenen Zukunft entgegen.


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