Nach dem Sturm von Nadia

Nach dem Sturm von Nadia

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Story Bemerkung:

Spoiler: 4.03 – Der Sturm [Two Gentleman of Capeside]
Er bewegte sich nicht. Umklammerte das Lenkrad des Wagens mit festen Griff, sodass Andie selbst im Halbdunkel das Weiß seiner Fingerknöchel sehen konnte. Sie drehte sich im Beifahrersitz etwas mehr in seine Richtung und legte ihre Hand auf seinen rechten Arm. Sie hatten ihr Haus gerade erreicht und Jack stoppte das Auto in der Auffahrt.

»Alles in Ordnung, Jack? Du hast die ganze Fahrt über kaum etwas gesagt.«

»Mir geht der Gedanke nicht aus dem Kopf ..., dass ich Jen heute hätte verlieren können.« Er drehte seinen Kopf langsam in ihre Richtung, sah aber kaum die Konturen ihres Gesichts, da das Licht von hinter ihr zu ihnen ins Auto fiel.

»Das hast du aber nicht«, versuchte sie seine Stimmung zu heben.

»Aber fast ...« Mit einem tiefen Seufzen warf er den Kopf in den Nacken, der jedoch gegen die Kopfstütze schlug. Und irgendwie war das ein bisschen beruhigend. Er wiederholte es daraufhin gleich zwei weitere Male. Dann, nach einem Augenblick, sagte er: »Während ich die Fenster verbarrikadierte, konnte ich an nichts Anderes mehr denken, als an sie. Daran, dass ich sie an diesem Morgen in der Schule womöglich das letzte Mal lebend gesehen hatte. Ich ...« Jack hielt inne, als er sich des Bebens seiner eigenen Stimme und dem besorgten Ausdruck in Andies Gesicht bewusst wurde.

»Ich habe mir auch Sorgen gemacht. Um beide.« Andie betonte dabei vor allem den letzten Satz. »Aber irgendwie habe ich es geschafft Ruhe zu bewahren, alles Notwendige zu tun und Kraft aus der verbliebenen Hoffnung zu schöpfen. Irgendwie wusste ich, dass Pacey wieder zurückkommen würde. Und auch Jen ...« Sie lächelte ein kleines Lächeln, hoffte, dass Jack es erwidern würde, doch ihm war noch immer nicht danach.

Sie sah ihm deutlich den Schock an, der ihm noch immer in den Gliedern saß.

»Du solltest zu ihr gehen und mit ihr darüber reden, Jack.« Andie langte nach hinten auf den Rücksitz und griff ohne hinzusehen nach ihrer Handtasche. »Sag’ ihr, wie dir zumute ist.«

»Wie könnte ich das? Mit Sicherheit war ihre Angst noch größer als meine. Das ist irgendwie ...« Er stockte und sah Andie mit zweifelndem Ausdruck an. »Ich denke einfach, dass ich sie an diesem Tag trösten sollte, ihr gut zureden und nicht sie mir.«

»Warum macht ihr das nicht gegenseitig? Das tun Freunde füreinander, Jack. Fahr’ zu ihr, rede mit ihr und tu was immer nötig ist, damit ihr beide euch bald wieder besser fühlt.« Mit diesen Worten lehnte sie sich zu ihm, drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und öffnete die Wagentür. »Ich bin ohnehin so müde, dass ich gleich ins Bett gehen werde. Demnach wäre ich dir kein guter Gesprächspartner. Und du, mein Lieber, siehst nicht im mindesten so aus, als könntest du in der nächsten Zeit einschlafen.«

Das stimmte allerdings, musste Jack insgeheim zugeben, er fühlte sich nach diesem Tag alles andere als müde. Erschöpft, auf geistiger Ebene, aber nicht wirklich müde. Mit einem kleinen Raunen stimmte er Andies Vorschlag zu und ließ den Motor erneut an. »Bist du sicher, dass es okay ist, wenn ich zu ihr fahre?«

»Ja, mach’ dir keine weiteren Gedanken. Ich liebe dich.« Sie schwang sich aus dem Ford und schlug die Tür hinter sich zu.

»Ich dich auch«, sagte Jack, doch er war sich sicher, dass sie es nicht mehr gehört hatte. Damit schaltete er in den ersten Gang und fuhr die Auffahrt wieder hinunter, die er nur wenige Minuten zuvor hochgefahren war, und schlug den Weg zum Haus von Mrs. Ryan ein.


~*~


»Guten Abend, Jack«, grüßte Mrs. Ryan ihn wie immer herzlich und nahm ihn in die Arme. »Das war ein Tag, nicht wahr?« Er nickte. Sie konnte es nicht sehen, dafür aber spüren, während er die Umarmung erwiderte. »Du möchtest sicherlich zu Jennifer.« Abermals nickte er und sie schob ihn sanft von sich. »Sie ist oben in ihrem Zimmer.«

»Danke«, entgegnete Jack und lächelte für eine Sekunde.

Als er die Stufen hinaufging, überlegte er, wie er anfangen sollte. Immerhin war es inzwischen weit nach zehn am Abend und für gewöhnlich kam er um diese späte Uhrzeit nicht einfach so bei ihr vorbei.

Sein höfliches Klopfen an der Holztür, die einen Spalt breit offen gestanden hatte, wurde mit einem einfachen »Herein« honoriert. Und nach kurzem Zögern schob Jack die Tür gänzlich auf und betrat das nur schwach beleuchtete Zimmer, welches ihm nur allzu vertraut war.

»Hey.« Mehr brachte er nicht über die Lippen.

»Hey«, erwiderte Jen und lächelte über das ganze Gesicht. Sie saß im Schneidersitz auf dem Bett und winkte ihn zu sich, klopfte auf die weiche Matratze und lud ihn ein, neben ihr Platz zu nehmen. »Was führt dich so spät zu mir?« Eine rhetorische Frage. Sie konnte sich denken, warum er hier war. Und sie war froh, dass er noch vorbeigekommen war.

Jack setzte sich ihr gegenüber aufs Bett und nahm wortlos ihre beiden Hände in seine, die zitterten, und sah ihr in die Augen. Wo sollte er anfangen? Wie sollte er ihr sagen, wie wichtig sie ihm war und was für eine verdammte Scheißangst er den ganzen Abend durch um sie ausgestanden hatte?

Er öffnete den Mund, um anzufangen, brachte dann aber keinen Ton hervor. Stattdessen stiegen ihm Tränen in die Augen, die er vergeblich versuchte zurückzudrängen. Nervös senkte er den Blick, wollte vermeiden, dass sie das Zeugnis seiner Angst entdeckte, und starrte auf ihre Hände, deren Finger ineinander verschlungen waren.

»Hey«, kam es in einem sanften Ton von ihr und sie löste eine Hand aus seinen, um sie durch sein Haar zu schicken. »Alles okay?«

Er schüttelte nur den Kopf, brachte es noch immer nicht fertig aufzusehen.

Sie beugte sich etwas hinab, vermochte es aber nicht einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen, das er immer noch gesenkt hielt. Doch dann spürte sie etwas, das sie augenblicklich traf – mitten im Herzen. Es war eine Träne, die sich von seinen Wimpern gelöst hatte, auf ihre Hände gefallen und dort zerplatzt war.

Ihr Hals war mit einem Mal wie zugeschnürt.

Und ohne auch nur eine weitere Silbe zu sagen, zog sie Jack zu sich heran und schloss ihn in die Arme. Sie hielt ihn so fest sie konnte, so fest es ging, ohne ihm die Luft zum Atmen zu nehmen, so fest, wie noch nie zuvor. Und sie spürte sein Zittern, fühlte seinen heißen Atem nahe ihres Nackens. Langsam begann sie vor und zurück zu wippen, wiegte ihn und sich selbst in beruhigend langsamen Rhythmus. »Sschhh«, wisperte sie immer wieder und streichelte in gleichmäßigen Kreisen über seinen Rücken.

Die unbequeme Position ignorierend schmiegte er sich an sie, vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und ließ die Tränen zu.

»Ich hatte solche Angst«, schluchzte Jack nach einer Weile.

Sie streichelte ihn immer noch. »Es ist ja nochmals gut ausgegangen«, sagte sie tröstend. Jen war von sich selbst überrascht an diesem Abend. Zuerst hatte sie Grams getröstet und nun Jack. Sie fühlte sich seltsam gefasst, ja fast schon stark. Irgendetwas hatte ihr an diesem Abend enorm viel Kraft und Hoffnung gegeben. Und sie bekam allmählich das Gefühl, dass sie, als sie noch draußen auf der True Love mit Pacey gewesen war, von den Menschen, denen sie am Herzen lag, sämtliche Zuversicht und Stärke absorbiert hatte und sie deshalb um so vieles zerbrechlicher wirkten, als für gewöhnlich. Sonst war es Jack, an dessen Schulter sie sich ausweinte. Und nun weinte er. Er weinte wegen ihr.

»Es ist alles okay, Jack«, fügte sie nach einigen langen Sekunden hinzu. »Es geht mir gut.«

»Ich ...« Er löste sich von ihr, wischte sich die Tränen fort und sah sie aus geröteten Augen an. »Ich hatte Angst, dass ... ich dich nie wieder sehe.« Sie nickte nur und lächelte gerührt. »Du bist mir so unheimlich wichtig, Jen, und ich hatte Angst, dass ich nie die Gelegenheit bekomme würde ... dir zu sagen, … dass ich dich liebe.«

»Ich liebe dich auch«, erwiderte Jen und schluckte Tränen der Rührung hinunter, die dabei waren aufzukommen. »Und ich weiß, wie viel ich dir bedeute. Du musstest mir das nicht sagen, Jack. Ich spüre es jeden Tag, sehe es daran wie du mich ansiehst, wie du mich verteidigst, dich um mich kümmerst.« Mit diesen Worten drückte sie ihm einen liebevollen Kuss auf die Stirn, der einige Sekunden andauerte, bevor sie ihre eigene Stirn gegen seine lehnte und die Augen schloss.

Sie verharrten einige Minuten in dieser Position, bis Jack sich löste und gerade hinsetzte, um sie ansehen zu können. »Wo nimmst du nur diese Stärke her?« Seine Stimme bebte noch immer, aber nicht mehr ganz so schlimm wie zuvor.

»Von dir und Grams. Ihr beiden habt mich so stark und zuversichtlich gemacht.« Sie lächelte und zum ersten Mal seit einigen Stunden, fühlte Jack sich tatsächlich imstande es zu erwidern. »Und soll ich dir was sagen ...?« Jack nickte und nahm wieder ihre Hände in seine. »Während ich da draußen war und über mein Leben reflektierte, als ich dachte, dass ich das Ganze nicht überleben würde ... da dachte ich daran, dass ich niemals geliebt hatte. Dass ich niemals jemand von ganzem Herzen geliebt habe und sterben würde, ohne diese Erfahrung je gemacht zu haben. Und dann plötzlich dachte ich an Grams und an dich. Und ich wusste, dass ich diese Erfahrung doch gemacht habe. Anders, als ich es erwartet habe, aber ich weiß sehr wohl, was Liebe ist. Was es bedeutet jemanden von Herzen zu lieben.« Sie atmete einige Male durch und dachte über ihre nächsten Worte nach. »Es spielt keine Rolle, dass ich keinen meiner Freunde je geliebt habe, denn ich liebe ja dich. Ich liebe auch Grams, aber auf eine Weise, wie man seine Mutter liebt. Dich liebe ich, wie eine Frau einen Mann liebt, Jack.« Sie sah seinen irritierten und gleichzeitig bedauernden Gesichtsausdruck und fuhr deshalb schnell fort. »Es macht nichts, dass du es nicht erwidern kannst, Jack. Nicht auf diese Weise. Es genügt mir, dass ich weiß, dass ich dir ebenfalls wichtig bin und dass du mich so liebst, wie du mich eben liebst. Und dass du meinetwegen weinst, dass du weinst, weil du Angst davor hattest mich für immer zu verlieren. Das zeigt mir, dass unsere Liebe die schönste und reinste ist, die es gibt. Wir sind auf diese Weise für immer verbunden, Jack. Und wann immer ich Angst habe, Angst davor einsam zu enden, dann denke ich an dich und fühle mich keineswegs mehr einsam.«

»Ich ... weiß nicht, was ich sagen soll.« Er streichelte mit den Daumen über ihre Handrücken und sah sie aus warmen Augen an. »Besser hätte ich nicht sagen können, was ich für dich empfinde. Und ich wünschte, ich könnte mehr sein, als nur dein bester Freund. Das wünschte ich wirklich ...« Seine Mundwinkel zuckten kurz, deuteten ein schwaches Lächeln an, doch Jen schüttelte den Kopf.

»Ich bin froh, dass nicht mehr zwischen uns ist. Alles was über das hinausginge, das wir jetzt miteinander haben, würde die Einzigartigkeit unserer Beziehung zerstören. Und ich will nicht verlieren, was wir jetzt haben. Niemals ...«

»Das will ich auch nicht«, entgegnete er und gab ihr einen kleinen und unschuldigen Kuss auf den Mund.

»Ich sag’ dir was.«

»Hm?«

»Was hältst du davon, wenn du heute bei mir bleibst und wir es mal wie Dawson und Joey machen?« Sie grinste vielsagend und sah kurz auf den Platz neben sich.

»Meinst du, dass Grams das erlaubt?«

»Selbstverständlich«, sagte Jen, »du bist schwul. Was soll da schon passieren?«, zwinkerte sie und grinste frech.

Jack erwiderte darauf nichts, schüttelte nur ein wenig den Kopf und legte sich neben Jen. Sie wiederum schmiegte sich eng an ihn, legte den Kopf auf seine Brust und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange, bis die beiden einschliefen und diesen ereignisreichen Tag gemeinsam hinter sich ließen.


Ende


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