Die Kinder Éomunds von Nadia

Die Kinder Éomunds von Nadia

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Ein angenehm sanfter Wind trug den zarten Duft der Frühjahrsblumen zu ihnen herüber. Théodred, Éomer und Éowyn hatten sich an diesem Vormittag zu einem gemeinsamen Ausritt entschlossen, um in der Frühlingssonne ein kleines Picknick zu veranstalten. Keiner der Drei wollte den bevorstehenden Abschied ansprechen. Es war so unvorstellbar, dass sie einander bald nicht mehr täglich sehen und miteinander herumalbern konnten.

Nach einem ausgiebigen Mittagsmahl lagen die Drei auf der Picknickdecke und sahen sich Wolkenbilder an. Éowyn lag zwischen den beiden jungen Männern, die jeweils eine ihrer Hände hielten. ‚Das ist er‘, dachte das Mädchen, ‚der perfekte Tag‘. Die Sonne war bereits warm genug, dass sie diese reuelos genießen konnten.

„Wie geht es den Waisenkindern?“, wollte Théodred nach einer Weile des Schweigens und Genießens wissen und wandte Éowyn das Gesicht zu, um sie ansehen zu können.

Sie musste ein klein wenig den Hals recken und den Kopf drehen, um ihn ebenfalls anblicken zu können. „Den meisten geht es gut, vor allem den etwas Älteren. Ein paar der Kleinen bereiten mir noch Sorge, da sie entweder krank sind oder noch unter Schock stehen.“ Während der Julzeit war es ihr gelungen die Kinder abzulenken, auch wenn diese ihre Familien gewiss schmerzlich vermissten. Seit das neue Jahr begonnen hatte und der Alltag allmählich wieder in Edoras einkehrte, war die allgemeine Stimmung jedoch stellenweise getrübt. „Es wird Zeit brauchen, aber sie werden sich anpassen und wieder Hoffnung schöpfen.“

„Weil die Kinder neue Familien finden werden“, sagte Éomer und drückte dabei sanft die Hand seiner Schwester, während er über sie hinweg seinen Vetter anblickte. „So wie wir.“

Théodred schenkte den Beiden ein Lächeln. Sie waren in der Tat wie Geschwister für ihn, gleichzeitig seine besten Freunde. Ohne sie würde es einsam in Helms Klamm werden, daran bestand für ihn kein Zweifel. „Ihr müsst mir etwas versprechen.“ Beide sahen ihn nickend an. „Ihr müsst mir mindestens einmal im Monat schreiben, damit ich weiß, wie es euch geht.“

„Und einander besuchen“, ergänzte Éomer. „Wenn auch nicht jeden Monat, so vielleicht zu unseren jeweiligen Geburtstagen …“

Théodred war sich nicht sicher, ob es ihnen gelänge mehrmals im Jahr so weit zu reisen und für diese Zeit ihre Pflichten zu vernachlässigen, aber im Augenblick wollte er ihnen allen diese Hoffnung nicht nehmen. Daher nickte er so zuversichtlich, wie es ihm möglich war.

Die Erwähnung der Waisen stimmte Éowyn nachdenklich. Was sollte aus ihnen werden, wer würde sich um sie kümmern, wenn sie nach Aldburg umzog? Womöglich würde es ihr gelingen, noch vor ihrer Abreise, ein neues Zuhause für jedes der Kinder zu finden. Sie musste ihre Anstrengungen diesbezüglich verdoppeln, so viel stand fest. Und wenn es dem König gelänge, die äußeren Siedlungen besser zu schützen, würden keine neuen Waisen mehr folgen.

Sie sprachen noch ein Weilchen über dieses und jenes, malten sich ihre Zukunft aus und schmiedeten allerhand Pläne. Als die Wärme der Sonne nachließ und sie zu sinken begann, machten sich die Drei auf den Rückweg nach Edoras.

~

Schließlich kam der Tag, an dem Théodred sich von seiner Familie und einigen Freunden verabschiedete. Die Sonne war gerade aufgegangen, nur hier und da konnten man noch ein paar schwach leuchtende Sterne am Himmelszelt sehen. Der junge Prinz blickte sich etwas wehmütig nach Meduseld um. Die Banner vor der Goldenen Halle flatterten im kühlen Morgenwind.

Sein Vater legte ihm die kräftigen Hände auf die Schultern. „Gute Reise, mein Sohn.“

Théodred nickte dem König zu. Er würde die gemeinsamen Abende vor dem Kamin vermissen, an denen sie einfach nur Vater und Sohn hatten sein können. Hier, vor all den Soldaten waren sie König und Feldmarschall und als solche verabschiedeten sie sich auch auf eine distanzierte Weise, die keinem von ihnen leicht fiel. „Auf bald“, erwiderte er daher schlicht.

Éomer drückte seinen Vetter. Sie hatten sich bereits am Abend zuvor ausgiebig verabschiedet. Nur Éowyn fühlte sich außerstande ihren Kummer über die Trennung zu verbergen. Sie ließ ihre Tränen zu, auch wenn sie bemüht war Théodred ein letztes Lächeln mit auf den Weg zu geben. „Du wirst mir so sehr fehlen“, flüsterte sie an seine Brust, während sie einander umarmten und drückten.

„Du mir auch“, erwiderte er in ihr blondes Haar, dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände und legte seine Stirn an die ihre. „Wir werden uns wieder sehen.“

Sie nickte unter Tränen. Éomer legte einen Arm um sie und zog sie leicht an sich, so dass sie Théodred endlich auf sein Pferd steigen ließ.

Gríma erhielt lediglich von seinem König ein Nicken zum Abschied. Die übrigen Anwesenden beachteten ihn nicht weiter. Nicht einmal Éowyn hatte einen Blick für ihn übrig, dabei war er sich so sicher gewesen, dass er in den vergangenen Monaten in ihrer Gunst gestiegen sei. Seinen Frust darüber ließ er sich jedoch nicht anmerken.

„Lebt wohl“, sagte Théodred und blickte ein letztes Mal in die Gesichter seiner Familie, dann ritt er der kleinen Gruppe voran, die ihn nach Helms Klamm begleiten würde.

Gríma bildete das Schlusslicht. Er wandte sich ein letztes Mal nach Éowyn um, um sich ihren Liebreiz einzuprägen. Es würde wohl einige Wochen, wenn nicht gar Monate dauern, ehe er sie wiedersah.

~

Noch während sie Théodred und seinen Männern an den Stadttoren nachsahen wandte sich der König an Éomer. „Ist für deine Abreise alles vorbereitet?“

Éowyn stand zwischen den beiden Männern und erschrak bei den Worten des Königs. Sie musste sich verhört haben.

„Meine Abreise?“, wiederholte Éomer und sprach damit an, was auch seine Schwester im Sinn hatte, ohne es zu wissen. Er fühlte wie ihre Finger sich mit seinen verschlangen und drückte leicht ihre Hand. „Was ist mit Éowyn?“

Wie war es möglich, dass sie seit Wochen davon ausgingen gemeinsam abzureisen, wenn der König offenbar anderes geplant hatte?

Éowyn spürte wie ihr Herz zu rasen begann und ihr frische Tränen den Blick verschleierten.

Théoden legte seinem Ziehsohn eine Hand auf die Schulter und die andere an Éowyns Wange. „Ich kann Euch nicht gemeinsam abreisen lassen. Wie kommt ihr nur auf den Gedanken? Ich kann dir nicht die Verantwortung über die Ostfold und über die Erziehung deiner Schwester übertragen.“

Wieder einmal fühlte sich Éowyn wie ein kleines Kind, über dessen Kopf hinweg alles entschieden wurde. Hatte sie denn gar kein Mitspracherecht? „Aber ich möchte mit Éomer gehen!“, stieß sie hitzig hervor. Ihr Wangen begannen zu glühen.

Théoden blieb geduldig. „Das geht nicht. Zumindest noch nicht. Du bist noch zu jung, Éowyn. Dein Bruder wird oft mit seinen Éored unterwegs sein, um die Siedlungen zu schützen oder zurück zu erobern. Du wärst manchmal wochenlang allein in Aldburg.“

„Aber …“, begann Éowyn, doch ihr blieb jedes weitere Wort im Hals stecken.

Éomer drückte einmal mehr ihre Hand, ohne dass es der König bemerkte. Selbstverständlich traf auch ihn die Entscheidung wie ein Schlag, doch insgeheim wusste er, dass Théoden recht hatte und es nur gut mit ihnen meinte.

Der König seufzte und war bemüht nicht zu streng zu wirken, obgleich er keine Widerworte duldete. „Mein Entschluss steht fest. Du bleibst hier bei mir, wo ich dich in Sicherheit weiß. Meine Schwester würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustieße.“

Éowyn öffnete bereits den Mund, um erneut aufzubegehren, doch Éomer kam ihr zuvor.

„Es wird kein Abschied für immer sein, Schwesterherz.“

Ihr Blick löste sich ungläubig vom König und traf auf den traurigen Blick ihres Bruders. Sie hatte sich nie zuvor so verraten gefühlt.

„Èowyn“, sprach der König sie sanft an, um wieder ihre Aufmerksamkeit zu erhalten, doch sie riss sich im selben Augenblick von ihrem Bruder los und rannte davon in Richtung der Goldenen Halle.

Wenn Éowyn sich so ungestüm benahm, erinnerte sie Théoden allzu oft an seine verstorbene Schwester. Sie hatten sich in ihrer Jungend häufig gestritten, doch auch immer wieder versöhnt. Er wusste, dass Éowyn seine Entscheidung eines Tages verstehen und ihre Richtigkeit einsehen würde. Für den Moment war sie jedoch wütend und brauchte Abstand zu ihm.

„Ich gehe und rede mit ihr.“ Éomer sah den König abwartend an, bis dieser sein Einverständnis nickte, ehe er mit beherrschtem Gang seiner Schwester folgte.

Die wenigen Leute, die das Familiendrama unweigerlich mitbekommen hatten, da sie zu Théodreds Abschied erschienen waren, zogen sich nach und nach zurück, um ihre tägliche Arbeit aufzunehmen.

Der König selbst stand noch eine Weile länger auf dem Platz, nahe des Stadttores und blickte nachdenklich seinem Sohn hinterher, der längst hinter den grünen Hügeln verschwunden war. Manchmal war es nicht leicht gleichzeitig König und Vater zu sein. Die Entscheidungen, die er immer wieder treffen musste, fielen ihm von Jahr zu Jahr schwerer.


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