7.17 - Rettungsanker von Nadia

7.17 - Rettungsanker von Nadia

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Story Bemerkung:

Co-Autoren waren Anna-Lena und René
Schon früh am Morgen stand Bessie in der Küche des Potters B&B. Sie war eifrig am kochen und Joey saß am Küchentisch, einen Kaffee schlürfend. Die Stille war schon fast unheimlich, denn eigentlich sollten die beiden Frauen reden, schließlich versteckte Joey sich so zu sagen bei ihrer Schwester. Die morgendliche Stille wurde durch das Klingeln des Telefons unterbrochen.

Genervt schaute Bessie darauf, meinte dann zu Joey: „Es ist schon wieder Pacey, geh bitte dran.“

Joey, die mit ihren Gedanken weit weg war, schaute auf: „Wie praktisch es doch ist, dass man jetzt auf dem Telefon sehen kann, wer einen anruft. Genau deshalb kannst du ihm jetzt sagen, dass ich noch schlafe!“

Bessie verdrehte die Augen, nahm aber doch den Telefonhörer ab. „Potters B&B. Bessie am Apparat.“

Ein Lachen erklang vom anderen Ende der Leitung: „Bessie, ihr könnt sehen, wer anruft. Also will Joey nicht mit mir reden, oder?“

Einige Sekunden schwieg Bessie, dann schaute sie Joey an, die sie bittend ansah: „Pacey, Joey schläft noch. Soll ich ihr etwas ausrichten?“

„Auch wenn beide wissen, dass es nicht stimmt, bitte sag ihr, dass ich angerufen habe.“

„Okay, ich sage es ihr“, erwiderte Bessie und verabschiedete sich dann.

Dann schaute sie ihre kleine Schwester vorwurfsvoll an: „Pacey hat angerufen, aber da du noch geschlafen hast, soll ich dir nur bestellen, dass er angerufen hat.“

Joey schnitt ihr eine Grimasse und lachte nur: „Sehr witzig, Bessie.“

Eindringlich schaute die ältere der beiden Schwestern die Jüngere an. „Aber was ist denn los, Joey? Weißt du, du bist doch eigentlich glücklich mit ihm. Warum willst du ihn nicht heiraten?“

Einen Moment überlegte die Jüngere, dann meinte sie: „Ich hab einfach Angst. Was ist, wenn es noch zu früh ist? Und möchte ich wirklich schon Ehefrau sein? Ich war immer stolz auf meine Eigenständigkeit. Ich habe Angst, all das zu verlieren.“

„Ich kann dich ja auch verstehen. Aber ihr seid glücklich und ihr habt schon soviel zusammen durchgemacht. Überleg es dir einfach. Und lass dir Zeit, du kannst gern solange hierbleiben.“

***

Im Icehouse legte zur selben Zeit Pacey genervt den Hörer des Telefons auf. Im Moment verstand er Joey einfach nicht. Warum ließ sie sich verleugnen? Er wollte ihr doch nur alles erklären.

Gretchen betrat das Büro, welches gerade von der Morgensonne erleuchtet wurde. Eigentlich war sie nie so früh auf, aber heute hatte sie ihrem Bruder versprochen ein bisschen im Restaurant auszuhelfen. Mit einem kleinen Lächeln sah sie ihn an. „Wieder kein Glück gehabt, Pace?“

Er schaute seine Schwester an: „Nein. Bessie meinte, dass sie noch schläft. Warum lässt sie sich nur verleugnen?“

Gretchen nahm die Hand ihres Bruders in ihre und sah ihn eindringlich an: „Weil sie noch Zeit braucht.“

Heftig entzog der dunkelhaarige Mann ihr seine Hand. „Und was, wenn ich Joey und das Kind für immer verloren hab? Mist, ich hätte sie nicht noch mal fragen sollen.“

Etwas unglücklich schaute Gretchen ihren kleinen Bruder an: „Pace, gib ihr einfach noch etwas Zeit und lass sie über alles in Ruhe nachdenken. Als ich gefahren bin, da ist eure Beziehung auch erst mal in die Brüche gegangen, aber trotz allem seid ihr wieder zusammengekommen. Außerdem steht ihr euch im Moment einfach zu nah, so dass ihr euch gar nicht trennen könnt. Lass sie einfach auf dich zu kommen.“

Seufzend sah Pacey an seiner Schwester vorbei. Hoffentlich hatte sie Recht.

***

Er fühlte sich ein wenig unbehaglich, auf der roten ergonomisch geformten Couch und stand schließlich auf. Wie ein unruhiges Tier im Käfig wanderte Jack im Raum hin und her und fing sich nach einer Weile einen etwas genervten Blick von seinem Therapeuten ein, woraufhin er sich diesem gegenüber auf einen Sessel niederließ, dem ihm kein bisschen angenehmer war.

„Wie fühlen Sie sich heute, Mr. McPhee?“ Doktor Frost sah ihn mit ehrlichem Interesse an.

Jack überlegte einen Moment, kaute dabei nervös auf der Unterlippe herum und sagte schließlich: „Unwohl.“

„Unwohl?“

„Ja, das trifft es am besten.“ Jack nickte und rutschte im Sessel hin und her.

„Und warum?“, fragte Frost und machte sich eine Notiz.

Jack warf einen kurzen Blick auf den Block auf Frosts Schoß und sah dem Arzt dann in die Augen, als dieser seinen Blick bemerkte. „Es ist nicht gerade angenehm zu wissen, dass man eine Therapie nötig hat, weil irgendwo im Oberstübchen ein paar Schrauben locker sind.“

„Sie denken, dass Sie verrückt sind?“

„Sie nicht?“, fragte Jack ein wenig verwundert entgegen.

„Spielt es eine Rolle, was ich über Sie denke?“

Jack zögerte und zuckte dann die Schultern. „Nicht wirklich.“

„Gut.“ Dr. Frost lächelte.

Eine Weile schwiegen beide Männer. Offenbar erwartete Frost von Jack, dass er ihm einfach erzählte, weshalb er hier war. Oder zumindest, weshalb er glaubte, eine Therapie sei von Nöten. Jedoch wusste Jack nicht, wie er anfangen sollte.

„Es ist seltsam, hier bei Ihnen in der Therapie zu sitzen. Immerhin kennen wir uns, wenn auch nur flüchtig“, sagte Jack nach einigen Minuten.

„Tatsächlich?“ Dr. Frost sah ihn nachdenklich an, als versuche er Jacks Gesicht einzuordnen. Dann lächelte er, als er wieder wusste, woher sie sich kannten. „Sie sind mir damals mit Jennifer Lindley gefolgt.“

Jack nickte traurig und senkte schließlich den Blick. „Sie ist tot.“

Wieder trat dieses beklemmende Schweigen ein. „Das tut mir sehr leid“, sagte Frost schließlich aufrichtig. „Wann ist sie gestorben?“

„Vor etwas mehr als einem halben Jahr“, krächzte Jack, dessen Stimme plötzlich brüchig war.

„Sind Sie deshalb bei mir?“

„Ich sehe sie immer noch.“ Jack sah auf und in Frosts verständnisvolles Gesicht.

Der Arzt schlug die Beine übereinander. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass man einen geliebten Menschen noch lange nach dessen Tod zu sehen glaubt.“

„Es ist mehr als das“, erwiderte Jack. „Wenn sie mich berührt, kann ich es fühlen. Und ich sehe sie nicht nur, ich spreche auch mit mir.“

„Sie war Ihnen sehr wichtig.“

„Haben Sie einen Seelenverwandten, Doktor?“

Frost deutete ein Lächeln an. „Ich habe ihn zumindest noch nie getroffen. Aber ich glaube, dass es ihn oder sie irgendwo da draußen gibt.“ Einen Moment schwieg der Arzt. „Waren Sie liiert?“

„Ich bin schwul“, sagte Jack kurz und knapp. „Ich bin mit dem Sheriff liiert. Wir ziehen jetzt gemeinsam Jens Tochter groß.“ Irgendwie kam es Jack seltsam vor, plötzlich so offen über all das zu reden. Noch dazu mit einem Fremden. Aber vielleicht war es genau das, was er jetzt brauchte. Es fühlte sich richtig an, hier zu sein. Er war gut. Es fühlte sich gut an.

„Richtig, Jennifer hatte mir damals erzählt, dass Sie schwul sind. Wie konnte ich das nur vergessen.“

„Sie sind eben auch nur ein Mensch“, scherzte Jack und wurde dann gleich wieder ernst. „Ich kann mir nicht vorstellen, einfach weiterzuleben ohne sie an meiner Seite. Sie war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Und auch wenn ich das nicht sagen sollte, ich glaube, ich habe sie mehr geliebt als meine Schwester und meinen Freund.“

„Dass Sie sich das eingestehen, ist gut und richtig. Hier müssen Sie sich nicht verstellen und nichts schönreden. Eine, wie Sie sie bezeichneten, Seelenverwandte, ist einem auch näher, als irgendwer sonst. Das ist die Bedeutung der Bezeichnung Seelenverwandtschaft.“

Jack nickte nur. Wieder schwiegen die Männer für ein paar Sekunden. „Ich muss immer daran denken, wie mein Leben jetzt wäre, wenn Jen noch lebte.“

„Wäre es denn sehr viel anders?“

„Ich denke schon.“ Jack überlegte. „Ich würde ihre Tochter Amy nicht großziehen.“ Er machte eine nachdenkliche Pause. „Und vielleicht wäre ich nicht mehr mit meinem Freund zusammen. Erst nach ihrem Tod hat er sich getraut sich zu outen. Und, auch wenn das seltsam klingen mag – mir fällt das selbst eben erst auf – irgendwie hat ihr Tod uns erst richtig zusammen gebracht.“

Frost nickte.

„Ich lebe mit Doug zusammen. Und wir beide erziehen Amy so, als wäre sie unser gemeinsames Kind. Als hätten wir sie auf einem ganz normalen Weg bekommen oder zumindest adoptiert.“

„Fühlen Sie sich zuhause wohl, mit Ihrem Freund und Amy?“

„Ja, das tue ich.“ Er atmete tief durch. „Ich habe auch versucht Jen zu sagen, dass ich sie nicht mehr sehen will. Dass es meiner Familie schadet, wenn sie immer wieder auftaucht, aber sie kommt trotzdem immer wieder. Will es nicht verstehen.“

„Das wird sie, wenn Sie loslassen, Mr. McPhee. Solange Sie hier drin“, er deutete auf sein eigenes Herz, „nicht bereit sind, ein Leben ohne sie zu leben, solange wird Jen Sie nicht in Ruhe lassen. Sie wollen, dass sie da ist, obgleich Sie wissen, dass es nicht möglich ist. Der Schlüssel sind Sie, nicht Jen. Versuchen Sie einfach weiterzuleben, von einem Tag in den anderen. Versuchen Sie zu genießen, was das Leben Ihnen zu bieten hat. Einen Mann, der sie liebt, eine Tochter, Freunde und Familie. Opfern Sie Ihr Leben nicht, denn dadurch bekommen Sie Jen nicht zurück.“

Jack seufzte schwer und bemühte sich das Brennen in den Augen zu ignorieren, das Tränen vorausging. Doktor Frost hielt offenbar nichts davon etwas schön zu reden. Er sprach Tatsachen an und konfrontierte seine Patienten damit, um sie – wie in einer Schocktherapie – ins wahre Leben zurückzuholen.

„Sie haben Recht“, erwiderte Jack nach einiger Zeit beinahe kleinlaut. „Ich denke, ich wollte sie immer noch sehen. Ein Teil von mir wollte sie nicht loslassen.“

„Gehen Sie nachhause zu Ihrer Familie und genießen Sie sie. Sie sind nicht allein.“

Abermals nickte Jack und stand auf. Seine Stunde war ohnehin bald um. Er reichte Dr. Frost die Hand. „Danke.“

„Nichts zu danken“, entgegnete Frost und stand ebenfalls auf. „Wir sehen uns dann nächste Woche Mittwoch wieder, zur selben Zeit.“

Jack sah ihn verwundert an. „Ich muss trotzdem weiterhin kommen?“

„Aber sicher“, nickte Frost mit einem Lächeln. „Es gibt noch eine Menge mehr, das Ihnen schwer auf der Seele lastet und wir werden es zusammen ergründen.“

‚Super!‘, dachte Jack sarkastisch. „Einverstanden“, meinte er jedoch und gab zumindest vor sich selbst zu, dass Frost ein ausgezeichneter Therapeut war, der sein Handwerk verstand. „Bis Mittwoch dann.“ Mit diesen Worten verließ Jack die Praxis und machte sich auf den Heimweg.

***

„So, das war’s für heute.“ Mit diesen Worten legte Doug einen Brief unterschrieben in die volle Unterschriftenmappe zurück. Er seufzte, der Papierkram war heute mehr als lästig gewesen. Eine der unangenehmen Seiten seines Postens als Sheriff. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet Doug, dass es Zeit wurde nach Hause zu fahren, wenn er rechtzeitig da sein wollte, um Jack von seiner Therapiesitzung zu empfangen. Er fragte sich, wie es wohl gelaufen war, und räumte seinen Schreibtisch auf. Er wollte schnell nach Hause, zu Jack und Amy.

„Sheriff Witter, gut dass ich Sie noch treffe.“ Doug hob seinen Kopf, um den Sprecher anzusehen. In der Tür stand Bruce Tate, Capesides Bürgermeister. Doug hatte alle Mühe seine Missstimmung über diesen Besuch zu verbergen, da meistens nichts Erfreuliches darauf folgte.

„Kann ich etwas für Sie tun, Herr Bürgermeister?“, fragte Doug mit dem Ziel, Capesides Stadtoberhaupt schnellstens loszuwerden.

„Oh, das können Sie, Doug.“ Tate setzte sich auf einen der Sessel, die vor Dougs Schreibtisch standen. Und Doug machte sich widerwillig auf ein längeres Gespräch gefasst.

„Sie haben noch immer nicht Ihre Teilnahme an dem Empfang im Yachtclub heute Abend bestätigt“, sagte der Bürgermeister mit vorwurfsvollem Ton.

„Stimmt, weil ich nicht hingehen werde“, antwortete Doug, der solche Veranstaltungen nicht mochte, und außerdem lieber mit Jack dem Abend alleine verbringen wollte.

„Und ob Sie hingehen werden“, entgegnete der Bürgermeister ärgerlich. „Sie sind der Sheriff von Capeside und heute werden eine Menge wichtiger Leute anwesend sein.“

„Ich verstehe nicht, was ich dort zu suchen habe. Meine Aufgabe ist es, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen.“ Doug wurde langsam wütend.

Doch bevor er weiterreden konnte, schnitt ihm Bürgermeister Tate das Wort ab: „Genauso wie die Repräsentation dieser Stadt. Und ich verlange, dass Sie dieser Aufgabe nachkommen. Ich habe schon bei einigem von Ihnen ein Auge zugedrückt, doch dieser Abend ist zu wichtig. Da will ich, dass Sie als Sheriff anwesend sind.“

Doug wusste, dass der Bürgermeister mit ‚einigem’ Dougs Homosexualität meinte, die Tate, im Gegensatz zu der Mehrheit der Bürger Capesides, ein Dorn im Auge und der Grund für das angespannte Verhältnis zwischen Bürgermeister und Sheriff war. In Dougs Kopf kreisten mehrere Gedanken. Er konnte sich nicht der Wahrheit entziehen, dass er gewisse repräsentative Verpflichtungen hatte, aber andererseits wollte er Jack nicht versetzen.

Nachdem Doug weiterhin schwieg, ergriff Bürgermeister Tate erneut das Wort: „Und? Was werden Sie jetzt tun?“

Doug wusste, dass es äußerst unklug gewesen wäre, sich jetzt dem Willen des Bürgermeisters zu widersetzen, also sagte er: „Gut, ich werde da sein.“

„Warum nicht gleich so?“, meinte Mr. Tate und machte sich auf den Weg zur Tür. „Wir sehen uns heute Abend.“

„Ja“, sagte Doug und seine innere Stimme fragte ihn, wie er Jack das beibringen sollte.

***

In der Innenstadt von Capeside schlenderten Justin und Ashley an den Schaufenstern vorbei. Mit einer Hand trug Justin ein paar Taschen, die andere Hand umschloss die von seiner Frau, welche in der anderen Hand ein Eis hielt.

„Es ist wirklich wunderschön mal wieder etwas zusammen zu machen“, meinte Ashley und sah ihren Mann mit glitzernden Augen an. „Auch wenn du jetzt noch leiden musst, weil wir shoppen.“

Doch Justin war gar nicht so unglücklich. Mit einem Lächeln auf den Lippen erwiderte er: „So lange ich mit dir Zeit verbringe, ist mir egal was wir machen.“

„Mhm, vielleicht sollte ich dann mal vorschlagen, dass wir ein Wochenende auf einer Beautyfarm verbringen. Meine Nägel müssten dringend wieder in Ordnung gebracht werden“, witzelte die Blondine und legte den Arm um ihren Mann, sodass er gezwungen war stehen zu bleiben.

„Darüber müssen wir dann noch mal reden“, meinte Justin und beugte sich vor um seine Frau zu küssen. Diese schloss ihre Augen und lächelte glücklich, als sich ihre Lippen trafen.

„Oh mein Gott!“, rief sie dann aus, als ihre Lippen sich wieder getrennt hatten und Ashley direkt in ein Schaufenster guckte.

Auch Justin drehte sich um, seine Frau hatte immer noch geweitete Augen. „Hast du schon mal so etwas Wunderschönes gesehen?“

Ihre Augen fixierten ein hellblaues Kleid, das für Sommertage geeignet war. Lächelnd sah Justin seine Frau an. „Probier es doch mal an, bestimmt sieht es fabelhaft an dir aus.“

Beide betraten den Laden. Sofort eilte eine Verkäuferin herbei. „Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?“

„Hallo. Meine Frau würde gern das hellblaue Kleid im Schaufenster anprobieren. Haben Sie es in Größe 36 da?“

Die Verkäuferin überlegte einen Moment, meinte dann aber: „Einen Moment bitte. Ich muss einmal nachschauen. Aber ich glaube Sie haben Glück.“

Schnell verschwand sie im hinteren Teil des Ladens und glücklich lächelte Ashley ihren Mann an, der sie an sich drückte.

Wenige Minuten später kam die Verkäuferin mit dem Kleid zurück. „So, hier ist es. Die Kabinen sind dort hinten. Bitte schön.“

Ashley nahm das Kleid entgegen und verschwand in der Kabine.

Justin sah sich währenddessen im Laden um. Eigentlich hielt er nicht viel vom Einkaufen, außer es waren Lebensmittel. Aber dies war einer der ersten Tage, die sie miteinander verbrachten, und das seit einer langen Zeit. Seit Valentinstag war alles anders geworden, besser.

Schließlich trat Ashley aus der Kabine: „Und was meinst du, Schatz?“ Sie drehte sich lächelnd um ihre eigene Achse, sodass das Kleid und ihre blonden langen Haare durch die Luft flogen.

„Es sieht wirklich toll aus, Schatz. Nimm es mit, während du dich umziehst bezahl ich schon mal.“

Zufrieden lächelte die Blondine, gab ihrem Mann noch einen Kuss und verschwand dann wieder in der Kabine, um sich umzuziehen.

Währenddessen ging Justin zur Kasse. „Wir würden das Kleid dann gerne nehmen. Kann ich hier mit Kreditkarte bezahlen?“

„Natürlich.“ Justin reichte der Verkäuferin seine Karte. Grade als Ashley aus der Kabine kam, hörte sie wie die Verkäuferin sagte: „Tut mir leid, aber Ihre Kreditkarte wird nicht angenommen.“

„Wie kann das sein?“, fragte Justin ganz verwundert.

Ashley erreichte die Kasse mit dem Kleid überm Arm und legte ihren anderen Arm um die Taille ihres Mannes: „Schatz das ist doch kein Problem, dann bezahlen wir mit meiner Karte. Du kannst dich ja bei der Bank erkundigen, sobald wir zu Hause sind.“

Mit einem entschuldigenden Lächeln reichte sie der Verkäuferin die Karte.

Unsicher stand Justin neben dem Ladentisch. Warum war seine Karte gesperrt? Okay, er verdiente nicht mehr so viel, wahrscheinlich hatte er einfach zu viel Geld ausgegeben. Aber irgendwie gefiel ihm das Ganze nicht. Nun hatten sie schon mal so einen glücklichen Tag, er wollte seiner Frau ein Kleid kaufen und schließlich musste sie es selbst bezahlen, weil er nicht genug Geld hatte. Niedergeschlagen schaute er dabei zu, wie Ashley sich bedankte und die Tüte mit dem Kleid entgegen nahm.

***

Widererwarten war Doug noch vor Jack zuhause angekommen und machte sich sofort daran, einen kleinen Snack anstelle eines Mittagessens zuzubereiten. Das Buffet auf dem Empfang würde mit Sicherheit mehr als reichlich sein, sodass er es heute nicht für nötig hielt zu kochen.

Den Babysitter hatte er auch schon wieder fortgeschickt, da er sie ja auch am Abend brauchen würde, sollte Jack ihn auf den Empfang begleiten wollen. Zumindest hatte er sich in dieser Sache rückversichert, nicht dass sie am Ende ohne Babysitter dastanden.

Die Tür ging auf und Jack kam herein. Er sah sonderbar zufrieden aus, wie Doug feststellte, als er sich zu ihm herumdrehte.

„Hey Schatz“, grüßte Jack ihn, blieb erst stehen, als er direkt vor Doug stand und gab diesem einen innigen Begrüßungskuss.

„Wow“, hauchte Doug, als sich ihre Lippen wieder trennten. „Du hast ja richtig gute Laune. War die Sitzung so gut?“

„Sie war mehr als gut“, schwärmte Jack. „Dieser Frost ist ein Genie, sag’ ich dir. Ich weiß jetzt, wie er es geschafft hat Jen zu therapieren, was zweifelsohne nicht leicht gewesen ist.“ Er grinste und gab Doug noch einen Kuss. „Wo ist Amy?“

„Sie schläft“, sagte Doug und konnte noch immer nicht fassen, dass es Jack nach nur einer Sitzung offenbar so viel besser ging. Er freute sich mit Jack und deutete auf den Esstisch, auf dem ein großer Teller mit einigen Sandwiches stand. „Ich war gerade dabei den Tisch zu decken.“

„Kein Mittagessen heute?“ Jack folgte Doug in die Küche, wo sie gemeinsam das restliche Geschirr und Besteck holten, um den Tisch zu Ende zu decken.

„Darüber wollte ich mit dir reden“, sagte Doug, während er die Teller arrangierte. „Ich muss nun doch heute Abend auf den Empfang von dem ich dir erzählt habe. Tate kam heute auf die Station und hat mir verdeutlicht, dass er ein ‚Nein’ nicht akzeptieren wird.“ Doug seufzte und stellte einen Kerzenständer neben den großen Teller mit den Sandwiches in die Mitte des Tisches. „Ich habe auch schon einen Babysitter für heute Abend, falls du …“

„Ich komme gerne mit“, sagte Jack und schnitt damit Doug das Wort ab.
„Ich weiß wir wollten uns einen gemütlichen Abend machen …“, sagte Doug bedauernd.

„Schon gut, das können wir auch ein anderes Mal machen. Mach’ dir deswegen keinen Kopf“, erwiderte Jack gelassen und berührte Doug dabei zärtlich am Arm. „Ich wollte schon immer Mal die High Society von Capeside kennen lernen.“ Er grinste breit.

„Glaub mir, kennst du einen dieser hochkarätigen und einflussreichen Typen, kennst du sie alle. Nach außen hin spielen sie dir eine perfekte Welt vor und hinter der Fassade sind sie nur kaputte Seelen, die sich mit Pharmazeutika vollpumpen, um den Tag zu überstehen.“

„Das hört sich doch nach einem Mordsspaß an.“ Jack lächelte immer noch.

Doug sah ihn skeptisch an. Dann zog er ihn näher zu sich und blickte seinem Geliebten über die Schulter. „Okay und wo ist MEIN Jack? Du kannst es unmöglich sein, denn dafür bist du viel zu guter Dinge.“

Neuerlich grinste Jack. „Das sind die Medikamente, weißt du“, scherzte er einfach unbefangen weiter und Doug glaubte, dass er den Jack in den er sich vor vielen Monaten verliebte, endlich wiederbekommen hatte.

***

Am Nachmittag herrschte im Potters B&B Hochbetrieb. Joey, die ihrer Schwester eigentlich helfen wollte, konnte sich auf nichts richtig konzentrieren. Noch immer war sie mit ihren Gedanken bei Pacey und dem Heiratsantrag, genau wie schon den ganzen Tag und wie auch schon die letzte Woche. Als sie zum dritten Mal eine Rechnung von vorne schreiben muss, schmiss sie entnervt den Stift auf den Boden. Auf ihrer Stirn bildeten sich Falten und ihre Augen verengten sich zu dünnen Schlitzen.

Bessie, die ihre jüngere Schwester die ganze Zeit beobachtet hatte sagte: „Hey, ich brauche die Möbel noch. Ich glaube du solltest dich mal ein bisschen entspannen und von allem loskommen. Ich schaff das hier alles schon irgendwie allein.“

Seufzend hob Joey den Stift auf und fragte: „Meinst du wirklich? Hier ist ja doch ziemlich viel los.“

Doch bevor Joey noch etwas anderes sagen konnte, sah Bessie sie nur lachend an.
„Beeil dich lieber zu verschwinden, sonst überlege ich es mir noch anders.“

Dankbar lächelte Joey sie an. „Danke, Bessie. Ich denke ich werde einen kleinen Spaziergang machen. Aber zum Abendbrot bin ich spätestens wieder da.“

Schnell nahm sie ihre Jacke, verabschiedete sich von Bessie und ging dann nach draußen.

Die Sonne schien und die Luft war richtig klar, sodass sie sogar in der Ferne das Haus der Leerys ausmachen konnte. Langsam schlenderte die Brünette am Fluss entlang. Schon immer hatte er etwas Sorgloses für sie gehabt. Egal was passierte, der Fluss floss immer weiter in dieselbe Richtung.

Tief atmete sie durch und versuchte ihre Gedanken in Richtung ihrer Arbeit zu lenken, doch es gelang ihr nicht ganz. Plötzlich fuhr sie herum, hinter ihr stand Gale mit einer Einkaufstüte im Arm. Anscheinend war sie schon weiter gegangen, als sie gedacht hatte.

„Hallo, Joey. Ist alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte sich Dawsons Mutter.

Etwas verwirrt blieb Joey stehen, strich ihr Haar aus der Stirn und meinte schließlich: „Hallo, Gale. Na ja, mir geht gerade eine Menge im Kopf herum. Eigentlich wollte ich den Spaziergang machen, um mich abzulenken, aber irgendwie klappt das nicht ganz.“

Gale sah die Brünette, die fast so etwas wie eine Tochter war, liebevoll an und meinte gutmütig: „Vielleicht brauchst du jemandem zum reden. Wie wär’s? Wir können uns in die Küche setzen, einen Tee trinken und über dein Problem reden oder auch einfach über etwas anderes.“

Ihr Lächeln ließ Joey ihre Zweifel schließlich vergessen. Mit Gale konnte man solche Sachen wirklich gut bereden. Sie hörte zu und sagte dann objektiv ihre Meinung.

„Okay, vielleicht hilft es ja“, erwiderte die Brünette und Gale lächelte ihr zu.

„Dann lass uns gehen.“

***

Etwas verwirrt blickte Ashley, während der Autofahrt nachhause, ihren Mann immer wieder an. In der letzten Stunde hatte er nicht mehr viel gesagt und war überhaupt nicht mehr so ausgelassen gewesen wie vorher. Seufzend starrte Ashley aus dem Fenster. Heute war wirklich ein wunderschöner Tag gewesen. Endlich hatten das Ehepaar mal wieder etwas zusammen unternommen und dann auch noch den ganzen Tag. An ihren anderen freien Tagen hatten sie meist beide nur zuhause rumgehangen, waren sich irgendwie aus dem Weg gegangen.

Wieder guckte sie ihren Mann aus dem Augenwinkel an. Seine Augen waren stur auf die Straße gerichtet, sein ganzer Körper schien angespannt zu sein. Seine blauen Augen, die sonst meist glitzerten, schienen irgendwie dunkler und verschlossener zu sein.

Endlich kamen sie zu Hause an. Beide stiegen aus, nahmen die Tüten und Justin schloss die Haustür auf.

„Ich gehe ins Wohnzimmer, ich glaube sie zeigen gerade Eishockey“, meinte Justin und sah seine Frau nicht mal an, fügte aber hinzu, „wenn du Hilfe brauchst, dann sag’ bescheid.“

Im ersten Moment konnte Ashley ihm nur hinterher sehen, doch dann packte sie schnell die Lebensmittel in den Kühlschrank und ihr Kleid in die Wäsche. Schließlich ging sie ins Wohnzimmer, wo Justin in dem Ledersessel saß und Eishockey guckte.

„Ich brauche deine Hilfe“, sagte die Blondine schließlich, wobei sie im Türrahmen stehen blieb.

„Wobei?“, fragte Justin, sah aber nicht mal auf.

„Dich zu verstehen.“

Verwirrt sah Justin seine Frau an. „Wie bitte?“

Langsam ging Ashley auf ihren Mann zu. „Ich verstehe nicht, was auf einmal mit dir los ist. Wir hatten so einen schönen Tag und plötzlich bist du total kalt.“

„Ich bin doch nicht kalt. Ich will doch nur das Spiel sehen“, verteidigte sich Justin und sah wieder auf den Bildschirm.

„Justin, sieh’ mich wenigstens an. Außerdem bist du nicht erst jetzt so, sondern schon seit einer Stunde. Genauer gesagt seit dem Ereignis im Laden.“

Doch Justin schüttelte nur seinen Kopf. „Ich habe gar nichts. Irgendwie bin ich nur etwas erschöpft.“ Seufzend sah die Blondine ihn an, doch bevor sie noch etwas sagen konnte, meinte ihr Ehemann: „Ach ja, ich muss eben noch telefonieren, danach können wir weiterreden.“

Mit schnellen Schritten verließ er das Zimmer und beiden wussten, dass sie nicht mehr darüber reden würden, jedenfalls würde er nicht davon anfangen.

Verdutzt und auch etwas zurückgestoßen verharrte Ashley noch einige Minuten in ihrer Position. Was sollte sie machen? Es war klar, dass Justin irgendwas hatte, aber warum schloss er sie aus, anstatt sich ihr anzuvertrauen?

***

Pacey fuhr sich mit der linken Hand durchs Haar und sah Bessie über das Blumenbouquet auf dem Tisch hinweg an. Dann ließ er sich nach hinten in den Stuhl fallen und seufzte.

„Ich weiß einfach nicht mehr weiter, Bessie.“

„Sie liebt dich, Pacey, das weiß ich ganz sicher. Du darfst nicht daran zweifeln. Ich kenne meine Schwester.“

„Aber warum lehnt sie dann ab? Das ist doch nicht logisch.“

Bessie lächelte wissend. „Joey war noch nie einfach. Das weißt du doch selbst. Du weißt, wie stur sie sein kann. Irgendwas macht ihr noch zu schaffen. Ich denke, dass sie nicht mit dir zusammenbleiben würde, wenn sie nicht insgeheim den Antrag annehmen will. Sie ist mal wieder mitten in einem Gefecht zwischen ihrem Verstand und ihrem Herzen. Ihr Verstand sagt ihr, dass sie noch nicht bereit ist Ehefrau und Mutter zu sein, doch ihr Herz sagt ihr etwas anders. Sie glaubt ein gewisses Alter erreichen zu müssen, ehe sie sich dieser Rolle hingeben kann. Sie hat alles geplant. Und nun erfährt sie, dass sie ungewollt schwanger wurde und du das Baby behalten willst und ihr daraufhin auch noch einen Antrag machst. Da ist es doch nur verständlich, dass sie sich in die Enge getrieben fühlt und auf Abwehr geht.“

„Aber ich liebe sie über alles und ich will sie doch nicht deshalb heiraten, weil sie ein Kind von mir erwartet. Himmel, noch mal. Ich hätte sie schon geheiratet als sie noch aufs College ging. Doch da war dieser Eddie Typ aktuell und nicht ich. Und als wir uns dann nach all der Zeit wiedersahen, auf Gales Hochzeit, da wusste ich es so sicher wie nie zuvor.“

„Was wusstest du?“ Bessie lehnte sich auf ihre angewinkelte Hand.

„Dass ich entweder sie oder keine heiraten werde. Dass entweder ich oder Dawson sie zum Altar führen würden. Dass es keinen anderen gibt, der so zu ihr passt, wie wir beiden es tun. Und dann entschied sie sich für mich und ich dachte, dass es das höchste Glück auf Erden wäre. Irgendwann …“ Pacey machte eine nachdenkliche Pause und fuhr nach einigen Momenten fort. „Irgendwann habe ich jedoch realisiert, dass ich diesmal mehr möchte. Dass ich es festmachen muss, dass wir zusammengehören. Eine offizielle Deklaration. Und was wäre geeigneter als sie zu heiraten? Ich weiß nichts sicherer, als dass sie meine große Liebe ist. Ich möchte mit ihr alt werden und viele Jahre mit ihr verbringen, ohne die Angst im Nacken, dass ich sie vielleicht doch wieder verliere.“

„Eine Ehe ist keine Besitzurkunde, Pacey. Du darfst ihr nicht das Gefühl geben ihr Fesseln anzulegen, wenn sie ja sagt. Hast du dir je überlegt, dass sie sich in eurer Beziehung gefangen fühlt?“ Pacey schüttelte den Kopf. „Du musst ihr etwas mehr Zeit lassen. Setz sie nicht unter Druck, damit erreichst du nur das Gegenteil von dem, was du dir erhoffst.“

Diesmal nickte Pacey und stand auf. „Danke, Bessie.“ Er lächelte dünn. Bessies letzte Worte machten ihn nun noch nachdenklicher. „Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen.“

„Das hoffe ich“, zwinkerte sie.

***

Jack schaute sich in der Menge um. Als Doug und er angekommen waren, hatte ihn der Bürgermeister sofort zum Händeschütteln abkommandiert. Und wenn sich Jack die anderen Gäste betrachtete, erkannte er die eine oder andere lokale Größe, was in Jacks Augen Dougs erzwungene Anwesenheit plausibel machte. Es war ein offenes Geheimnis, dass der Bürgermeister versuchte, gut betuchte Investoren nach Capeside zu holen. Und um bei ihnen Eindruck zu schinden, fuhr Capesides Oberhaupt alles auf, was er konnte. ‚Auch meinen Liebling‘, dachte Jack. Ein breites Lächeln machte sich auf Jacks Gesicht breit, als er Doug in der Menge auf ihn zu gehen sah. Er hatte zwei Gläser mit Sekt dabei.

„Ich hoffe, du bist durstig“, meinte Doug und reichte Jack eines der Gläser.

„Und, ist viel los?“, wollte Jack wissen und nippte dankbar an seinem Glas.

Doug schnaubte entnervt. „Frag’ nicht. Wenn der Abend zu Ende ist, habe ich vor lauter Händeschütteln einen Muskelkater.“

Jack lachte und Doug spürte, wie sein Herz einen Satz machte. Jacks Lachen war zu einer echten Seltenheit geworden. Jack bemerkte, dass seinem Liebsten etwas durch den Kopf ging.

„An was denkst du?“, fragte er.

„An dich“, antwortete Doug und gab Jack einen Kuss auf die Wange.

Doug erwartete eine Reaktion von Jack, doch der schaute über Dougs Schulter. „Was ist los?“, fragte Doug, der befürchtete, dass Jack erneut Jen sehen würde.

„Da kommt neue Arbeit für dich“, meinte Jack nur und schon trat Bürgermeister Tate, mit einer jungen Frau im Schlepptau, an das gleichgeschlechtliche Paar heran.

„Sheriff Witter, das ist Audra Claremont, die erfolgreiche Autorin“, stellte das Gemeindeoberhaupt seine Begleiterin vor, und Jack bemerkte, dass Doug zu grinsen begann.

„Sheriff Witter und ich kennen uns bereits, Mr. Tate“, sagte Audra. „Hallo, Doug.“

„Hallo, Audra“, sagte Doug und er und Audra umarmten sich kurz.

„Nun wenn Sie sich ja kennen, dann haben Sie bestimmt nichts dagegen, wenn ich Sie bei unserem Sheriff lasse?“, fragte Mister Tate.

„Selbstverständlich nicht“, sagte Audra und warf Doug einen amüsierten Blick zu.

Als die kleine Gruppe zusah, wie sich der Bürgermeister auf eine neue Gruppe potenzieller Geldgeber stürzte, meinte Audra: „Ein Glück, dass er weg ist.“

„So anstrengend?“, fragte Doug, obwohl er sich die Antwort denken konnte.

„Frag’ nicht“, sagte Audra und wandte sich Doug zu und musterte ihn. „Du siehst gut aus“, bemerkte die junge Frau, und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn.

Verlegen schaute Doug weg, wobei sein Blick auf Jack fiel, der sich wie das fünfte Rad am Wagen zu fühlen schien.

Doug stellte Audra Jack vor: „Audra, darf ich dir Jack McPhee vorstellen. Er ist der Mann mit dem ich lebe.“

„Es ist mir eine Freude“, sagte Jack und reichte Audra die Hand.

Audra war zunächst etwas irritiert und musterte Jack genau, dann reichte auch sie mit einem freundlichen Lächeln Jack die Hand.

„Aber nicht doch, die Freude ist ganz auf meiner Seite.“ Und zu Doug sagte sie: „Hatte ich dir nicht gesagt, dass dieser Tag kommen würde.“

„Da warst du nicht die Einzige“, kommentierte Doug und nahm ein Schluck aus seinem Glas. Er erinnerte sich nur zu gut, dass es Audra gewesen war, die Pacey damals auf die Idee gebracht hatte, dass sein Bruder schwul sei. ‚Sie hatte schon immer eine besondere Auffassungsgabe‘, dachte Doug.

„Sie müssen etwas ganz Besonderes sein, Mr. McPhee, wenn Sie diesen Kerl aus seinem Schneckenhaus rausbekommen haben“, sagte Audra.

„Oh, ich habe mein Bestes gegeben“, meinte Jack sichtlich geschmeichelt, und er musterte die junge Frau genau.

Audra trug ein mitternachtsblaues Abendkleid, bei dem an einigen Stellen mit dem Stoff gerade so gespart wurde, dass man nur noch ein klein wenig Phantasie brauchte, um zu erraten, was unter dem Stoff ist. Damit hob sie sich von dem konservativen Stil der anderen weiblichen Gäste ab.

„Und was machen Sie beruflich, Mr. McPhee?“, fragte Audra.

„Ich bin Lehrer an der hiesigen Highschool“, sagte Jack, der ganz bewusst verschwieg, dass er eines von Audras Büchern gerade in seinem Unterricht durchnahm.

„Er nimmt gerade Boston Streets in seinem Unterricht durch“, verpetzte Doug seinen Liebsten, was der mit einem strafenden Blick ahndete.

„Oh mein Gott, Mr. McPhee, ist Ihnen denn nicht klar, dass Sie mich damit zu einer der Autorinnen gemacht haben, mit deren Werk ganze Schülergenerationen von Ihren Lehrern gequält werden“, sagte Audra ganz entsetzt.

Jack spürte, wie bei ihm der Schweiß ausbrach. „Ich ... ich“, stammelt er.

Doug begann leise zu kichern. Jack sah seinen Freund irritiert an, und als Audra auch zu lachen begann, dämmert es ihm. „Ihr wisst, dass ihr zwei nicht komisch seid“, meinte Jack mit gespieltem Groll, wobei er dann auch über sich selbst zu lachen anfing.

Doug tat es gut Jack so zu sehen. Und Jack wurde bewusst, dass der Teil in seinem Innern, von dem er glaubte, dass er mit Jen gestorben wäre, noch immer da war.

***

Etwas nervös ging Ashley in der Küche auf und ab, da es nicht gerade eine einfache Sache war, die sie gleich vorhatte. Durch ihre letzte Fast-Krise hatte sie gemerkt, dass man immer über alles reden musste und das würde sie jetzt auch machen. In diesem Moment kam ihr Ehemann ins Zimmer hinein.

Verwundert schaute er seine Frau an. „Was ist denn mit dir los? Warum tigerst du hier so herum?“

Bevor sie zu sprechen begann, atmete Ashley nochmals tief durch: „Justin, wir müssen über dieses Problem reden. Anscheinend macht dir irgendetwas Sorgen und was ich aus unserem letzten Problem gelernt habe ist, dass man darüber reden muss, denn Probleme verschwinden nicht einfach so.“

Überrascht, aber gleichzeitig auch etwas beklemmt schaute Justin sie an. Seufzend setzte er sich auf einen Küchenstuhl. Langsam kam die Blondine auf ihn zu, nahm seine Hand und schaute ihn eindringlich an.

Unentschlossen wackelte der dunkelhaarige Mann mit dem Kopf. „Ash, ich glaube dies ist einfach eine Sache, die nur mich angeht. Ich muss allein damit klarkommen.“

Doch Ashley ließ sich nicht so leicht abwimmeln. „Weißt du noch, Justin, in guten wie in schlechten Zeiten? So lange musst du es mit mir aushalten und auch mein etwas neues Wesen.“

Verwirrt und unentschlossen sah Justin seine Ehefrau an, doch dann öffnete er seinen Mund sagte leise: „Hier in Capeside kann man als Fotograf nur Landschaften fotografieren oder allenfalls mal einen Auftrag für ein Restaurant?“

„Ist das dein Problem? Dass du nicht so anspruchsvolle Aufträge bekommst?“, fragte Ashley leise und vorsichtig.

Doch Justin schüttelte seinen Kopf. „Nein, aber in L.A. bekommt man Aufträge in Hülle und Fülle, besonders, wenn man sich erst mal einen Namen gemacht hat. Zwar kennen mich hier auch einige, aber ich bekomme einfach nicht genug Aufträge!“

Bestürzt sah Ashley ihn an. „Aber warum hast du nichts davon gesagt? Wir hätten doch was ändern können.“

„Ja?“, fragte Justin und sah sie dann aufmerksam und etwas vorwurfsvoll an.

Irritiert erwiderte Ashley nur etwas stotterig: „Ja.“

„Ashley, du hattest gerade erst dein Problem in den Griff bekommen und dann hattest du diesen neuen Job und jedes Mal schienst du so erschöpft zu sein. Wie könnte ich dich da allein lassen?“, erklärte Justin.

„Aber bei mir im Job läuft doch alles prima, ich verdiene sogar genug Geld, um uns beide zu versorgen“, meinte Ashley und dann hellte ihr Gesicht auf. „Du hast Probleme, weil ich der Hauptverdiener bin und nicht du.“

Ein kleines trauriges Lächeln kam auf sein Gesicht und er nickte mit gesengtem Kopf.

Doch seine Frau umrahmte sein Gesicht mit beiden Händen und zwang ihn sie an zu sehen. „Aber ich dachte immer, dass du damit kein Problem hast. Ich dachte wirklich immer, dass du nicht die Art von Mensch bist, die damit ein Problem hat.“

„Ich wollte ja auch nie der Mann sein, der eifersüchtig auf seine Frau ist, weil sie mehr Geld verdient. Ich wollte meine Frau immer respektieren und mir sollte es egal sein, wer mehr verdient, aber ich kann das Gefühl nun mal nicht ändern“, erwiderte Justin heftig.

Erschrocken sah Ashley ihn an und meinte dann eintönig: „Du kannst es nicht ändern.“

***

„Und du findest das okay, wenn wir Jack einfach in der Höhle des Löwen zurücklassen?“, fragte Audra, als sie mit Doug auf die Terrasse des Yachtclubs ging.

„Keine Sorge, er wollte ohnehin noch mit dem Schulrat über ein Projekt in der Schule sprechen“, meinte Doug.

„Na gut“, sagte Audra und schaute auf das Hafenbecken hinaus.

Doug stellte sich neben sie und die Beiden sagten einige Zeit gar nichts.

„Gretchen hat ihre Stelle in Boston verloren“, begann Audra die Unterhaltung.

„Ja, sie arbeitet jetzt in Leerys Fresh Fish“, erwiderte Doug.

„Das ist gut. Sie lässt sich nicht unterkriegen. Diese Eigenschaft an ihr hat mich damals zur Verzweiflung getrieben.“

Doug lachte kurz auf und sagte: „An die Folgen kann ich mich noch sehr gut erinnern. Dad war nicht begeistert, Gretchen und dich aus dem Hafenbecken zu fischen.“

Auch Audra begann zu lachen: „Ich kann mich sehr gut an die Strafpredigt des Sheriffs erinnern.“

„So wie er Gretchen und dich zur Minna gemacht hat, hat er selbst Pacey nie zur Schnecke gemacht“, meinte Doug, wobei ihm etwas einfiel. Er fragte: „Wie geht es Mitch.“

„Ihm geht es gut. Und ich werde nicht müde zu sagen, dass er mein ganzer Stolz ist“, schwärmte Audra.

Doug packte die Neugier. „Du hast nicht zufällig ein paar Bilder von ihm dabei?“

Audra lächelte und kramte aus ihrer Handtasche ihre Geldbörse, aus der sie einige Photos zog.

Doug grinste: „Audra Claremont, die allzeit bereite Mami.“

„Nenn mich Super-Mom“, witzelte Audra und reichte ihm die Bilder.

Doug sah sich die Bilder an, die Audras Sohn Mitch zeigten. Doug blätterte die Photos durch und plötzlich zog eines ihn besonders in seinen Bann. Neben Audra und Mitch war da noch ein anderer Mann mit zwei anderen Jungs abgebildet.

„Ihnen geht es gut“, sagte Audra und durchbrach Dougs Faszination für das Bild.

„Was“, sagte ein leicht verwirrter Sheriff.

„Zack und die Jungs haben Chloes Tod überwunden, zumindest so gut man eben so etwas überwinden kann“, sagte Audra.

„Es war eine schwere Zeit für sie“, meinte Doug.

Audra fasste ihm sanft an die Schulter und sagte: „Und wie ich informiert bin, warst du nicht ganz unbeteiligt, dass sie jetzt zu Ende ist.“

„Wie meinst du das.“

„Zack hat mir erzählt, dass du in Boston warst. Mein werter Zwillingsbruder geht zwar nicht ins Detail, du scheinst aber genau das Richtige zur richtigen Zeit gesagt zu haben“, erklärte Audra und sie fügte hinzu: „Danke.“

Doug wurde wehmütig ums Herz. Er konnte sich sehr gut an die Unterhaltung mit Zack erinnern. Sie war nicht anders abgelaufen, wie die Gespräche, die er mit Jack geführt hatte. Und trotzdem wurde Jack krank, während Zack anscheinend sein Leben wieder in den Griff bekam.

„Du bist so still. Stimmt etwas nicht?“ Audra riss ihn erneut aus seinen Gedanken.

„Ach, es ist nichts“, wich Doug plump aus.

Audra überlegte kurz. Selbst jemand, der Doug nicht so gut kannte, hätte gemerkt, dass er gelogen hatte. „Dieses Nichts macht dir aber besonders zu schaffen.“

„Meinst du nicht auch, dass du etwas zu neugierig bist?“, meinte Doug leicht gereizt.

„In meiner Position ist es meine heilige Bürgerpflicht zu versuchen alles über dein Leben zu erfahren, um dir dein Leben zur Hölle zu machen“, konterte Audra betont liebevoll. Doug musste lachen und Audra lächelte. Doch als sie begriff, was sie gesagt hatte, sagte sie mit ernstem Gesicht: „Vergiss, was ich gesagt habe. Wer bin ich schon, dass du mir deine Sorgen anvertraust. Entschuldige.“

Doug lächelte kurz und sagte dann: „Vielleicht bist du genau die Richtige.“

***

Pacey hielt vor dem Strandhaus. Gretchen sah ihn lächelnd an und meinte nur: „Danke fürs Fahren.“

Pacey schenkte ihr ebenso ein Lächeln und erwiderte: „Ich habe dir zu danken.“

Obwohl seine Schwester schon beim aussteigen war, setzte sie sich wieder zurück in den Sitz und sah ihn verwundert an. „Wofür?“

„Dass du mir den Rat gegeben hast und eine wunderbare große Schwester bist“, erklärte er und lächelte noch immer.

Gretchens Augen verengten sich und ein Grinsen erschien auf ihren Lippen. „Was hast du mit Pacey gemacht, du Monster?“

Nun musste auch Pacey lachen und es dauerte eine Weile bis sie wieder aufhören konnten. „Gretchen, wirklich … danke.“

Sie lächelte und meinte nur: „Kein Problem, dafür ist die Familie doch da.“ Nach einem Zwinkern stieg sie aus dem Auto und ging zum Strandhaus von Doug und Jack, in dem sie zurzeit wohnte.

***

Wenige Minuten später glitt das Auto von Pacey wieder durch die Nacht. In Capeside war es schon ruhig geworden und so kam Pacey schnell an seiner Wohnung an. Wahrscheinlich musste er jetzt auch noch für sich kochen, obwohl er heute schon zum Kochlöffel gegriffen hatte, denn ein Koch war ausgefallen und durch Ashleys freien Tag hatten sie ein bisschen Unterbesetzung gehabt. Deshalb hatte auch seine Schwester ausgeholfen.

Seufzend schloss er die Tür auf und blieb erstaunt stehen, als ihn Musik und ein wohliger Duft aus der Küche empfingen. Verwunderte steckte er wieder seinen Kopf nach draußen und schaute, ob er auch die richtige Wohnung erwischt hatte, aber er war richtig. Noch mit Mantel bekleidet ging er in Richtung Küche und war überrascht, als eine ihm sehr bekannte Stimme zu der Musik sang.

Als er die Küche betrat, drehte sich die Brünette um und er erkannte, dass es wirklich Joey war. „Joey?“

„Hey, Pace“, begrüßte sie ihn mit einem Lächeln. Noch immer sah er sehr verwirrt aus, was auf Joeys Gesicht ein Grinsen zauberte. „Sei nicht so überrascht, ich kann kochen.“

„Na ja, wenn du das kochen nennst, dann bist du spitze darin“, entgegnete Pacey flapsig und damit war das Eis gebrochen.

„Kannst du schon mal den Tisch decken?“, bat Joey ihn. Er nickte und begann dann den Tisch mit Geschirr zu decken. Er war noch immer ziemlich überrascht, eigentlich hatte er sie sofort fragen wollen, warum sie hier war und wie es mit der Hochzeit stand, aber er wusste es einmal besser.

Dass Joey von allein zu ihm gekommen war, war mehr als er erwarten konnte. Er wollte diese Situation nicht durch ein falsches Wort zerstören.

Auch Joey war etwas nervös. Bessie hatte von ihrem Gespräch mit Pacey erzählt und auch Gales Worte hatten ihr bei ihrer Entscheidung geholfen. Jetzt musste sie nur irgendwie den richtigen Zeitpunkt abwarten.

Wenige Minuten später war das Essen fertig, Joey brachte es zu Tisch und Pacey zündete die Kerze an.

„Sieht doch gut aus“, meinte er dann mit einem Blick aus Essen.

„Vielleicht könntest du mich ja einstellen in deinem Restaurant, wenn ich schon so gut Nudeln kochen kann“, meinte sie etwas sarkastisch, jedoch mit einem Lächeln auf ihren Lippen.

Auch Pacey musste lächeln. Er liebte diese Seite an ihr. Wenn sie einfach zusammensaßen und verbale Spitzen austauschten.

„Ich werde es mir auf jeden Fall schmecken lassen und dann darüber nachdenken“, erwiderte Pacey lachend.

Beide fingen an zu essen und Joey schaute Pacey über die Flamme der Kerze hinweg an.
„Wie läuft’s überhaupt im Icehouse? Ist Frank wieder gesund?“, erkundigte sie sich dann interessiert. Obwohl die beiden in der letzten Woche nicht miteinander gesprochen hatten, wusste sie natürlich bescheid was im Restaurant passierte.

„Heute war er auch noch krank, aber Gretchen war da, um auszuhelfen“, erzählte er und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

„Gretchen war da? Hat sie sich jetzt eigentlich schon entschieden, was sie als nächstes machen will?“

Bedauernd schüttelte Pacey den Kopf. „Nein, irgendwie kann sie sich nicht ganz entscheiden was sie machen will, aber bei Doug und Jack kann sie noch eine Weile wohnen.“

Lächelnd nickte Joey und nahm einen Schluck Wasser. So langsam mussten sie mal zu dem Thema kommen, wegen dem sie zu Pacey gekommen war.

***

„Und nun ist Jack in Therapie.“ Mit diesen Worten beendete Doug seine Schilderung von den letzten Ereignissen in seinem Leben.

Audra, die ihm aufmerksam zugehört hatte, umarmte ihn fest. „Ich bin stolz auf dich.“

„Wirklich?“, fragte Doug, der nicht so recht wusste, ob er es auch sein sollte.

Audra umarmte ihn ein weiteres Mal und sagte: „Du weißt genau, wenn ich es nicht so meinen würde, dann würde ich auch nicht sagen.“

Audra und Doug schauten sich an, wobei sie ihm durchs Haar fuhr. „Das bedeutet mir sehr viel, Audra“, sagte Doug.

„Das ehrt mich“, sagte sie. „Doch eins verstehe nicht ganz.“

„Und das wäre?“

„Du liebst Jack. Und was ich so mitbekommen habe, liebt Jack dich auch“, führte Audra aus.

„Ja, das stimmt“, sagte Doug, der versuchte ihrem Gedankengang zu folgen.

„Und ihr beide wollt eine gemeinsame Zukunft“, hakte Audra nach.

„Worauf willst du hinaus?“, fragte Doug.

„Warum seid ihr noch nicht den nächsten Schritt gegangen?“, wollte Audra wissen.

Doug war irritiert. „Habe ich dir nicht eben gesagt, dass Jack Probleme hat?“

„Und weiter?“

„Audra, das ist etwas anderes als ein verstauchter Fuß. So etwas beeinflusst das gesamte Leben“, sagte Doug leicht darüber entrüstet, wie unbeschwert Audra diese Sache anging.

„Aber ihr zwei liebt euch doch.“ Audra ließ nicht locker.

„Du weißt, dass es damit nicht alleine getan ist.“

„Stimmt, dass hast du anscheinend mit Jack bewiesen, sonst wärst du heute nicht mit ihm hier gewesen.“

In Dougs Kopf drehte sich alles. Er kannte Audra, und er wusste, dass ihre Gedankengänge immer ein bestimmtes Ziel hatten, was ihm dieses Mal jedoch verborgen blieb. Er lehnte sich auf die Reling und atmete tief durch.

Audra legte sanft ihre Hand auf seine Schulter.

„Glaubst du etwa, dass ich nicht will, dass Jack mich heiratet?“, fragte Doug.

Audra seufzte und lehnte ihren Kopf an seine Schultern. „Dessen bin mir völlig sicher. Wo ich mir aber nicht sicher bin, ist, dass du weißt, dass eine Ehe für Jack nicht unbedingt eine Belastung sein muss. Vielleicht ist das Eheversprechen genau das, was er braucht, das offizielle Zeichen, dass nichts und niemand euch trennen wird.“

Doug ließ sich Audras Worte durch den Kopf gehen.

„Du bist dir nicht sicher, ob an meiner Ansicht etwas dran ist“, riss Audra ihn aus seinem Gedankengang.

„Ich gebe zu, dass ein Funken Wahrheit in deiner Ansicht vorhanden ist, aber da spricht auch die Romantikerin aus dir“, meinte Doug.

„Mag sein, aber im Gegensatz zu dir, habe ich meine Lektion gelernt. Ich werde mir aber keine Chance mehr entgehen lassen, um glücklich zu werden“, entgegnete Audra.

„Hast du das nicht immer schon so gehandhabt“, stellte Doug fest.

„Nein, auch ich habe ein Mal auf die Vernunft gehört, aber das tut hier nichts zur Sache“, sagte sie traurig.

„Du scheinst aber zu vergessen, dass zu so etwas immer zwei gehören“, wandte Doug ein.

„Das wirst du aber erst wissen, wenn du den nächsten Schritt unternimmst“, stellte Audra fest und strich das Revers von Dougs Smoking-Jackett glatt.

Doug spürte, dass Audra es nur gut meinte. In den letzten Jahren war sie eine zuverlässige Freundin gewesen, doch durfte er sich erlauben das Risiko einzugehen und mit Jack den nächsten Schritt machen? Würde die Ehe Jack neue Kraft für dessen Genesung geben?

***

Er legte Messer und Gabel nebeneinander auf den Teller, wischte sich den Mund mit einer Papierserviette und sah Joey über die Flammen der Kerzen auf dem Tisch hinweg an. Sie aß noch ein einen Happen und beendete das Essen dann ebenfalls. Erst nach einer Weile bemerkte sie Paceys Blick. Sie lächelte verlegen. Sie wusste, dass sie von Tag zu Tag mehr aß und bestimmt sah er sie an und dachte, dass sie bald dick und fett und alles andere als attraktiv sein würde. Allerdings lag etwas so liebevolles und zärtliches in seinem Blick, dass sie diesen Gedanken gleich wieder verwarf. Er sah sie in letzter Zeit immer häufiger mit diesem Blick an, den sie nur sehr schwer einzuschätzen vermochte. Es war eine Mischung aus Liebe und Sehnsucht. Und sie glaubte zu wissen, wonach er sich sehnte. Die imaginäre Frage stand immer zwischen ihnen und sie würde wohl auch nicht mehr so einfach verschwinden.

Joey hatte die letzte Zeit viel über die Anträge nachgedacht und sich gefragt, wie lange er sie noch ausweichen ließ, ehe es ihm zu dumm sein würde. Sie durfte nicht aufs Spiel setzen, was er ihr anbot, doch sie durfte auch nicht ignorieren, weshalb sie gewisse Zweifel hatte.

„Jo“, sagte er sanft und riss sie aus den Gedanken. „Bezüglich der Anträge …“ Er wollte Bessies Rat wirklich beherzigen und ihr sagen, dass er es nicht eilig hatte sie zu heiraten, obwohl sein Herz danach schrie, ihr das Jawort zu geben. Wenn sie diese Bedenkzeit brauchte, dann musste er es eben einfach akzeptieren. Andernfalls würde er sie vielleicht für immer verlieren, endgültig.

Noch ehe er seine Gedanken weiterspinnen konnte, geschweige denn seinen Satz vollenden, wurde er von Joey unterbrochen, die sich über den Tisch streckte, so gut es noch ging und nach seiner Hand griff. „Ich habe nachgedacht“, sagte sie mit einer so lieblichen Stimme, wie er sie nie zuvor von ihr gehört hatte. „Und ich möchte, dass du weißt, warum ich deine Anträge immer wieder abgelehnt habe.“

Er nickte und streichelte ihre Hand. Sie sahen sich tief in die Augen und Pacey wusste instinktiv, dass dies nun einer der wichtigsten Momente in seinem Leben werden würde.

„Wir waren so oft zusammen und haben uns dann doch wieder getrennt. Aus Gründen, die mir heute allenfalls unbedeutend erscheinen. Mal hast du Abstand gebraucht, mal ich. Das Timing war einfach nie richtig. Ich hatte einfach Angst, dass wir es überstürzen.“

„Du sprichst in der Vergangenheitsform“, kommentierte er beinahe flüsternd.

Joey nickte. „Das tue ich deshalb, Pace, weil mir eines klargeworden ist.“ Sie machte eine kleine Pause und machte somit den Augenblick unerträglich spannend für Pacey. „Es gibt keine Garantien, keinen richtigen oder falschen Moment. Ich weiß nur eins, dass ich dich liebe. Ich liebe dich schon so lange, Pace. Und ich liebe dich so sehr, dass ich Angst davor habe, dich irgendwann zu verlieren. Ich habe versucht mir vorzustellen, wie mein Leben jetzt wäre, hätten wir uns nicht wiedergefunden. Wäre ich jetzt nicht schwanger. Hättest du mir nicht die Anträge gemacht.“

„Und?“ Die Frage kam fast beiläufig über seine Lippen.

„Ich konnte es nicht. Immer wenn ich es versucht habe, habe ich dich und mich und unser ungeborenes Kind gesehen. Zusammen, als eine Familie.“

„Und was bedeutet das, Joey Potter?“ Er schmunzelte. Erinnerungen an ihren ersten, nein eigentlich den zweiten Kuss, kamen wieder in ihm hoch.

Sie erwiderte sein Lächeln und stand auf. Langsam ging sie um den Tisch herum und er rutschte mit seinem Stuhl zurück. Daraufhin ließ sich Joey auf seinen Schoß sinken und küsste ihn auf die Stirn, wie sie es früher immer so gern getan hatte. Und er liebte sie für diese Geste nur noch mehr.

„Es bedeutet, dass ich dich liebe und dass das alles ist, worauf es ankommt. Und wenn du mich noch willst, dann werde ich gerne deine Frau.“

Ihm schossen Tränen in die Augen und er zog sie zu einem innigen Kuss an sich. Ihre Lippen verschmolzen miteinander und sie gaben sich diesem Moment hin. Wie lange wussten sie im Nachhinein nicht. Als sie sich jedoch wieder voneinander lösten und Joey ihm wieder in die Augen sah, bemerkte sie, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen. Sie strich sie mit den Daumen fort und küsste ihn abermals auf die Stirn.

„Natürlich will ich dich noch. Mehr als irgendetwas sonst“, flüsterte Pacey, lehnte seine Stirn gegen ihre und schloss glücklich die Augen. Sie hatte ihm endlich seinen größten Wunsch erfüllt und er schwor sich, sie zur glücklichsten Frau auf der Welt zu machen. Sie sollte diese Entscheidung niemals bereuen.

***

Jack trat auf die große Terrasse hinaus, um etwas frische Luft zu schnappen. Er war seit einiger Zeit auf der Suche nach Doug gewesen, hatte ihn drinnen jedoch nirgendwo finden können. Selbst auf der Toilette war keine Spur seines Geliebten gewesen und so entschied er sich, ein wenig Abstand von der Menge zu nehmen und nach draußen zu gehen.
Er stützte sich aufs Geländer und sah hinaus Richtung Meer. Und da, wo er ihn absolut nicht vermutet hatte, da das Bankett eigentlich wichtig für Doug war, fand er ihn schließlich. Unten am Pier. Da saß er, zusammen mit einer dunkelhaarigen Frau und blickte hinaus auf den Ozean. Jack machte sich auf den Weg hinab zum Pier. Als er näher an die beiden herankam, erkannte er in der Dunkelhaarigen Audra wieder. Er räusperte sich leise, als er die zwei erreicht hatte und lächelte.

„Ich hoffe, ich störe euch nicht. Da drin“, er deutete zurück zum Yachtclub, „war es nicht mehr auszuhalten.“

„Genau deshalb haben wir uns auch etwas zurückgezogen“, sagte Audra und erwiderte das Lächeln freundlich, während sie aufstand. „Dann werde ich mal wieder meiner Verpflichtung nachkommen.“ Sie sah von Jack zu Doug und reichte diesem die Hand. „Falls wir uns nicht mehr sehen; viel Spaß noch.“ Doug erwiderte den leichten Händedruck. Audra reichte auch Jack die Hand. „Man sieht sich sicherlich mal wieder.“

„Bestimmt“, entgegnete Jack.

Damit machte sich Audra aus dem Staub und ließ das Paar allein.

„Du hast mich also einfach inmitten dieser ‚wichtigen’ Leute allein gelassen …“ Jack tat vorwurfsvoll, konnte sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen.

„Tut mir leid“, sagte Doug und meinte es ehrlich. Einige Momente musterte er seinen Geliebten eingehend. Audras Worte hallten in seinen Gedanken wider. Dann sagte er: „Ich bin froh, dass es dir anscheinend bessergeht. Deine erste Sitzung scheint erfolgreich gewesen zu sein.“

„Es geht mir wirklich besser“, erwiderte Jack und nahm Dougs rechte Hand in seine, ehe er sich neben ihn setzte. „Doktor Frost kennt Jen. Er kannte sie“, verbesserte er sich schnell. Doug nickte lediglich. „Ich möchte nicht mehr so weitermachen wie bisher, Doug. Ich möchte Amy nicht verlieren. Und ich möchte auch dich nicht verlieren.“

„Du wirst mich nicht verlieren. Zu einer guten Beziehung gehören nun mal auch die Berg- und Talfahrten. Es kann nicht immer nur gute Zeiten geben. Ich bin jedoch froh, dass wir dieses Tal offenbar allmählich verlassen und wieder der Sonne entgegenfahren.“ Er lächelte, zog Jacks Hand hoch zu seinem Mund und küsste sie.

„Ich bin selbst froh.“ Jack drückte Dougs Hand ein wenig.

„Ich hatte eine Zeitlang Angst, dass du mich und Amy als Belastung empfindest.“

Jack schüttelte den Kopf und lehnte seine Stirn gegen Dougs Kopf. „Du bist mein Kompass und hast mich wieder auf den rechten Weg geführt. Ohne dich und Amy hätte ich wahrscheinlich inzwischen den Verstand verloren. Du bist mein Fels in der Brandung, Doug, und ich liebe dich wahnsinnig.“

Wieder dachte Doug an Audras Worte. Ihre Stimme schien in seinem Kopf immer lauter zu werden. Und nach einigen Sekunden, die ihm wie eine kleine Ewigkeit vorkamen, wurde ihm klar, dass das der Moment war. Dass es genau jetzt Zeit wurde, ihre Beziehung in die nächste Ebene zu bringen. Sein Herz begann wie verrückt zu hämmern. Langsam ließ er sich vor Jack auf die Knie sinken und sah ihm fest in die Augen.

„Ich möchte, dass wir für immer zusammen sind, Jack.“

Jack sah nervös zu Doug hinab, als ihm dämmerte, was Doug gerade im Begriff war zu tun. Sein Doug, der seine sexuelle Neigung eine halbe Ewigkeit verleugnet hatte und der über ein halbes Jahr gebraucht hatte, um endlich zuzugeben, dass sie zusammen waren. Ausgerechnet er machte jetzt diesen entscheidenden Schritt, von dem Jack wusste, dass er so schnell nicht die Courage dazu gefunden hätte.

„Willst du mich heiraten, Jack?“

Jack schluckte schwer und blinzelte Doug ungläubig an. Sein Mund war staubtrocken und er erwartete eigentlich jeden Moment aufzuwachen.

Doug sah Jack zärtlich an, hielt dessen Hände fest in den eigenen und fühlte wie die Zeit in diesem entscheidenden Augenblick stehen blieb.


Fade to black…


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