Jeremias Tiller und die Fesseln der Zeit von BlueScullyZ

Jeremias Tiller und die Fesseln der Zeit von BlueScullyZ

[Reviews - 6]   Drucker Kapitel oder Geschichte Inhaltsverzeichnis

- Schriftgröße +
»Ist hier noch frei?« Mit diesen Worten zerstörte ein junges Mädchen Jeremias' Illusion, für die gesamte Fahrt ein eigenes Zugabteil für sich zu haben.

Es waren zwei Dinge, die ihn bisher vor Gesellschaft bewahrt hatten. Zum einen der Umstand, dass viele der Schüler an den Fenstern zum Bahnsteig geklebt hatten, um ihren Eltern zu winken. Je näher die Abfahrt des Zuges rückte, desto mehr löste sich dieser Grund in Wohlgefallen auf. Zum anderen waren viele wortlos an seinem Abteil vorbeigegangen. Angst, ausgerechnet ihn anzusprechen, mochte dabei eine Rolle gespielt haben. Seine grimmige Miene machte ihn keinesfalls zum perfekten Reisegefährten, weshalb sie bestimmt lieber weitersuchten.

Jeremias hob den Kopf, den er zuvor an die kalte Scheibe gelehnt hatte. Dort, wo seine warme Stirn auf das kalte Glas getroffen war, war das Fenster beschlagen, weshalb seine sehr kurzen, nun nassen Haare vorne abstanden. Die Konturen seines verwischten straßenköterblonden Stirnhaars zeichneten sich auf der beschlagenen Scheibe ab. Seine Arme hatte er vor der Brust verschränkt. Das gelbliche Licht im Abteil ließ die Sommersprossen auf seiner hellen Haut verschwinden. Statt einer Antwort erfüllte das entfernte Pfeifen der Lok sowie die gedämpften Gespräche am Bahnsteig das Abteil. Hinter den dunklen, braungrünen Augen rasten die Gedanken, während er das Mädchen stumm musterte. Er überlegte, zu behaupten, dass seine Mitfahrer gerade weg wären, doch die Gepäckfächer des Abteils waren wie die übrigen Sitzplätze leer, was seine Lüge im Ansatz entlarvt hätte.

Außerdem sah das Mädchen ihn freundlich bittend an und wartete geduldig auf der Schwelle. Bestimmt war sie wie er eine Erstklässlerin. Viel älter war sie sicherlich nicht und wäre sie schon einmal in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, gewesen, wäre sie bestimmt in Begleitung gewesen. Sie rührte sich nicht einmal, um sich die gelockte Strähne ihrer braunen, kinnlangen Haare aus dem rundlichen Gesicht zu streichen, sondern verharrte erwartungsvoll. Statt wie er, der einen schlichten grauen Pullover und eine abgetragene, ausgeblichene Stoffhose trug, hatte sie eine helle Bluse an, deren blasser Farbton undefinierbar war, und war mit einem schwarzen, knielangen Faltenrock gestraft, der ihre überflüssigen Pfunde kaum versteckte.

Für Jeremias war es unvorstellbar, dass sie freiwillig so herumlief. Er vermutete, dass ihre Eltern es mit der unauffälligen Muggelbekleidung, mit der sie am Bahnhof hatten erscheinen sollen, zu genau genommen hatten.

Schweren Herzens nickte er und murmelte mit beleger Stimme seine Antwort: »Klar.«

»Danke.« Das Mädchen klang erleichtert. Während sie sachte errötete, strahlte sie über das ganze Gesicht, was ihre Dankbarkeit viel mehr unterstrich als die gesprochenen Worte. Schnell schlüpfte sie mitsamt ihrer Habe durch die Tür, ehe sie sich daran machte, ihren schweren Koffer zu verstauen. Ihr kräftiger Körperbau sprach auf den ersten Blick keinesfalls für ein großes Interesse an Sport, weshalb Jeremias sich für einen Augenblick genötigt sah, seine Hilfe anzubieten, obwohl er seine eigenen Habseligkeiten nur mit großer Mühe unter die Bank geschoben hatte. Entgegen seiner Vermutung, schaffte sie es allerdings ganz allein. Den Weidenkorb, den sie aus dem Flur hereinholte, nahm sie auf den Schoß. Bis auf eine kleine Öffnung war das Gebilde geschlossen.

Erst jetzt fielen ihm die beiden grellgrünen Augen auf, die ihn aus der Dunkelheit des Weidengebildes heraus musterten. Pfeilschnell huschte aus der runden Öffnung ein flüchtiger, bunt gescheckter Schatten, sodass ihm keine Zeit blieb, ihn in Augenschein zu nehmen. Lautlos sprang er vom Schoß des Mädchens auf das obere Ablagefach.

Jeremias konnte nur vermuten, wo genau die Katze sich verkroch. Sicherlich so, dass sie alles im Blick hatte.

Mit einem Ruck und kreischendem Fahrwerk fuhr der Zug an.

»Miss Anthonyson.« Unerwartet hielt seine neue Mitfahrerin ihm vergnügt kichernd die Hand hin.

Überrumpelt erstarrte Jeremias, fragte sich, ob seine Höflichkeit womöglich ein Fehler gewesen war, ergriff dann letztlich jedoch die Hand und schüttelte sie halbherzig, um es schnell hinter sich zu bringen.

»Irgendwie komisch sich mit Nachnamen vorzustellen«, gluckste das Mädchen, »aber meine Mum meinte, in Hogwarts gehört sich das so. Du ... Sie?« Die neuen Umgangsformen schienen sie nicht bloß zu amüsieren, sondern auch zu verunsichern. »Du kannst mich Portia nennen. So heiße ich. Portia Anthonyson.«

»Jeremias Tiller«, entgegnete er, ehe er aufstand, um die Abteiltür zu schließen, bevor er zu seinem Platz zurückkehrte, von dem aus er die Aussicht auf die grüne Landschaft vor bewölktem Horizont betrachtete. Langen ausufernden Gesprächen wollte er erst gar keine Chance geben. Er wollte seine Ruhe.

Dass aus diesem Wunsch nichts werden würde, besiegelte ein weiteres Klopfen an der Tür, die im selben Atemzug geöffnet wurde, kaum, dass er sich der Illusion der Stille hingegeben hatte. Der Nächste, der eine Bleibe für die Fahrt suchte. Ein schwarzhaariger Junge mit einem großen Käfig unter dem Arm. Die Schleiereule, die hinter den Gitterstäben saß, guckte noch verschreckter als ihr Besitzer, dem es augenscheinlich schwerfiel, überhaupt ein Wort herauszubekommen. Seine Augen waren weit aufgerissen und seine gebogene Nase unterstrich die Ähnlichkeit von Mensch und Tier. Seine Jeans wies an den Knien dieselben Verschleißspuren auf wie Jeremias' Hose, wenn auch in geringerem Ausmaß. Unter seiner offenen, quietschbunten Jacke, die durch ihre Grellheit nahezu leuchtete, trug er ein dünnes, braunes Shirt. »Äh, i-ist hier no-noch Platz?«, brachte der Neuankömmling schließlich heraus und deutete auf die linken Seite des Abteils, neben Jeremias.

Statt etwas zu sagen, zuckte der Angesprochene mit den Schultern.

Nicht so seine neue Reisebekanntschaft. »Ja, klar, setz dich!«, lud sie den Jungen überschwänglich ein, der unschlüssig auf der Schwelle stehengeblieben war.

Ja, mit der Ruhe war es vorbei. Jeremias seufzte so leise, dass es hoffentlich niemand mitbekam. Vielleicht beschäftigten sich die beiden ja miteinander. Dann wäre er weiterhin ungestört.

Sobald sich der Schüchterne hineingezwängt und seine Habseligkeiten, bestehend aus zwei großen Reisetaschen, vorrübergehend auf dem Boden und der Bank ausgebreitet hatte, um mit einer freien Hand die Tür zu schließen, wurde diese plötzlich wie durch Zauberhand blockiert.

»Ich dachte schon, ich finde gar keinen Platz mehr«, seufzte ein Mädchen erleichtert, das den Kopf durch die Tür steckte, die sie, wie Jeremias bei näherem Hinsehen erkannte, mit ihrem Fuß offengehalten hatte. Sie hatte blonde, zu einem Zopf geflochtene Haare und war die Einzige, die bereits ihren Umhang trug. Außerdem ersparte sie es Jeremias, sein Einverständnis zu geben, denn statt sich lange mit solch weltlichen Dingen aufzuhalten, stellte sie ihren Weidenkorb, der sicherlich ihr Haustier beherbergte, auf den letzten freien Platz und lud ihren Koffer unter die Sitzbank. Allein durch ihr selbstsicheres Auftreten wirkte sie älter. Jeremias war sich dennoch unsicher, ob sie schon im zweiten Jahr war. Immerhin war auch sie allein unterwegs.

Aus dem Korb reckte ihnen eine weitere Katze selbstbewusst ihren Kopf entgegen. Im Gegensatz zu ihrer scheuen Artgenossin - oder seinem scheuen Artgenossen - ließ sich das getiegerte Tier mit seinen weißen Samtpfoten gut sichtbar auf dem Dach seiner Behausung, seinem augenscheinlich offensichtlich rechtmäßigen Thron, neben Portia nieder.

Der Kanarienvogeljunge, der seine Taschen achtlos unter die Bank getreten hatte, war währenddessen damit beschäftigt, den Käfig seiner Eule unfallfrei über den Sitzen zu verstauen.

Ein Unterfangen, das Jeremias skeptisch aus dem Augenwinkel beobachtete, bestand doch weiterhin die Gefahr, von herabfallenden Käfigen erschlagen zu werden.

Das blonde Mädchen beäugte das Treiben skeptisch, bis sie schlussendlich mit Hand anlegte. Dabei murmelte sie etwas, das Jeremias mit viel Mühe als »Das kann man ja nicht mit ansehen« dechiffrierte. Dann ließ sie sich wie selbstverständlich neben die neugierig dreinblickende Portia fallen, nachdem sie den Katzenkorb beiseitegestellt hatte, was ihr Haustier höchst missmutig hinnahm und beleidigt ebenfalls die höheren Gefilde des Abteils aufsuchte. »Edwana McBride«, stellte auch diese Mitreisende sich vor, verzichtete jedoch auf allgemeines Händeschütteln, was dem schweigsamen Jungen sehr sympathisch war.

»Keaton«, erklärte ihr Vorgänger, wobei Jeremias bewusst wurde, dass er selbst seinen Namen den Nachzüglern verschwiegen hatte. »Also Wade, Kreaton. Keaton Wade«, fügte er unsicher umschauend an. Augenscheinlich wusste er nicht, was er tun sollte. Wenigstens hatte er seine Jacke endlich ausgezogen, war allerdings damit beschäftigt, sich eine Eulendaune aus dem kurzen schwarzen Haar zu wischen. »Ich bin neu in Hogwarts.« Ein Hinweis, bei dem sein Gesicht eine noch dunklere Farbe annahm und der, wie Jeremias fand, vollkommen überflüssig war.

»Was du nicht sagst«, seufzte Edwana, verschränkte die Arme vor der Brust und verdrehte die Augen, mit denen sie zuvor kritisch seine bunte Oberbekleidung gemustert hatte. »Lass mich raten: Muggelstämmig?«

Es war kein Wunder, dass Keaton diese Reaktion verunsicherte. Sie verwirrte ihn geradezu. »Mu-was?«

Jeremias dagegen war froh, dass sich seine Mitreisenden ihn außen vor ließen. Er konzentrierte sich auf die Landschaft, was sich als schwieriger herausstellte als gedacht. Entgegen seinem Vorhaben war die Neugier zu groß, weshalb er in der Spiegelung des Glases verstohlen das Treiben verfolgte. Jedoch mit dem festen Vorsatz, sich ganz bestimmt herauszuhalten.

»Ein Muggelstämmiger«, erbarmte sich Portia, den Unwissenden zu erleuchten. »Deine Eltern sind keine Zauberer, stimmt's?« Im Gegensatz zu ihrer neuen Sitznachbarin, die den Verunsicherten fortwährend ungnädig betrachtete - gleich ihrer Katze, die allerdings für alle Anwesenden dasselbe Maß an Verachtung übrig hatte - war die aufgeweckte junge Dame vollkommen aus dem Häuschen.

Das blieb auch so, als der Gefragte mit einem beschämten Nicken die offensichtliche Tatsache bestätigte.

Von da an kannte Portias Faszination keine Grenzen mehr. »Echt? Mensch, das ist total klasse! Dann kennst du ja gar nichts.« Mit glänzenden Augen musterte sie aufgeregt den Mitreisenden muggelstämmiger Herkunft.

»Ja, aber wir werden ihm jetzt nicht die ganze Fahrt über alles haarklein erklären«, entschied Edwana, wofür sie einen weiteren Sympathiepunkt bei Jeremias errang, der bei dem Gedanken an lange, ausufernde Erklärungen zur Zaubererwelt noch schlechtere Laune bekam, so dass das überhaupt möglich war.

Ehe Portia ihr Bedauern, das ihr ins Gesicht geschrieben stand, ausdrücken konnte, meldete sich eben jener Muggelabkömmling zu Wort: »Ist das denn schlimm? Ich mein', dass meine Eltern keine Zauberer sind.«

»Na ja ...«, setzte Edwana abschätzig an, wurde diesmal aber erfolgreich von ihrer Nebenfrau unterbrochen.

»Ach nein, gar nicht!«

In der Spiegelung erkannte Jeremias zu seinem Verdruss, dass sein Sitznachbar niemand anderen als ihn voller Unsicherheit musterte.

Auch die beiden Mädchen schauten, wahrscheinlich in der Hoffnung, Unterstützung zu erlangen, zu ihm herüber.

Unwillig seufzte er und drehte sich wenig motiviert zu Keaton. »Meinetwegen könntest du auch von Kobolden abstammen. Wobei du dafür zu gut aussiehst«, versicherte er ihm glaubhaft. Solange sie ihn in Ruhe ließen, war ihm fast alles egal. Mit diesem Statement wandte er sich den vorbeifliegenden Wäldern außerhalb des Zuges zu.

Gegenüber kicherte Portia. »Das stimmt. Wie ein Kobold siehst du wirklich nicht aus.«

»Das war ein Kompliment«, übersetzte Edwana leidenschaftslos, während Keaton, verunsichert wie eh und je, sprachlos in die Runde schaute.

Nach der Erklärung wirkte er erleichtert.

»Zumindest glaube ich das«, schob das Mädchen hinterher. »Eigentlich gibt es sehr wenig, das sprechen kann und hässlicher ist als ein Kobold.«

Jeremias war sich ziemlich sicher, dass sie den Jungen absichtlich aus der Fassung brachte - was auch ihr gelang. Vielleicht war das der Grund, warum Edwana McBride ohne Begleitung war. Viele Freunde machte sie sich damit bestimmt nicht.

Das beinahe unerträglich fröhliche Etwas, das auf dem gegenüberliegenden Fensterplatz saß, ließ es allerdings nicht zu, dass es zu Missverständnissen kam. »Du bist der erste Muggelstämmige, den ich treffe! Okay, erste Frage: Was hast du für einen Zauberstab bekommen? Und wie bist du überhaupt in die Winkelgasse gekommen?«

Gleich zwei Fragen auf einmal. Zunächst blieb Keaton die Antwort darauf im Halse stecken, bis er den ersten Schrecken überwunden hatte. »In dem Brief stand, ich solle mich im Tropfenden Kessel melden. Da hat mich dann jemand reingelassen, weil ich die Einladung vorgezeigt habe«, erklärte er zögerlich. »Da durch dieses Tor mit den Ziegelsteinen. Ziemlich coole Sache! Meine Eltern waren völlig geplättet. Und die Läden erst! Echt der Hammer.« Langsam taute er auf. Bei der Erinnerung an diese Erlebnisse strahlte er über das ganze Gesicht.

Erwartungsvoll schaute Portia zu Keaton, während die Miene seiner Mitreisenden immer noch voller Skepsis war. So starrten sie sich eine Weile an - abgesehen von Jeremias, der die vorbeiziehende Landschaft aus Feldern und Bäumen betrachtete - aber es geschah nichts.

»Und dein Zauberstab?«, stocherte Edwana schließlich weiter. Sie versuchte dabei, möglichst desinteressiert zu klingen, doch das misslang ihr.

»Ach ja«, erinnerte sich der Unwissende beschämt. »Der ist aus Ahornholz, meinte der Verkäufer. Mit einer Drachenherzfaser. Irgendwie richtig eklig, so ein Stück von einem Herz, aber auch wieder voll cool. Ich meine: Drachen! Wie cool ist das denn?«

Vor allem Portia teilte seine Faszination. »Und wie lang ist er? Und ist er flexibel?«, löcherte sie ihn sofort mit den nächsten Fragen.

»Ich weiß gar nicht genau«, gab Keaton zu. »Ich glaub irgendwas mit elf Zoll oder so.«

»Warte, wir können unsere Zauberstäbe vergleichen! Meiner ist auch elf Zoll, genau elfdreiviertel, das weiß ich«, schlug das Mädchen ganz verzückt vor, ehe sie aus ihrem kleinen Handgepäck einen zierlichen Stock hervorzog. »Walnussholz und auch mit Drachenherzfaser«, erklärte sie stolz.

Keaton dagegen musste unter die Sitze klettern, damit er in einer seiner Taschen kramen konnte. Wenig später streckte er Portia das schmale Holzstück entgegen. Das des Mädchens war ein kleines Stück länger.

»Wenn wir jetzt einen dritten Stab hätten, könnte man schätzen, wie lang deiner ist«, überlegte Portia.

Nebendran schnaubte Edwana. »Heb' dir das für's dritte Jahr auf, da kannst du dann Arithmantik wählen«, meinte sie kopfschüttelnd. »Ist doch völlig egal, wie lang sein Stab ...!« Verlegen räusperte sie sich: »... sein Zauberstab ist.«

»Und was hast du für einen?«, fragte Portia sie in bemüht freundlichem Tonfall. Im Gegensatz zu Keaton, dessen Gesichtsfarbe sich der einer Tomate gefährlich annäherte, schien sie den Grund für Edwanas Verlegenheit nicht bemerkt zu haben.

Vielleicht war das blonde Mädchen deshalb froh, mit der Frage ablenken zu können. Stolz antwortete sie: »Ulme mit einem Kern aus einer Phönixfeder. Zwölfeinviertel Zoll. Und weil es keine Weidenrute ist, ist er natürlich nicht biegsam. So wenig, wie ich mich verbiegen lasse.« Das war mal eine Ansage. »Und du, Zwerg?«

Allein die Anrede »Zwerg« kostete Edwana McBride jegliche Sympathiepunkte, die Jeremias ihr jemals zugesprochen hatte. Ihr überheblicher Tonfall erledigte den Rest. Entsprechend stechend war sein Blick, als er sich von der ländlichen Umgebung abwandte. Auch, wenn er in der Tat der Kleinste in der Runde war, hatte sie keinen Freifahrtschein für lächerliche Spitznamen.

»Ja, du«, meinte sie, wobei sie ihre Arme energisch vor der Brust verschränkte. »Was hast du für einen Zauberstab?«

Die anderen sahen ihn ebenfalls gespannt an.

Es wäre wohl das Einfachste, die Frage zu beantworten. »Ze...«, setzte Jeremias an, ehe er über seine eigene Gedankenlosigkeit erschrack, die er mit einem Räuspern zu überspielen versuchte, so wie er auch den Ärger über sich selbst verbergen wollte. »Schwarzdorn mit Drachenherzfaser.« Er hoffte inständig, damit aus dem Schneider zu sein. Um ganz sicher zu gehen, dass keine Fragen offen blieben, fügte er an: »Zwölfdreiviertel Zoll, federnd.«

Fröhlich fasste Portia zusammen: »Auch wenn er ein Zwerg ist, hat er damit den längsten Zauberstab.«

McBride hob voller Argwohn ihre Augenbrauen. »Na, Glückwunsch«, entfuhr es ihr spottend. »Und hast du auch einen Namen?«, bohrte sie weiter, ehe sich Jeremias zurück in die vorbeifliegende Landschaft flüchten konnte. Ihre forsche Art stieß dem Jungen mehr und mehr auf. »Den muss ich irgendwie überhört haben.« Dabei klang ihre Stimme zuckersüß. Viel zu nett. Ohne Frage: Es war ein schlecht versteckter Vorwurf an seine Kinderstube.

Angestrengt verbot er sich, genervt die Augen zu verdrehen. »Jeremias Tiller.«

»Oh, das habe ich völlig vergessen!«, fiel es Portia ein, ehe auch sie sich noch einmal den Nachzüglern vorstellte.

Jeremias ahnte bereits, dass das fröhliche Mädchen zu der Sorte Mensch gehörte, die Stille einfach nicht ertragen konnte.

Wie, um seine Vermutungen zu bestätigen, plapperte Portia weiter: »Okay, und welche Haustiere habt ihr gewählt und warum?«

Bemüht sah Jeremias weg. Das Ganze artete in ein Wahrheit-oder-Pflicht-Spiel aus, worauf er nun wirklich keine Lust hatte.

Sein Sitznachbar Keaton war im Gegensatz zu ihm total begeistert. »Also, ich habe eine Eule.«

»Was du nicht sagst«, kommentierte McBride trocken. »Du hast übrigens immer noch Federn auf dem Kopf. Jedenfalls hoffe ich, dass es nur Federn sind.«

Schon wieder lief der Muggelstämmige hochrot an. Während er fortfuhr, strich er sich mit der Hand durch die Haare. »Jedenfalls fand ich Kröten und Katzen, das passt halt besser zu Hexen - also Mädchen. Ich hätte zwar gern was richtig Cooles, einen Adler oder so, gehabt, aber der Verkäufer meinte, ich dürfe mir nur Eulen oder einen Kauz aussuchen.«

Ihm gegenüber schnalzte Edwana mit der Zunge, während ihr Blick zur Gepäckablage wanderte. »Oh ja, so eine Schleiereule ist so richtig männlich.«

Mindestens Jeremias verstand die Ironie, die aus jeder Silbe sickerte.

Keaton hatte scheinbar immerhin eine vage Ahnung. Kleinlaut murmelte er irgendwas von seiner Mutter, das sogar für Jeremias's Ohren unmöglich zu entziffern war, obwohl er direkt neben ihm saß.

Die notorische gute Laune des Abteils tat ihr Bestes, keine Diskussion oder gar Streit aufkommen zu lassen. »Ich finde sie wunderschön«, bestaunte sie das gefiederte Tier, das daraufhin mit dem Schnabel klackerte.

Ob der Eule die Aufmerksamkeit, die man ihr entgegenbrachte, zu viel wurde oder sie verstanden hatte, was Portia gesagt hatte, wusste wohl niemand.

»Ich hab eine Katze. Bin ja auch eine Hexe«, meinte die fröhliche Junghexe kichernd. »Aber ich hab mich in dem Laden sofort in Schecki verliebt.«

»Lass mich raten«, grätschte ihre Sitznachbarin dazwischen, »Schecki ist eine gescheckte Katze?«

»Ein Kater«, widersprach das sonst so quirlige Bündel eingeschüchtert, ehe sie sich zum ersten Mal Ärger anmerken ließ. »Und du? Du hast doch auch eine Katze!«

McBride reckte ihr Kinn. »Ja, aber meine habe ich nicht nach ihrer Fellfarbe benannt, sondern mir Gedanken gemacht. Filidera ist schließlich für die nächsten sieben Jahre meine Begleiterin, nicht für den Kindergarten. Und Kröten find ich hässlich. Vielleicht sogar noch hässlicher als Kobolde.«

»Mir gefällt der Name«, blieb Portia stur. »Und was hast du für ein Haustier, Jeremias?«

Er hatte geahnt, dass das bald kommen würde, brachte es aber auch nicht fertig, seine Mitfahrer zu ignorieren. Er konnte bei dem Geplapper ja ohnehin keinen klaren Gedanken fassen. »Eine Katze«, antwortete er, woraufhin Keaton ein leises »Ups« entfuhr. Len war jedoch keine Mädchenkatze, wie sein Sitznachbar zuvor behauptet hatte.

Wo war der Kater überhaupt? Suchend sah der Junge sich im Abteil um. Eigentlich hatte das Tier sich unter die Bank gelegt, um zu dösen und eigentlich hätte er protestieren müssen, als Keaton seine Sachen liebevoll verstaut hatte, doch da war niemand.

»Und warum hast du dir keine Eule oder eine Kröte geholt?«, bohrte die fröhliche Verhörspezialistin Portia weiter, während er auf den Sitz kletterte, um auf die Ablage zu schauen.

Zwei mal zwei Augen blinzelten ihm vom gegenüberliegenden Fach aus entgegen. Schecki und Filidera, wie er jetzt wusste. Aber wo war Len? Die Fragen seiner Mitfahrer ignorierte er. Stattdessen sprang er zurück auf den Boden, murmelte »Bin mal draußen« und verließ das Abteil.

Auf dem Gang herrschte endlich das, was er gesucht hatte: Ruhe. Doch jetzt würde er sie kaum genießen können. Wo war sein Kater? Das Tier war wahrlich nicht zu übersehen. Entschlossen lief er zunächst zu den vorderen Wagons.

Währenddessen konnten die beiden Mädchen ja dem verbliebenen Keaton Löcher in den Bauch fragen. So blieb ihm wenigstens das erspart. Würde er Len finden, war eine Strafe das Letzte, was das Tier erwarten würde. Immerhin hatte ihm sein Freund zur kurzweiligen Flucht verholfen. Ob er das absichtlich getan hatte? Manchmal hatte Jeremias das Gefühl, dass das Tier mehr von der Welt verstand, als man ihm zugestand.

Nach einer Weile der erfolglosen Suche trat Jeremias' Herz langsam aber sicher den Weg südwärts an. Er stand vor einer verschlossenen Tür. Das eine Ende des Zuges hatte er erreicht. Wo war der verdammte Kater? Hatte er sich vor der Abreise hinausgeschlichen? Streunte er nun womöglich verlassen und allein durch die Innenstadt Londons? Oder war er Streichen älterer Schüler zum Opfer gefallen? Er hätte besser auf das Tier Acht geben müssen. Bei dem Gedanken, was alles passiert sein konnte, schluckte er. Eilig beschleunigte er seine Schritte, um schnell zu seinem Abteil zu gelangen, um in der entgegengesetzten Richtung zu suchen, als ihm auf halben Weg ein älterer Schüler mit auffällig roten Locken entgegen kam.

Erleichtert blieb der Erstklässler stehen, sobald er erkannte, was der Ältere auf dem Arm trug: Einen nebelgrauen, großen Kater. Len.

Die Norwegische Waldkatze war wirklich nicht zu übersehen. Die Art des Transports war ihr augenscheinlich suspekt, aber sie ließ es geschehen. Wenn sich der Mensch die Mühe machen wollte ...

Dem Schüler war hingegen anzusehen, dass die Samtpfote so ihr Gewicht hatte. Auch ihre Größe machte es schwierig, durch den schmalen Gang zu kommen. Das Tier war länger als der Schüler breit war. Es hatte die Ausmaße eines mittelgroßen Hundes, wobei sein Besitzer wusste, dass mindestens die Hälfte davon Fell war. »Bist du Jeremias Tiller?«, fragte der Junge den Erstklässler, nachdem er vor ihm zum Stehen gekommen war.

Verdattert nickte der Jüngere. »Ja, das bin ich. Das ... das ist mein Kater«, versicherte er. Im Grunde rechnete er fest mit einer Standpauke.

Aber statt den Erstklässler zurechtzuweisen, setzte sein Gegenüber den Kater ab.

Bevor die Hinterläufe des Tieres jedoch den Boden berührten und der Schüler erleichtert aufseufzte, nahm der Jüngere sich des oberen Teils des Katers an. Man hätte sagen können, er hielt sein Haustier auf dem Arm, doch auch wenn Lens Kopf nun auf der Höhe von Jeremias' eigenem Schädel war, so hatten die hinteren Pfoten immer noch Bodenkontakt. Durch die Umarmung verschob sich das Fell des Katers nach oben, so dass sein ohnehin üppiger Fellkragen umso imposanter aussah. Durch seine verdutzte Miene, die geweiteten Augen sowie die heraushängende Zunge, sah er jedoch alles andere als majestätisch aus. Besonders die freischwebenden Vorderläufe, unter denen Jeremias hindurchgegriffen hatte, mit denen Len lust- und hilflos in der Luft herumfischte, muteten mehr komisch als gewollt an.

»Geht das?«, fragte der Ältere und betrachtete das Konstrukt zweifelnd.

Hinter dem Tier nickte Jeremias. Die Haarbüschel, die aus den Katzenohren wuchsen, kitzelten ihm dabei im Gesicht. »Ja«, versicherte er bestimmt. Es war schließlich sein Haustier. Er konnte auf ihn aufpassen.

»Ich bin übrigens Leon Parks«, stellte sich sein Gegenüber vor.

Bei dem Namen begann es in Jeremias' Oberstübchen zu rattern. Er schaute am Fell vorbei zu dem Schüler vor sich.

Parks überragte ihn um einen Kopf. Kein Wunder, er war auch schon im fünften Schuljahr. Im Jahrgang seines Bruders, im Haus Ravenclaw, wie er sich erinnerte. Sein Bruder hatte Parks gelegentlich erwähnt.

Vorsichtig ließ Jeremias mit der rechten Hand Len los und hielt sie ihm hin. »Jeremias Tiller. Danke nochmal.«

Parks schüttelte lächelnd seine Hand. »Weiß ich doch. Len würd' ich überall erkennen. Und kein Problem. Als Vertrauensschüler ist das ja ab diesem Jahr irgendwie mein Job. Das und dafür zu sorgen, dass die Schüler sich auf der Fahrt nicht versehentlich gegenseitig umbringen.«

Die Augen des Jüngeren weiteten sich vor Schreck. Dann waren die Geschichten seines Bruders also wahr!

»Also nicht wirklich umbringen. Wir müssen zusehen, dass sich die Zaubereien etwas in Grenzen halten«, beschwichtigte Parks ihn. »Eigentlich hätte ... Ah, egal, unwichtig. Freut mich auf jeden Fall, dass du hier bist und ich hoffe, du hast eine gute Fahrt.« Sein darauffolgendes Lächeln wirkte gekünstelt.

Jeremias kam nicht dazu, zu fragen, was der Ravenclaw hatte sagen wollen, denn hinter ihm erklangen Stimmen.

Zwei weitere Schüler traten in den Gang. Beide waren ganz offensichtlich keine Erstklässler mehr. Der Junge war ein wahrer Hüne, neben dem die Schülerin mit schwarzem Pferdeschwanz geradezu klein war, dafür aber weitaus energischer. Auf ihren Umhängen, nun achtete der Erstklässler darauf, prangten die silbernen Abzeichen, die sie als Vertrauensschüler auszeichneten.

Parks' Aufmerksamkeit war dahin. Über Jeremias hinweg rief er: »Was war da vorne los?«

»Ach, die beiden Weasleys waren los«, antwortete das Mädchen mit dem schwarzen Pferdeschwanz genervt.

Ihre männliche Begleitung klang ebenfalls unzufrieden, aber gelassener. Bei seiner kräftigen Statur war Jeremias um die entspanntere Art froh. Ansonsten wäre der Hüne ihm unheimlich gewesen. »Die machen einem den Job echt nicht leichter«, bestätigte er die Aussage seiner Kollegin. »Ich schau mal weiter hinten, ob es da ruhig ist.«

»Ich komme gleich nach«, rief das Mädchen ihm hinterher. Sie schenkte Jeremias ein höfliches Lächeln, ehe sie sich an Leon Parks wandte. »Und, irgendwas Spannendes hier?«

Der Ältere schüttelte den Kopf. »Nur ein ausgebüxter Kater«, erklärte er nachsichtig und zwinkerte Jeremias zu. »Das ist übrigens Tabitha Peyton. Ebenfalls Vertrauensschülerin aus Ravenclaw«, stellte er ihm die Dame vor. »Man darf sie auch liebevoll Tabby nennen.«

Scheinbar freundlich lächelte das Mädchen Parks zu. »Nur, wenn man nicht an seinem Leben hängt, Parks«, entgegnete sie mit zuckersüßer Stimme, bevor sie sich an den Erstklässler wandte. »Pass lieber gut auf dein Tier auf. Die beiden Chaoszwillinge aus dem zweiten Jahr haben gerade eine Katze in so 'was wie einen behaarten Hinkepank verwandelt.«

»Ach du ...«, entfuhr es Parks, doch plötzlich ertönte ein Rumpeln aus dem hinteren Teil des Wagons. Alle drei drehten sich zur Quelle des Geräuschs um. Die Waggontür war aufgestoßen worden.

»Achtung, ich muss da durch!«, tönte es wichtig von dort. Ein weiterer Schüler einer höheren Jahrgangsstufe, ebenfalls rothaarig, groß und hager, kam schnellen Schrittes auf sie zu. Kompromisslos drängelte er sich an ihnen vorbei. Vielleicht war er ein junger Lehrer? Aber dafür sah er zu jung aus.

Len jedenfalls kam durch Jeremias' Ausweichmanöver der Scheibe mit dem Gesicht gefährlich nahe, fauchte sein Spiegelbild an und versuchte danach zu schlagen, da es augenscheinlich seine Privatsphäre verletzt hatte.

Die Vertrauensschülerin Peyton fuhr indes unbeirrt fort: »Wobei ich sagen muss, dass das Vieh danach besser aussah.« Es dauerte eine Weile, bis Jeremias begriff, dass sie von der verwandelten Katze sprach.

Ein weiterer Junge folgte dem aufgebrachten Kerl, der einen weitaus wehrhafteren Eindruck machte und sein Tonfall, mit dem er dem Rotschopf hinterherbrüllte, war wesentlich wütender: »Percy, du musst gar nichts!«

Der Gerufene namens Percy blieb kaum eine Sekunde stehen, um sich umzudrehen. Gewichtig wie ungehalten erwiderte er: »Es sind meine Geschwister, Wood. Ich bin dafür verantwortlich und ich werde das regeln!« Noch während seiner letzten Worte drehte er um und rauschte von dannen.

»Du bist Viertklässler! Du bist dafür verantwortlich, nicht lauthals über den Flur zu brüllen!«, schoss sein Kumpane, der augenscheinlich Wood hieß, zurück. Seine kräftige Statur machte dem Namen alle Ehre. Auf Höhe der Vertrauensschüler blieb er stehen und schaute sich zu seinem Schatten um.

Es war der große Vertrauensschüler, der den hinteren Teil des Zuges hatte kontrollieren wollen.

»Sag du doch auch mal was!«, herrschte Wood ihn an.

Der Hüne aber verschränkte lediglich die Arme vor der Brust. »Wieso? Wenn er die beiden zur Ordnung bringt, will ich mich doch nicht beschweren.«

Woods nüchterne Prognose klang weniger optimistisch. »Als würde irgendjemand die beiden Terrorzwerge zur Ordnung bringen, Paquet! Und Percy am Allerwenigsten. Sein Anpfiff stachelt die doch höchstens an. Der Typ bringt jeden auf die Palme! Und am Ende fliegt der Zug in die Luft.«

Während er sprach, weiteten sich die Augen des Hünen. Nachdenklich murmelte er nach einigen Sekunden der Einkehr: »Ich seh' besser mal nach dem Rechten« und folgte dem Schreihals mit weit weniger gelassenem Schritt.

»Besser ist das«, murmelte Wood kopfschüttelnd hinter ihm her. »Mann, ich find' die Späße der beiden ja lustig. Für die zuständig sein, will ich auch nicht.«

Lahm nickte Parks. »Gleichfalls«, antwortete er müde, was Wood zu einem breiten Grinsen veranlasste.

Süffisant meinte er, während er sich in die Richtung wandte, aus der er gekommen war: »Ja, aber im Gegensatz zu mir, Parks, bist du es.«

Die beiden Ravenclaws sahen ihm hinterher. Erst, nachdem die Waggontür hinter ihm zugefallen war, schaute Peyton ernst zu ihrem Kollegen. »Erinnere mich bitte daran, ihn zu zitieren, sollten die beiden jemals in die Quidditchmannschaft aufgenommen werden.«

Parks nickte mit nicht weniger förmlicher Miene. »Mach ich. Sobald ich wieder in der Lage bin, zu sprechen. Versprochen.«

Die hochgezogene Augenbraue manifestierte das unsichtbare Fragezeichen im Gesicht seiner Mitschülerin. »Wieso das?«

Kichernd ging Parks Beherrschung dahin. »Weil ich lachend auf dem Boden liegen werde«, gab er zu.

Auch Peyton trieb die Vorstellung ein schadenfrohes Grinsen ins Gesicht.

Währenddessen wandte sich der Vertrauensschüler an Jeremias, der die Szenerie still beobachtet hatte. »Jedenfalls, pass gut auf Len auf und wenn irgendwas ist, komm einfach vorbei oder frag nach mir.« Dieses Mal war sein Lächeln echt.

Jeremias nickte eifrig. »In Ordnung. Danke nochmal.«

Wie zuvor winkte Parks ab. »Kein Thema. Halt die Ohren steif«, verabschiedete er sich, ehe er seiner Partnerin folgte.

Der Junge konnte dennoch hören, was die beiden besprachen.

»Wer war der Kurze? Tillers Bruder?«, fragte Peyton.

Schnell sah Jeremias aus dem Fenster, als Parks flüchtig über die Schulter zurücksah.

»Ja«, antwortete der Ravenclaw so leise, dass Jeremias es nur schwer verstand.

»Hatte mich schon gewundert, dass wir jetzt zwei Monsterkatzen haben, die Len heißen. Hab Tiller heute noch gar nicht gesehen.«

Parks lachte auf. »Monsterkatze? Ich glaube, Len weiß nicht mal, wozu er seine Zähne hat.« Seine Stimme wurde leiser. »Aber wegen Nicolas ...«

Da schloss sich die Waggontür hinter den beiden. Zurück blieb, auf einem leeren Gang, Jeremias. In der Stille drangen die leisen, durch die Abteiltüren gedämpften Gespräche an ihn heran. Das Lachen anderer Schüler. Es war ihm zuwider.

Schweren Herzens ließ er Len los, der mit einem dumpfen Laut auf seinen Vorderpfoten landete.

Dankbar strich der Kater um die Beine des Erstklässlers.

Für einen Augenblick kniete er sich zu seinem Haustier hinunter, um ihm durch das weiche, lange Fell zu streicheln.

Ein kehliges Schnurren erklang aus den Tiefen der Katze. Genüsslich legte sie sich gegen die Hand. Zwar schaute sie Jeremias empört an, nachdem dieser es gewagt hatte, die Streicheleinheiten zu beenden, stemmte dann jedoch die Vorderläufe gegen die Wand und schaute zufrieden aus dem Fenster.

Die Wolken waren dichter geworden. Durch den Regen, der nun von außen gegen die Scheiben trommelte, war noch weniger von der vorbeirasenden Landschaft zu erkennen. Noch weniger, das seinen Geist im Hier und Jetzt hielt.

Der Gedanke, dass mit jeder Sekunde die Entfernung zwischen ihm und London stetig wuchs, bereitete ihm nicht einfach nur Unwohlsein. Es war, als würde es seine Gedärme verknoten und ihn von innen heraus auffressen.

Natürlich hatte niemand seinen Bruder gesehen. Nicolas Tiller war nicht hier.

Seit Jeremias denken konnte, freute er sich darauf, gemeinsam mit ihm nach Hogwarts zu gehen; bei jedem Abschied auf dem Gleis neun dreiviertel; jedes Mal, wenn sein Bruder einen Brief aus der Schule geschickt hatte; immer, wenn sie gemeinsam im Garten Quidditch gespielt hatten - oder so etwas ähnliches, da der Kinderbesen ja kaum hoch genug geflogen war, als dass Jeremias auch nur die Füße vom Rasen bekommen hätte. Er hatte davon geträumt, mit ihm zusammen im Zug zu sitzen; gemeinsam Briefe nach Hause zu schreiben und in den Ferien heimzufahren; gemeinsam richtiges Quidditch zu spielen.

So, wie die Dinge lagen, würde Nicolas Tiller nie wieder nach Hogwarts zurückkehren. Sie hatten gewusst, dass dieser Tag kommen würde, aber Jeremias hätte niemals gedacht, dass dies ausgerechnet vor seinem ersten Schuljahr passieren würde.

Es gab nur einen Grund, weshalb er trotzdem hier war; warum er darauf bestanden hatte, herzukommen. Er würde nicht zulassen, dass es so weit käme. Niemals!


Bitte gib den unten angezeigten Sicherheitscode ein:

Feature

Commilitones 1 - Waffenbrüder von Severin Sesachar P16 (Mature)
[Alternative Erzählung zur Ezio-Trilogie] Ein skandalumwitterter Künstler...

New

Commilitones 1 - Waffenbrüder von Severin Sesachar P16 (Mature)
[Alternative Erzählung zur Ezio-Trilogie] Ein skandalumwitterter Künstler...

Random

Commilitones 1 - Waffenbrüder von Severin Sesachar P16 (Mature)
[Alternative Erzählung zur Ezio-Trilogie] Ein skandalumwitterter Künstler...