Gone for good von Nadia
Gone for good by Nadia
Summary: Eigentlich sollte für die Clique nun eine fröhliche Zeit beginnen, denn endlich gehen sie aufs College, doch es kommt völlig anders als erwartet.
Categories: TV-Serien > Dawson's Creek Characters: Multi-Chars/Ensemble
Genre: Character Death, Drama, Friendship
Pairing: Keine
Challenges:
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 5108 Read: 10491 Published: 31 Jan 2014 Updated: 31 Jan 2014
Story Notes:
Ich möchte euch an dieser Stelle nochmals auf die Kategorie hinweisen, und eine Taschentuch-Warnung voraus schicken. Legt euch also nur zur Sicherheit einige Kleenex bereit und sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.^^

Spoiler: Der letzte Abend [Coda]
Chapter 1 by Nadia
Sie hatte noch nicht einmal die Gelegenheit gehabt ihre Koffer auszupacken und ihre Mitbewohnerin auf dem Collage richtig kennen zu lernen, als die Nachricht sie erreichte. Während der Fahrt nach Boston hatte sie keine Gelegenheit gehabt die Nachrichten im Radio oder Fernsehen mitzubekommen und so traf es sie wie ein Schlag in den Magen, als sie den Anruf von Bessie bekam, die sie darum bat umgehend nach Capeside zurück zu kehren. Weshalb, das hatte ihre Schwester ihr am Telefon nicht sagen wollen. Sie hatte nur gesagt, dass es dringend wäre.


Joeys Herz hatte sich augenblicklich zusammengezogen und ihr war danach gewesen sich zu übergeben, als sie in die mitfühlenden Augen ihrer Schwester sah, kaum dass sie wieder Zuhause war. Ohne ein Wort zu verlieren nahm Bessie ihre kleine Schwester in die Arme und drückte sie fest an sich. Wild pochte ihr das Herz gegen die Brust, als Bessie sich von ihr entfernte und sie musterte.

„Okay, ich bin jetzt stundenlang mit dem Zug unterwegs gewesen und hatte noch nicht einmal die Möglichkeit meine Koffer auszupacken, was ist los? Weshalb sollte ich sofort zurückkommen, Bessie? Sag es mir!“ Ihre Stimme zitterte und klang doch fest. Sie wusste, spürte es, dass es einen wichtigen Grund gab und sie wollte ihn erfahren.

„Setz dich bitte, Joey“, entgegnete Bessie und deutete auf die Couch.

Joey folgte der Aufforderung und machte sich auf eine schreckliche Nachricht gefasst. Sie sah ihre Schwester bittend an, doch als diese begann, wünschte sie sich, dass das nur ein schlechter Traum, wenn auch von der übelsten Sorte, sei. Die Welt um sie herum schien sich auf einmal viel langsamer zu drehen, und der Klang von Bessies Stimme wurde immer undeutlicher, glich einem, sich immer wiederholenden, Echo. Es war als würde die Sonne nicht mehr existieren, als würde ihr Herz gefrieren, das Blut in ihren Adern nicht mehr fließen, als hätten die Vögel aufgehört zu singen. Joey fühlte sich, als würde sie in ein Loch fallen, das ins Nichts führte. Sie sah in die Augen ihrer Schwester, sah dass sie glänzten, von Tränen, doch sie selbst schien zu keiner Reaktion fähig. Sie saß nur stumm da, die Hände auf dem Schoß ineinander gefaltet und blickte in Bessies Gesicht.

„Das ist einfach nicht wahr“, brachte Joey nach einer Weile protestierend, aber kaum hörbar hervor. Sie lächelte zynisch. „Du lügst doch. Warum tust du mir das an? Warum lügst du mich an? Das ist einfach nicht wahr, Bessie.“ Joey stand von der Couch auf und stemmte die Hände in die Hüfte. „Welcher Teufel hat dich geritten, dass du mich derartig anlügst!“, schrie sie, verlangend nach der gewünschten Antwort. Sie wollte von ihrer Schwester hören, dass es tatsächlich nur ein Scherz war, zugegeben ein sehr schlechter, aber ein Scherz. Sie hätte es gespürt, wenn es tatsächlich der Wahrheit entsprechen würde, dessen war sie sich sicher.

„Joey“, sagte Bessie sanft und stand auf, um zu ihr hinüber zu gehen. „Joey, es tut mir so leid.“

Argwöhnisch zog Joey die Augenbrauen zusammen, als Bessie auf sie zukam und sie in die Arme schließen wollte. Sie wehrte sich dagegen, stieß ihre Schwester sogar zur Seite. „Das ist nicht wahr!“, schrie sie abermals und rannte aus dem Haus. Verzweifelt rief Bessie ihren Namen und folgte ihr noch ein Stück weit, hinab zum Fluss, doch sie erreichte Joey nicht mehr.


Das dunkle, lange Haar flog wild hin und her als sie zu ihrem kleinen Boot rannte, es vom Steg losband und sich davonmachte. Alles schien sich um sie herum zu drehen, während sie ihre noch vorhandene Kraft einsetzte, um so schnell es ihr möglich war zu paddeln. Sie musste weg von Bessie, weg von den Lügen. Einfach weg, so schnell es ging. Ihr Atem ging stoßweise und immer noch schlug ihr Herz schmerzend gegen ihre Brust. Ihr Hals fing an zu brennen, als sie durch die Anstrengungen noch tiefer und schneller zu atmen begann. Das alles konnte unmöglich der Wahrheit entsprechen, es musste einfach eine Lüge sein und sie war fest dazu entschlossen, sich dessen zu vergewissern.


Am Ziel angekommen band sie das Boot am Steg fest, kletterte hinauf und rannte abermals los, als ob der Teufel selbst hinter ihr her sei. Sie rannte, bis sie schließlich das vertraute Haus erreichte, die Leiter hinaufkletterte, wie so viele Male zuvor, und durch das Fenster in sein Zimmer hinein stieg. Die Bilder, die Poster an den Wänden waren verschwunden. Er hatte sie ja eingepackt, um sie mit nach Los Angeles zu nehmen, sagte sie sich. Dann öffnete sie die Türe, die auf den Flur hinaus führte und ging bis zum Treppenabsatz, auf den sie sich schließlich setzte. Was sollte sie Gale und Mitch sagen, als Erklärung für das Eindringen durch das Fenster? Würde sie ihnen das sagen, was Bessie ihr mitgeteilt hatte, dann würden sie vermutlich auf der Stelle einen Herzinfarkt bekommen. Beide zur selben Zeit. Stufe um Stufe ging Joey die Treppen weiter hinab, bis sie plötzlich ein Schluchzen hörte, das aus der Küche zu kommen schien. Ruckartig hielt sie in ihrer Bewegung inne und spürte wie eine kalte Hand ihr Herz umschloss, es allmählich gefror und es somit bald seinen Dienst aufgeben würde. Sie schluckte hart, als sie dennoch wagte hinab in das untere Stockwerk zu gehen und sich in Richtung der Küche aufmachte.


Gale saß am Esstisch, in der einen Hand ein Papiertaschentuch und in der anderen ein Foto. Eines von vielen, die wild verstreut vor ihr auf dem Tisch lagen. Sie schien um Jahre gealtert zu sein, ihr Haar hatte seinen Glanz verloren, ihr Gesicht war faltig und ihre Augen geschwollen. Die Hand, in der sie das Foto hielt, zitterte so stark, als würde eine Achtzigjährige es halten. Wieder hatte Joey das Gefühl in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen, tiefer und immer tiefer, je näher sie Gale kam.

„Mrs. Leery“, wagte sie es mit sanfter Stimme auf sich aufmerksam zu machen und versuchte den Knoten in ihrem Hals zu schlucken.

Langsam hob die gealterte Frau den Kopf und stand auf. Für einen Moment glaubte Joey, dass ihre Beine ihr den Dienst versagen würden, als sie das Gefühl bekam in Ohnmacht zu fallen. Mrs. Leery sah sie aus rot geschwollenen Augen an, unter denen tiefe dunkle Ringe lagen, die nichts Gutes verhießen. Joey wollte ihr die einzige Frage stellen, die ihr im Augenblick im Sinn war, aber sie kannte die Antwort bereits. Sie wusste plötzlich, dass Bessie nicht gelogen hatte. So lange Gale es nicht aussprach konnte sie sich einreden, dass alles nur ein Alptraum war, oder ein schlechter Scherz. Würde sie es von Gale hören, dann, das wusste Joey, würde sie es nicht überstehen.

Gale kam weiter auf Joey zu, jedoch sehr langsam. Oder war es nur ihre Wahrnehmung, schien deshalb alles langsamer zu gehen, hörte sie deshalb nur noch klangliche Dissonanzen, statt Vogelgesang, das Rauschen des Windes in den Bäumen?

„Joey. Oh Gott, Joey“, mehr brachte die Mutter ihres besten Freundes nicht hervor und fiel Joey im selben Moment in die Arme. Ihr Körper zitterte sehr stark, als ein Weinkrampf von ihr Besitz ergriff. Es war also wahr, tatsächlich wahr. Er war gegangen, hatte sie für immer verlassen und würde niemals wieder zurückkehren. Nie mehr würde sie sein strahlendes Lächeln sehen, den Stolz in seinen Augen, wenn er einen neuen Erfolg zu verkünden hatte. Es würde keine Zeit mehr geben, in der sie sinnlos mit ihm philosophieren und über Sinn und Unsinn des Lebens, der Welt, der Liebe diskutieren würde. Keine Videoabende mehr, an denen sie am Schluss des Films gemeinsam weinen würden. Keine Abende mehr, an denen er sie nach einem Horrorfilm erschrecken würde, so dass sie sich nicht mehr nach Hause traute. Sie würden nicht mehr herumalbern, so wie sie es früher oftmals getan hatten. Nichts von alle dem würde sie je wieder mit ihm tun können. Bittere Leere erfüllte plötzlich ihr Herz und sie glaubte, dass es jeden Augenblick stehen bleiben würde.

Die Welt um sie herum verschwamm nun noch mehr und sie schmeckte Salz. Halt suchend erwiderte sie die Umarmung und vergrub das Gesicht in die von der Zeit gealterte, faltige Halsbeuge von Gale.


Joey hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren und konnte nicht mehr sagen, wie lange sie in Gales Armen geweint hatte, bis sie sich schließlich zusammen an den Tisch setzten, auf dem sämtliche Fotos von Dawson verstreut lagen.

„Wie? Wann?“, fragte Joey nach einer endlos scheinenden Zeit des Schweigens und brach somit die Stille. Sie erinnerte sich vage daran, dass Bessie es ihr erzählt hatte, aber das war alles in dem Schock untergegangen und der darauf folgenden Wut, die sie empfunden hatte.

„Ich weiß es nicht mehr genau. Irgendwann gestern Nacht kam der Anruf“, versuchte Gale zwischen ihrem Schluchzen zu antworten. „Mitch war am Telefon und sagte nur, dass Dawsons Maschine auf halbem Weg abgestürzt sei. Er hat Kalifornien nie erreicht…“ Sie machte eine Pause. „Mitch hatte den Hörer langsam sinken lassen und wollte es mir sagen, doch das war nicht mehr nötig.“

Tränen rannen Joeys Wangen hinab während sie schwach nickte. „Ist es ganz sicher, dass er den Absturz nicht doch überlebt hat?“, fragte sie zaghaft, obwohl sie keine Antwort erwartete. Man hätte sie nicht gebeten zurück nach Capeside zu kommen, wären sie sich nicht sicher gewesen. Sie war hierher zurückgerufen worden, um an der Beerdigung teilnehmen zu können, die bald stattfinden würde. Die Beerdigung ihres besten Freundes, ihres Seelenverwandten. Und Joey wusste instinktiv, dass sie an diesem Tag auch ein Stück ihrer eigenen Seele mit beerdigen lassen würde. Den Teil, der für immer mit Dawson verbunden sein würde. Er hatte sie tatsächlich verlassen, für immer und alles was sie jetzt noch spürte waren seine Lippen auf ihren, den Kuss, den sie sich zum Abschied vor zwei Tagen in seinem Zimmer vor dem Fenster gegeben hatten. Wie damals, als sie zueinander gefunden und sich ihre Liebe gestanden hatten. Doch es war nichts weiter als eine schöne Erinnerung, eine die sie für immer in ihrem Herzen behalten würde, eine die Dawson auf Ewig mit ihr verbinden würde.


~*~


Regungslos stand er vor dem Spiegel im Bad seines Bruders und musterte sein Ebenbild. Er sah sich selbst in die Augen und konnte darin nichts weiter als den Schmerz des Verlustes sehen. Seit dem Kindergarten waren Dawson und er die besten Freunde gewesen, zumindest bis er sich in dasselbe Mädchen wie sein Freund verliebt hatte. Erst da hatte ihre Freundschaft, das Band, das sie verbunden hatte einen Riss bekommen. Pacey zweifelte keinen Augenblick daran, dass er in Bezug auf Joey richtig gehandelt hatte, auch wenn er sich zum Schluss unwohl in der Beziehung gefühlt hatte. Doch es schmerzte ihn zutiefst, dass er durch die Beziehung zu Joey ein ganzes Jahr mit Dawson verloren hatte.

Ab Abend, nachdem er den Anruf und die damit verbundene schlechte Nachricht erhalten hatte, hatte Pacey vom Boot aus in den Sternenhimmel über sich geschaut und sich zum ersten Mal in seinem Leben gefragt, ob es wirklich so ist, dass die Seelen der Verstorbenen dort oben waren und hinab auf die Erde schauen würden. War Dawson dort oben und beobachtete ihn? Instinktiv hatte Pacey den Kopf geschüttelt, aber dennoch den Blick nicht von den vielen tausend Sternen abgewandt.

„Bist du soweit?“, fragte Doug, der plötzlich hinter ihm aufgetaucht war.

„Ich weiß es nicht“, war alles was Pacey antworten konnte und ließ sich von seinem Bruder die schwarze Krawatte binden, denn seine Hände zitterten zu stark. „Ich weiß nicht, wie ich mich verabschieden soll, Doug.“ Um die aufkommenden Tränen zu verbergen senkte Pacey seinen Blick. „Wie verabschiedet man sich von seinem besten Freund? Wie nimmt man Abschied von einem Menschen, der gerade mal richtig begonnen hatte zu leben, dem es nicht vergönnt war zu lieben und geliebt zu werden?“ Tatsächlich war es so, dass Dawson bislang noch nie mit einer Frau geschlafen hatte. Er hatte nie erfahren, was für ein überwältigendes Gefühl es ist, wenn man sich mit einer Frau vereint, ihr mittels Berührungen, Küssen und liebevollen Worten zeigt, dass sie alles ist, wofür es sich zu leben lohnt. Dawson würde niemals die Chance bekommen das Collage abzuschließen, eine Familie zu gründen und irgendwann den Enkeln beim spielen zu zusehen.
„Er wurde geliebt, Pace. Seine Familie, seine Freunde… sie alle haben ihn geliebt. Jeder auf seine Weise.“
Langsam hob Pacey seinen Blick an und sah seinem älteren Bruder in die Augen. „Ich hätte ihm Joey nicht wegnehmen dürfen, Doug.“

„Warum sagst du das?“, fragte Doug, nahm das dunkle Jackett vom Kleiderhaken und half Pacey hinein. „Glaubst du, dass das irgendetwas geändert hätte?“

„Vielleicht.“ Ja, vielleicht hätte es wirklich etwas verändert. Möglicherweise hätte Dawson sich wegen Joey gegen das Collage in Kalifornien entschieden. Er wäre niemals in diese Maschine gestiegen und würde noch leben.

„Du solltest aufhören dir darüber Gedanken zu machen. Dawson wollte auf dieses Collage und er wäre auch gegangen, wenn das vergangene Jahr anders verlaufen wäre.“ Doug atmete tief durch. „Wir müssen los, Pace, sonst kommen wir zu spät.“

„Asche zu Asche und Staub zu Staub…“, hörte er den Pfarrer sprechen, während sein Blick auf dem mahagonifarbenen Sarg haftete, der mit Blumengestecken geschmückt vor ihm stand. Er starrte auf das Holz, begutachtete die Blumen und fragte sich, was es für einen Sinn hatte einen leeren Sarg zu beerdigen. Von Dawson war nichts übrig geblieben außer einer Handvoll Asche, die irgendwo kurz vor der Wesküste verstreut war.
Dann sah er zu den beiden Menschen hinüber, die wohl am schlimmsten unter dem Verlust litten. Während Mitch tapfer vor dem Sarg stand, und sichtbar tief ein und aus atmete, lehnte Gale an seiner Schulter und weinte bittere Tränen. Pacey Blick wanderte ein Stückchen hinab, bis er an den sich haltenden Händen der Beiden hängen blieb und dort eine zeitlang verweilte. Immer wieder drückte Mitch die Hand seiner Frau und schluckte die Tränen hinunter, die er nicht in der Öffentlichkeit vergießen wollte.
Nicht weit von den Leerys entfernt standen Jen, Jack und Joey nebeneinander. Sie hielten sich bei den Händen, um sich gegenseitig eine emotionale Stütze zu sein und ließen nur gelegentlich los, wenn eines der beiden Mädchen sich die Tränen fortwischen oder die Nase putzen wollte.

Pacey fühlte sich seit der Trennung von Joey und seinem Weggang aus Capeside wie ein Außenseiter, der nicht länger zu der Clique gehörte, die Dawson immer zusammen gehalten hatte. Wenigstens bis zu jenem Tag, als er durch Jen von Paceys und Joey Beziehung erfahren hatte.
Sein Bruder, seine Schwester und seine Eltern, die kaum einen Schritt weit hinter Pacey standen konnten ihm nicht den nötigen Halt geben, den er jetzt so dringend gebraucht hätte. Den Halt, den Joey ihm würde geben können, hätte er sich nicht von ihr distanziert.
Der Pfarrer begann, wie es so üblich war, all die guten Eigenschaften von Dawson aufzuzählen und Pacey lauschte seinen Worten beinahe ehrfürchtig.

„Wir sind heute hier zusammen gekommen, um Abschied zu nehmen, von einem jungen Mann der sein ganzes Leben noch vor sich hatte. Von einem jungen Mann, dessen größter Traum, einmal ein Filmemacher wie Steven Spielberg zu werden niemals in Erfüllung gegangen ist. Dawson Leery war ein Träumer, doch ebenso auch ein Realist. Er wusste gut zwischen Traum und Realität zu unterscheiden, mehr als so manch vollständig ausgereifter Mensch es imstande war. Er war ein ehrlicher und pflichtbewusster junger Mann, der seinen Eltern viel Freude bereitet hatte...“

Aus seinem getrübten Blickwinkel heraus konnte Pacey wahrnehmen, dass Joey sich an Jacks Schulter lehnte, der zwischen den beiden Mädchen stand, und bei den Worten des Pfarrers einem Zusammenbruch nahe war. Er hörte deutlich ihr Schluchzen und schluckte hart. Wenn es schon für ihn selbst so unerträglich schien diesen Tag heil zu überstehen, wie schlimm musste es dann erst für Joey sein?

Er war es, der sie halten sollte, gerade in dieser Zeit, um ihr Halt und Geborgenheit zu geben und die Hoffnung, dass nach jeden Regen auch wieder die Sonne hinter den Wolken hervorkommen würde, doch er war es nicht. Doch dies war nicht der passende Augenblick, sich über die gescheiterte Beziehung zu Joey Gedanken zu machen, rief Pacey sich ins Gedächtnis zurück.

Er wandte seinen Blick von der kleinen Gruppe ab und senkte den Kopf, als der Pfarrer ein stilles Gebet erwartete. Pacey dachte an all die Dinge zurück, die er mit Dawson erlebt hatte. An die vielen, schönen Augenblicke, in denen sie miteinander gescherzt und gelacht hatten. Warum nur hatten sie sich im letzten gemeinsamen Jahr so heftig gestritten, fragte Pacey sich abermals. Die Antwort stand keine drei Meter von ihm entfernt.
Es gab noch so vieles, das er Dawson noch gerne gesagt hätte, vieles das er gerne noch mit ihm unternommen hätte, doch es war zu spät.

Plötzlich regte sich die Menge, um Pacey herum und ihm wurde klar, dass es Zeit wurde. Zeit, um endgültig Abschied zu nehmen. Sein Verstand sagte ihm, dass er, wie all die anderen, eine Handvoll Erde nehmen und sie hinab in das Loch werfen sollte, doch seine Beine erlaubten es ihm nicht. Er stand bewegungslos da, während seine eigene Familie dem Ritus folgte und sich allmählich von dem Grab entfernte. Pacey schloss seine Augen, hörte das Gemurmel der Trauergemeinde und stellte sich vor, dass alles nur ein Traum sein würde, wenn er die Augen wieder öffnete.

Er stand lange so da und hörte nach einer kleinen Weile nichts weiter als langsame Schritte, die sich auf ihn zu bewegten. Nach einem weiteren Moment wagte er es die Augen wieder zu öffnen und sah, dass alle bis auf Joey gegangen waren. Sie stand unmittelbar vor dem Grab und hielt den Blick nach unten gerichtet, als Pacey sich entschloss zu ihr zu gehen.

„Ich kann es einfach nicht glauben“, hörte er ihre Stimme, die nur flüsternd die Worte von sich gab. „Wie ist das möglich, Pace? Wie kann er uns einfach verlassen?“

Er seufzte hörbar die angehaltene Luft aus seinen Lungen aus. „Diese Fragen habe ich mir auch schon gestellt“, sagte er ebenfalls leise.

„Er war noch viel zu jung. Es gab noch so viele Träume, die er sich erfüllen wollte. Er hat es nicht verdient so jung zu sterben.“ Joeys Stimme bebte. „Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals hier stehen und von ihm Abschied nehmen muss. Nicht so früh, nicht durch solche Umstände.“

Pacey nickte. „Ich weiß, was du meinst. – Man macht sich in der Regel auch keine Gedanken über so etwas. Und deshalb ist es umso härter, wenn man plötzlich vor dem Grab seines besten Freundes steht, der nach dem Gesetz noch nicht einmal Volljährig geworden ist und sein Leben noch vor sich hatte.“
Bedächtig sahen sie in das Loch hinab und schwiegen einige Minuten.

„Er wird mir so schrecklich fehlen, Pacey.“ Tränen rannen in Rinnsälen ihre Wangen entlang, als sie den Blick langsam anhob und Pacey ansah.

„Mir auch. Mir auch, Joey.“ Er nahm sie bei der Hand und ging gemeinsam mit ihr in die Hocke, um etwas Erde in die freie Hand zu nehmen. Sie tat es ihm gleich. „Mach’s gut, Dawson, wo immer du jetzt sein magst.“ Er ließ die Erde hinab auf den Sarg rieseln und wartete bis auch Joey Abschied nahm.

„Wir sehen uns im nächsten Leben wieder, Dawson, und bis dahin werde ich dich in Erinnerung behalten. Ich liebe dich.“ Pacey zuckte bei ihrem letzten Satz zusammen, sagte jedoch nichts und ließ auch ihre Hand nicht los. Er nahm Joey in die Arme, als sie sich ihm zuwandte und Geborgenheit suchte. Er hielt sie. Er hielt sie lange. So lange, bis ihre Tränen allmählich versiegten und sie bereit dazu war, zurück in das Leben ohne Dawson zu gehen.


~*~


Vor dem Haus standen viele Autos. Autos von Freunden und Verwandten von Bekannten, die zum Kondolenzbesuch bei den Leerys waren.

Grams parkte direkt neben Mitchs und Gales Wagen und wandte sich zu Jen und Jack um, die während der gesamten Fahrt nicht ein Wort gesagt hatten. Gerne hätte sie den Beiden einige Trost spendenden Worte zukommen lassen, doch sie wusste, dass es vergeblich sein würde. Zumindest jetzt, so kurz nach diesem schrecklichen Verlust.

„Wir sind da“, sagte sie bedacht und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss.

Jack nickte, doch Jen blieb reglos sitzen. „Wir sollten rein gehen, Jen“, sagte Jack und löste zuerst seinen und dann ihren Sicherheitsgurt.

„Ich kann nicht…“, antwortete sie flüsternd, bemüht die frischen Tränen zu unterdrücken. „Dort drin sind so viele Erinnerungen an ihn, und ich weiß, dass ich mich dort nicht mehr zusammenreißen kann.“

„Das erwartet doch auch niemand von dir, Jennifer“, sagte Grams und legte ihrer Enkelin eine Hand auf das Knie. „Niemand erwartet an diesem Tag, dass irgendwer seine Trauer verbirgt, insbesondere nicht Dawsons Eltern und nahe Verwandte.“

Jen nickte und wischte sich die Tränen von den Wangen, dann stieg sie langsam aus und ging um den Wagen herum zu Jack und ihrer Großmutter. „Was meint ihr, ob ich einen kleinen Blick in sein Zimmer werfen darf?“

„Bestimmt“, meinte Jack. „Ich würde auch gerne ein paar Minuten mit rein gehen.“


Mitch und Gale saßen auf ihrer Couch im Wohnzimmer. Wieder hatte sie ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes gelegt, so als sei er ihr Fels in der Brandung, die einzige Stütze, die ihr geblieben war. Jen dachte einen Moment darüber nach, wie es für die Beiden sein würde, wären sie nicht wieder zusammen gekommen? Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre es für jeden von ihnen zweimal so hart, den Tod ihres einzigen Sohnes zu verkraften, wenn sie sich nicht hätten.

„Mrs. und Mr. Leery… ich habe es vorhin versäumt, deshalb würde ich es jetzt gerne nachholen“, sagte Jen und blieb vor den Beiden stehen. „Ich möchte Ihnen mein herzlichstes Beileid aussprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es für Sie beide sein muss. Es tut mir so schrecklich leid.“

„Das ist lieb von dir, Jen“, sagte Gale und bat sie neben sich Platz zu nehmen.

„Danke“, schloss Mitch sich seiner Frau an und drückte kurz Jennifers Hand.

Zögernd setzte Jen sich neben Gale und nahm ihre Hand. Eine Weile saßen sie schweigend da, erinnerten sich an die Zeiten zurück, die sie mit Dawson hier verbracht hatten. Dann plötzlich stand Jen auf. „Wenn es recht ist würde ich mir gerne etwas zu Trinken holen und mir nachher noch einmal Dawsons Zimmer ansehen.“

„Nur zu“, war alles, was Gale dazu sagte und versuchte dabei zu lächeln. „Ich bin mir sicher, dass es Dawson nichts ausmachen würde.“


Jen sah sich kurz um, konnte Jack oder ihre Grandma jedoch nirgendwo entdecken. Sie ging ohne Umschweife in die Küche, nahm sich eine Tasse und goss sich etwas Kaffee ein. Sie hatte dieses Haus immer wie eine Art Zuhause angesehen, sie kannte sich aus, wusste wo die Tassen und Teller standen, welche Kellogg’s Dawson bevorzugt gegessen hatte und wie er seinen Kaffee am liebsten hatte.

Nachdem die Ehe seiner Eltern damals in die Brüche gegangen war hatte sie hier sehr viel Zeit mit ihm verbracht, war ihm eine Freundin gewesen. Die Freundin, die Joey zu dieser Zeit nicht für ihn sein konnte.

In Erinnerung schwelgend setzte Jen sich an die Stelle, vor den Küchenschrank, an der sie und Dawson damals gesessen hatten, als er sich weinend an sie geklammert hatte. Er hatte gewusst, dass die Ehe seiner Eltern gescheitert war und musste damit lernen zu leben, dass er sie nicht wieder bei ihren Liebesakten im Wohnzimmer oder sonst wo überraschen würde. Dass er sie nicht mehr zusammen würde lachen sehen, nicht so wie früher.

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Jen, dass sie Dawsons Schluchzen hören und seinen Kopf an ihrer Schulter fühlen konnte, so wie damals. Sie griff sich an ihre linke Schulter, so als wollte sie durch sein Haar streichen, doch er war nicht da. Und er würde es nie wieder sein.

Leise begann Jen zu weinen und sah sich dabei weiter in der Küche um. Es war als würde sie ein Fotoalbum ansehen, oder einen Film, den Dawson gedreht hatte. Sie sah alles so bildlich vor sich, all die Erinnerungen, die Momente in denen sie gemeinsam hier gesessen und über Sinn und Unsinn des Lebens diskutiert hatten.


Später stand sie in Dawsons Zimmer und betrachtete die Fotos, die er von ihr, Jack und Andie gemacht hatte. Gott, es war ein wundervoller Sommer gewesen und sie alle waren sich näher gekommen. Sogar Andie hatte sich richtig mit Dawson angefreundet, und war nicht länger einfach nur Jacks Schwester oder Paceys Ex-Freundin. Sie erinnerte sich wieder an die Wasserschlacht, die sie an einem der Tage am Stand gemacht hatten, an das Volleyballspiel, bei dem die Jungs gegen die Mädchen gespielt hatten.

Ein Lächeln legte sich auf ihre traurigen Züge und sie sah sich weiter um. Ihr Blick blieb an dem Bett hängen, auf dem immer noch, wie vor drei Jahren, dieselbe grün karierte Tagesdecke lag. Sie ließ sich darauf nieder und legte sich hin. Es war als könne sie Dawsons Körperduft riechen und sie schloss die Augen.

Erneut traten Erinnerungen in ihren Gedanken auf und sie musste lachen. Ja, sie lachte herzlich. Denn sie erinnerte sich wieder an die Zeit zurück, als Abby und sie gemeinsam alles daran gesetzt hatten, dass sie Dawson wieder für sich gewinnen konnte. Gott, sie hatte sich blamiert, hatte ihren Stolz beiseite geschoben und sich Dawson hemmungslos an den Hals geworfen – vergeblich. Jetzt dachte Jen, dass sie ihm lieber schon damals eine gute Freundin hätte sein sollen, denn das hatte er gebraucht, nicht noch ein Mädchen, das ihm seine Gedanken verwirrte.

„Was tust du da?“, hörte sie eine Mädchenstimme fragen.

Abrupt setzte Jen sich auf und sah in Richtung der Tür. Dort standen Pacey und Joey und sahen sie fragend an.

„Nichts weiter… Ich habe mich nur eben an die etwas lustigeren Zeiten erinnert, die ich hier mit Dawson verbracht habe.“

Joey verschränkte die Arme vor der Brust. Doch dann entschied sie sich, dass es nach all den Jahren Blödsinn war, wieder eifersüchtig auf Jen zu sein und lächelte. „Weißt du noch, wie wir damals den Porno gefunden und angeschaut hatten?“

Jen lachte: „Ja, und wie ich mich erinnere.“

Pacey sah überrascht von Joey zu Jen. „Dawson hatte mir nie erzählt, dass er sich Pornos ansah.“

„Vielleicht wollte er einfach auch das eine oder andere Geheimnis vor dir haben, Pacey“, kam es Schulter zuckend von Jen. Sie setzte sich im Bett auf und machte einen Schneidersitz.

Joey setzte sich neben sie, doch Pacey blieb verdutzt wie er war im Türrahmen stehen.

„Oder“, begann Joey, „Dawson wollte weiterhin ein gutes Beispiel für dich sein, Pacey. Dass du dir so was ansiehst ist nichts Neues und es gibt niemand, den diese Tatsache überraschen würde. Dawson war von euch beiden im Grunde immer der Saubermann, der unfehlbar sein wollte. Vielleicht sagte er deshalb nichts zu dir.“

„Kann sein“, erwiderte Pacey nickend. „Und ihr Mädchen habt euch den Film also angesehen. Wann?“

„Als Gale dieses Interview mit uns gemacht hatte, erinnerst du dich? Wir sind dann irgendwann in seinem Zimmer gesessen und haben uns einen Spaß daraus gemacht etwas herumzustöbern.“ Joey lächelte bei der Erinnerung an diesen Abend. Der ganze Tag war lustig gewesen. So viele Zeiten mit Dawson waren lustig gewesen und jetzt waren es Erinnerungen, das einzige was ihnen allen blieb.

Pacey warf Jen einen vielsagenden Blick zu und begann dann zu lächeln. Jedoch hielt er es für besser in Joeys Gegenwart nicht zu erwähnen, dass er und Jen sich hier auf Dawsons Bett hatten lieben wollen und das ganze dann in einem einzigen Desaster endete. Jen erwiderte seinen Blick als wisse sie genau woran er eben dachte. Im Rückblick an diesen Tag bekam Pacey fast schon ein schlechtes Gewissen, denn immerhin hatte er seinen besten Freund damals belogen. Er hatte ihn viel zu oft belogen und jetzt war es zu spät, um diese Fehler wieder gut zu machen.


Die drei saßen noch einige Zeit allein in Dawsons Zimmer und hingen, jeder für sich, seinen Erinnerungen nach. Schließlich gingen sie gemeinsam hinab ins untere Stockwerk und verbrachten des Rest des Tages mit den übrigen Angehörigen und Freunden. Es wurden viele Geschichten und Erinnerungen ausgetauscht, sie sahen sich Videos an, die Gale und Mitch aufgenommen hatten, lange bevor Dawson alt genug dazu war und die Liebe zum Film für sich entdeckt hatte. Er hatte sich seinen Traum nie erfüllen können, aber er hatte jedem seiner Freunde und ganz besonders seinen Eltern viele Aufnahmen hinterlassen, die weit mehr wert hatten als so manches Fotoalbum. Aufnahmen, die sein Heranwachsen zeigten, seine Entwicklung bis ins Teenageralter und sie zeigten seine ersten eigenen Produktionen. Und so lange sie diese Videos hatten, die Fotoalben und die vielen wunderschönen Erinnerungen an ihn, so lange würde keiner von ihnen jemals den Jungen vergessen, der ihrer aller Leben positiv beeinflusst und einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte.

Ende
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