Die Kinder Éomunds von Nadia

Die Kinder Éomunds von Nadia

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Éomer ging es von Tag zu Tag besser. Und eines Tages fühlte er sich bereit, endlich den versprochenen Ausritt mit seiner Schwester zu unternehmen, den sie sich so sehr wünschte. Sie fragte ihn nie danach, aber sie besuchte ihre Stute jeden Tag im Stall und verbrachte viele Stunden damit, sie zu striegeln, ihr die Mähne zu flechten, die Hufe auszukratzen und sie auf jede erdenkliche Weise zu verwöhnen. Nur geritten war sie das Tier bislang nicht.

Beinahe zehn Tage waren seit Éowyns Geburtstag vergangen und als Éomer an diesem Morgen erwachte, fasste er den festen Entschluss, mit seiner Schwester über die weiten Ländereien Rohans zu reiten und den sonnigen Tag zu genießen.

Es war bereits kurz vor Mittag, als Éomer sich im Thronsaal von seinem Onkel verabschiedete. Gríma saß, wie gewohnt, in unmittelbarer Nähe des Königs. „Wenn Ihr es gestattet, würde ich mich nun zurückziehen. Éowyn und ich haben einen Ausritt geplant und werden nicht vor dem Abend zurück sein.“

„Haltet Ihr das für eine kluge Entscheidung, nachdem was Euch zugestoßen ist?“, wandte sich Schlangenzunge an Éomer, sah dabei jedoch den König an. Eine Geste, die Zustimmung begehrte.

Théoden nickte kaum sichtbar. „In der Tat“, sagte er und klang dabei ganz und gar entkräftet. Wie jemand, der einige Nächte nicht geschlafen hatte und nur von Sorgen umringt war. „Es könnte gefährlich sein.“

„Ich versichere Euch, mein König, dass ich gut aufpassen und Éowyn keiner unnötigen Gefahr aussetzen werde. Ich habe Gúthwine stets bei mir. Außerdem habt Ihr Éowyn eine ausgezeichnete Ausbildung zur Schildmaid zukommen lassen. Ich bin mir sicher, dass auch sie sich mit ihrer neuen Ausrüstung bestens zu verteidigen weiß. Andernfalls müsstet Ihr die Fähigkeiten eines Eurer besten Hauptmänner hinterfragen.“ Und damit, wusste Èomer, hatte er den König auf seiner Seite. Éowyn war in der Tat ebenso gut ausgebildet worden wie Théodred oder er selbst. Dagegen konnte selbst Gríma nichts einwenden.

Théoden brummte schließlich sein Einverständnis und deutete erneut ein Nicken an. Als Gríma neben ihm den Mund öffnete, um etwas zu sagen, winkte der König unwirsch ab und gebot ihm damit zu schweigen.

Éomer konnte den Missmut deutlich in Grímas Augen erkennen. „Wohl denn …“, ließ sich Éomer vernehmen und konnte sich ein triumphales Grinsen nur schwer verkneifen.

„Seid vor Sonnenuntergang zurück in Edoras“, verlangte der König.

Éomer verneigte sich vor ihm. „Wie Ihr wünscht, Onkel.“ Und damit wandte er sich ab und marschierte so schnell es die Höflichkeit gebot aus der Goldenen Halle hinaus ins Tageslicht. Die blendende Sonne ließ ihn für einige Sekunden erblinden. Er blinzelte mehrmals, dann gewöhnten sich seine Augen an das neue Licht und er eilte den Weg hinab zu den königlichen Ställen.

Einer der Stallburschen kam ihm mit einer Schubkarre voller Mist aus den Ställen entgegen und murmelte eine Begrüßung, während er geschäftig an Éomer vorbei ging.

Dieser ergriff den Jungen jedoch am Arm, ehe dieser ihn ganz passiert hatte. „Sag, Bursche, ist meine Schwester im Stall?“

Der Stallbursche blickte auf seinen Arm hinab und nickte eingeschüchtert. „Ja, mein Herr Éomer. Sie ist bei ihrer Stute.“ Éomer ließ den Jungen los und bedankte sich für die Auskunft. „Aber sie ist nicht allein, Herr.“

„Wer ist bei ihr?“

„Eine Freundin. Sie kommt hin und wieder vorbei.“

Éomer erinnerte sich vage an eine junge Frau, die auf Éowyns Geburtstagsfeier gewesen war. Viel hatte seine Schwester ihm noch nicht über ihre Freundin erzählt. Das wurde Éomer allerdings erst jetzt so richtig bewusst.

„Danke“, raunte Éomer und setzte seinen Weg fort. Der Bursche sah ihm noch einen Moment nach, dann setzte auch er seine Arbeit wieder fort und brachte den Mist der königlichen Pferde weg.

Als Éomer den Stall betrat, hörte er zunächst nur ein Tuscheln und dann mädchenhaftes Gekicher. Er trat näher und fand die beiden jungen Frauen in Windfohlens Box in einer Ecke sitzend und lachend. „Einen wunderschönen guten Tag, die Damen“, grüßte er die zwei und schmunzelte.

Während der einen Frau das Lachen verging, grinste die andere umso breiter. Éowyn stand auf und half dann ihrer Freundin mit einem beherzten Ruck ebenfalls auf die Beine. Die Freundin sah wie ein verschrecktes Reh aus. „Ich störe hoffentlich nicht?“ Éomer sah von einer zur anderen.

„Nein, du niemals“, sagte Éowyn und trat zu ihrem Bruder, um ihn mit einer Umarmung zu begrüßen. „Erinnerst du dich an Hunith?“

„Selbstverständlich“, erwiderte er nickend. „Deine Freundin. Sie war bei der Feier.“ Einen Moment herrschte Schweigen, dann: „Was hat euch eben amüsiert?“ Er hörte seine Schwester viel zu selten auslassen lachen.

„Das verraten wir dir nicht“, erwiderte Éowyn frech und zwinkerte ihrer Freundin zu. Diese stand immer noch ziemlich unbeholfen da und schien nicht recht zu wissen, was sie sagen oder tun sollte. „Und was treibt dich so früh hierher? Müsstest du nicht mit dem König über Karten brühten und Verteidigungspläne schmieden?“

„Heute nicht. Der Tag ist viel zu schön, um ihn in dunklen Hallen über Karten zu verbringen. Stattdessen dachte ich, wir beide könnten endlich den Ausritt machen, den ich dir schuldig geblieben bin.“

Éowyns Augen leuchteten auf. „Wirklich? Oh ja, das wäre großartig!“ Ihre anfängliche Begeisterung wechselte jedoch nur einen Sekundenbruchteil später in Trübsinn. Sie wandte sich an Hunith. „Wärst du mir böse, wenn wir das Training verschieben würden?“

Diese erzwang ein höfliches Lächeln und schüttelte die eigene Enttäuschung ab, um Éowyn zu täuschen. „Nein, natürlich nicht.“ Kaum ausgesprochen, machte sie sich bereits daran den Stall zu verlassen. Über ihre Schulter sagte sie: „Ich weiß noch nicht, wann ich wieder Zeit erübrigen kann. Vielleicht nächste Woche.“

„Was für ein Training?“, fragte Éomer neugierig. Die beiden Frauen konnten von der Herkunft kaum unterschiedlicher sein. Was verband sie? Gab seine Schwester der Freundin Reitunterricht?

„Kannst du an keinem anderen Tag in dieser Woche?“, wollte Éowyn wissen und ignorierte bewusst die Frage ihres Bruders. Hunith schüttelte den Kopf. Im Grunde wusste Éowyn, dass Hunith täglich auf dem Hof ihrer Eltern gebraucht wurde. Für die heutigen freien Stunden hatte sie in Vorleistung gehen müssen. Das Wissen darum zerknirschte Éowyn. Sie war hin und hergerissen zwischen ihrer Freundin und ihrem Bruder.

„Ich kann verstehen, dass du heute mit deinem Bruder ausreiten möchtest. Das Wetter ist perfekt dafür und du hast ihn so lange nicht gesehen“, erwiderte Hunith. „Das Training läuft uns nicht weg.“

„Welches Training?“, fragte Éomer erneut, diesmal fordernder. Brachte die Freundin seiner Schwester bei, wie man Kühe molk oder Schafe schor? Ein halbes duzend solch abstruser Ideen kam ihm dabei in den Sinn.

„Ich unterrichte sie im Schwertkampf“, unterbrach Éowyns Stimme seinen Gedankengang.

Er konnte nur schwer einen Lachanfall unterdrücken. Diese Möglichkeit war ihm wahrlich nicht in den Sinn gekommen. „Du bringst einer Bäuerin den Umgang mit dem Schwert bei?“, flüsterte er in Éowyns Richtung, sobald er sich einigermaßen gefasst hatte.

Èowyn reckte das Kinn. „Sei nicht so arrogant!“, herrschte sie ihn an und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Sie ist schon richtig gut geworden.“

Éomer verdrehte die Augen. „Wenn du meinst …“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass Éowyn einer Bäuerin den Schwertkampf beibrachte. Sie hatte doch selbst noch keine richtige Erfahrung in Scharmützeln gesammelt und noch nie einen Orc erschlagen. Es war eine Sache, wenn jemand wie Gamling, der schon viele Schlachten geschlagen und gewonnen hatte, Unterricht gab. Eine andere war es jedoch, wenn eine unerprobte Kämpferin eine Bäuerin mit noch weniger Sinn für die Kampfkunst in eben dieser unterrichtete. Das war, als führe ein Blinder einen Blinden. Die Ausbildung zur Schildmaid war der gehobenen Damengesellschaft vorbehalten und eigentlich auch nur eine Formsache. In keiner Éored gab es Frauen. Die Schlachten waren den Männern vorbehalten. Die Frauen lernten lediglich, sich in aller größter Not zu verteidigen. Was dachte sich Éowyn nur dabei?

In diesem Augenblick lernte Éowyn eine Seite an ihrem Bruder kennen, die ihr bislang fremd war. Sie sah ihn einen langen Moment schweigend an, ehe sie entschlossenen Schrittes zu Hunith hinüberging. „Weißt du was, Éomer, ich muss unseren Ausritt verschieben. Ich habe meiner Freundin ein Versprechen gegeben, das ich einzuhalten gedenke.“

„Éowyn“, ergriff nun Hunith das Wort und nahm ihre Freundin bei der Hand, „es ist schon gut. Mach den Ausritt mit deinem Bruder. Wahrscheinlich hat er recht und ich verschwende nur deine Zeit.“

„Unsinn“, schnappte Éowyn. „Komm, wir gehen auf den Übungsplatz. Die Männer dürften jetzt Mittag machen. Die nächsten zwei Stunden gehört der Platz uns.“ Und damit riss Éowyn ihre Freundin einfach mit sich und ließ ihren Bruder vollkommen konsterniert zurück.

~

Éomer musste zugeben, dass seine Schwester ihn positiv überraschte. Sie trug an diesem Tag Hosen, wie ein Mann und führte das Schwert mit so sicherer Hand, als würde sie seit Jahren nichts anderes tun. Ihre Freundin tat sich ein wenig schwer, sich in dem viel zu langen Rock einigermaßen elegant zu bewegen, doch auch sie wirkte nicht so verloren, wie er angenommen hatte. Er hoffte allerdings inständig, dass es niemals so weit kommen würde, dass seine Schwester und andere Frauen in den Kampf ziehen und Rohan gegen Saurons Schergen verteidigen müssten. Denn dies würde bedeuten, dass die Éored versagt hätten.

Für eine Weile beobachtete er die beiden jungen Frauen bei ihrem Training. Éowyn ignorierte seine Anwesenheit scheinbar bewusst. Sie war so stur wie schön, dachte Éomer bei sich. Ob sie das von ihrer Mutter geerbt hatte? Er wünschte, dass er sich besser an ihre Mutter erinnern konnte. Er wusste so wenig von ihr. Ebenso wenig von seinem Vater, der viel zu früh gefallen war. Und nun stand er hier und sah seiner jüngeren Schwester dabei zu, wie sie zu einer Kriegerin wurde. Seine geliebte kleine Schwester … Er war viel zu lange fort gewesen, stellte er ernüchtert fest. Sie hatte sich verändert, so wie er sich verändert hatte. Sie waren beide nicht mehr die Kinder, deren Wege sich vor all den Jahren getrennt hatten.

Aber es gab eine Möglichkeit das Versäumte wieder aufzuholen. Er musste herausfinden, was mit ihren Briefen geschehen war. Jemand hatte verhindert, dass sie sich über das jeweilige Leben auf dem Laufenden hielten. Jemand, der ihre innige Verbindung brechen wollte. Éomer wollte niemand anderes als Gríma dafür einfallen. Doch Schlangenzunge war ein geschickter Lügner, ein gewiefter und manipulativer Mann, der den Respekt und Schutz des Königs genoss. Éomer wusste, dass er Gríma nicht einfach mit Vorwürfen konfrontieren durfte, ohne Beweise zu haben.

Und so machte sich der junge Marshall auf den Weg zum Postmeister von Edoras. Vielleicht würde er dort einige Antworten erhalten. Mit Éowyn würde er sich zu gegebener Zeit wieder unterhalten, wenn sich ihr Gemüt beruhigt hatte. Im Augenblick war sie wütend auf ihn, das war nicht zu übersehen. Und so ließ er sie und ihre Freundin auf dem Trainingsplatz zurück und begab sich zum südlichen Eingang der Stadt, vor dem sich die Hügelgräber seiner Vorfahren befanden.

Während er durch die Stadt ging, wurde er von allen Seiten respektvoll begrüßt. Einige Leuten schienen sogar regelrecht froh zu sein, ihn wieder genesen zu sehen. Und er glaubte auch zu wissen, wo die Stimmung des Volkes herrührte. Der König war in keiner guten Verfassung, schien krank und vergesslich geworden zu sein. Hinzu kam der Einfluss, den Schlangenzunge auf den König ausübte. Éomer musste es geschickt anstellen, wenn er Gríma diskreditieren wollte. Er musste dabei genauso hinterhältig und geschickt sein wie Schlangenzunge. Nur was Éomer noch nicht begriff, war die Intension, die hinter Grímas Einfluss auf den König steckte. Erhoffte sich Schlangenzunge den Thron? Falls ja, konnte Éomer nur darüber lachen. Théodred würde sich nicht so leicht von Schlangenzunge einlullen lassen.

Der König hatte Gríma viel zu sehr intervenieren lassen. Es war, als spreche nicht mehr der König selbst, sondern Schlangenzunge, sobald Théoden den Mund öffnete. Der Einfluss des Beraters war allzu erschreckend. Aber Éomer war so lange fort gewesen, dass er nicht wusste, wie er seinem König jetzt noch helfen konnte. Es gab kaum einen Moment allein mit seinem Onkel, stets war Gríma an seiner Seite. Wie eine Zecke, die sich in sein Fleisch verbissen hatte, es vergiftete und ihm den Lebenssaft entzog …

Éomer blieb abrupt stehen und wandte sich nach Meduseld, der Goldenen Halle, um. Hoch oben auf dem Hügel thronte die schönste aller Methallen Rohans. Sein besorgter Blick galt jedoch nicht dem Gebäude selbst, sondern vielmehr dem König, dessen Geist von Tag zu Tag schwand. Wo war der stolze König von einst, der ihm und seiner Schwester Obhut und Liebe hatte zuteilwerden lassen? Wo war der Onkel, der sie beide getröstet und wie ein Vater geliebt hatte? Théodens geistige Umnachtung kam nicht von ungefähr. Éomer glaubte, dass Gríma zumindest eine Teilschuld an des Königs Zustand hatte. Allerdings war Gríma, Sohn Gálmóds, ein verhältnismäßig einfacher und nicht unbedingt der klügste Mann. Warum Théoden ihn und nicht Gamling oder einen der anderen Heerführer zu seiner rechten Hand erwählt hatte, würde wohl ein ewiges Mysterium für Éomer bleiben.

Schließlich legte er die letzten Schritte zurück und erreichte das Haus des Postmeisters. Er klopfte beherzt an die Tür und musste sich nicht allzu lange gedulden, ehe ihm die Tür geöffnet wurde.

„Mein Herr Éomer!“ Sofort verneigte sich der Postmeister. „Was kann ich für Euch tun, Herr?“

Éomer bemühte sich sachlich zu klingen, als er sein Anliegen preisgab. „Ich habe meiner Schwester in den vergangenen Jahren mehrere duzend Briefe geschickt, die sie jedoch niemals erreicht haben. Nun wollte ich mich erkundigen, ob Ihr eine Ahnung habt, wo sich die Schriftstücke befinden. Ebenso sind mir keine Briefe zugestellt worden, die meine Schwester mir geschrieben hat. Da ich jedoch im Schriftwechsel mit dem König war und auch mit meinem Vetter Théodred, glaube ich nicht, dass die Briefe unterwegs abgefangen worden sind. Wieso sollten sie auch? Es sind nur private Schriftstücke zwischen Geschwistern, die nichts als alltägliche Banalitäten beinhalteten und nicht etwa militärische Geheimnisse.“

Der Postmeister schluckte sichtbar schwer und vermied den Augenkontakt zu Éomer. „Sprecht“, verlangte der junge Marshall. „Was wisst Ihr über den Verbleib der Schriftwechsel zwischen meiner Schwester und mir? Ich verspreche, dass ich Euch gegenüber Nachsicht werden walten lassen, wenn Ihr die Wahrheit sagt.“

Der Postmeister, ein älterer Mann, der bereits in der dritten Generation diesen Posten bekleidete, sah bedrückt zu Boden. Er befeuchtete nervös seine Lippen und presste diese schließlich aufeinander. „Bitte kommt herein“, sagte er dann und öffnete die Tür weit genug, dass Éomer in die kleine Hütte eintreten konnte.

In der Stube standen mehrere Holzkisten unter dem einzigen Fenster, in denen sich diverse Briefe sammelten. Eine Kiste war mit Wildermark gekennzeichnet, eines der nördlichsten Gebiete Rohans. Eine Kiste mit Steppe, dem so ziemlich nordöstlichsten Ausläufer Rohans, der sich auf der einen Seite fast bis an die Grenzen zu den Wäldern Lothlóriens erstreckte und auf der anderen Seite vom Großen Fluss eingesäumt wurde. Eine Kiste war darüber hinaus für die Ost- und eine für die Westfold.

„Sind die Briefe in diesen Kisten?“, verlangte Éomer zu erfahren. „Wo habt Ihr sie gelassen?“

Der Mann schien sichtlich beschämt aufgrund seiner vergangenen Taten. „Ich bitte tunlichst um Vergebung, mein Herr Éomer. Ich bin nicht mehr im Besitz der Schriften. Sie wurden regelmäßig abgeholt …“ Der Postmeister bot Éomer einen Stuhl an, während er selbst vor dem Marshall auf die Knie ging und um Vergebung suchte.

Éomer konnte kaum glauben, dass der Postmeister sich ihm so leicht öffnete, und nahm auf dem dargebotenen Stuhl Platz. Er hatte geglaubt, oder vielleicht sogar gehofft, dass er sich irrte und dieser Weg sich als Sackgasse erweisen würde. Doch der Mann vor ihm war voller Reue und geständig und so wollte Éomer ihm die Möglichkeit der Erklärung geben. „Wer hat Euch dazu gebracht, die Briefe einzubehalten? Was war der Preis, den man Euch dafür bot.“

Tränen der Scham sammelten sich in den Augenwinkeln des Postmeisters, doch er antwortete diesmal erhobenen Hauptes, fast schon erleichtert, dass er endlich ertappt worden war und womöglich in der Hoffnung, dass dieser Niedertracht endlich ein Ende bereitet wurde. „Der Berater des Königs hat verlangt, dass ich Eure Briefe und die der Herrin Éowyn einbehalte und ihm übergebe. Er drohte meiner Familie, mein Herr. Ich habe eine kranke Frau, drei Kinder und sechs Enkelkinder. Er versprach mir Heilung für meine Frau …“ Der Mann schluchzte und versuchte erst gar nicht den Strom an Tränen zu unterdrücken.

Éomer zwang sich standhaft zu bleiben, auch wenn ihm der Mann leidtat. Was er getan hatte, war tiefes Unrecht. „Hat Gríma sein Wort wenigstens gehalten?“

Die Stimme des Postmeisters brach, während er kopfschüttelnd antwortete: „Meine Mechthild liegt im Sterben. Ich kann mir den Heiler nicht leisten.“

„Ich schicke den Heiler sofort zu Euch“, versprach Éomer. „Gebt mir dafür Euer Wort, dass Ihr mich sofort informiert, sollte Gríma wieder einen Brief der Königsfamilie einbehalten. Egal ob er vom König stammt, von Éowyn, Théodred oder mir. Ich schütze Euch und Eure Familie, aber ich verlange Eure bedingungslose Treue des Königshauses gegenüber.“

„Ich schwöre bei meinem Leben und das meine Familie, dass ich Euch niemals wieder hintergehen und Euch Briefe vorenthalten werde. Habt Dank, Herr Éomer! Alles was mir lieb und teuer ist, ist Euer.“ Er griff nach Éomers Hand und küsste seinen Handrücken.

„Ich vergebe Euch“, ließ sich der junge Marshall vernehmen, legte die freie Hand auf das Haupt des Mannes und gebot diesem schließlich, sich zu erheben. Sobald der Postmeister auf den Füßen war, erhob auch Éomer sich wieder von dem Stuhl. „Erwartet den Heiler in der nächsten Stunde.“ Damit wandte er sich zum Gehen und war schon halb zur Tür hinaus, als der Postmeister noch einmal seine Aufmerksamkeit forderte.

„Herr Éomer, vielleicht ist es bedeutungslos, doch ich habe den Berater vor einigen Monaten mit dem Weißen Zauberer gesehen. Gríma hat ihn zum Haupttor begleitet. Sie schienen sich gut zu verstehen, sprachen sehr leise miteinander. Ich konnte sie nicht verstehen, aber sie wirkten … einig.“

„Eine Verschwörung … mit Saruman …“ Éomer schwirrte der Kopf. Was mochte Saruman mit Gríma zu schaffen haben? Der junge Marshall nickte dem Postmeister zu. „Seid vorsichtig …“

„Ihr ebenso, Herr Éomer. Und habt Dank für … alles.“

Die beiden Männer sahen sich noch einen Moment in die Augen, dann trat Éomer hinaus auf die Straßen Edoras‘ und machte sich auf den Weg zu Dernulf. Er war der kundigste Heiler in ganz Edoras, der sonst vorwiegend die Königsfamilie behandelte. Wenn er der Frau des Postmeisters nicht würde helfen können, dann vermochte es niemand mehr.

Éomer war überdies wild entschlossen die einbehaltenen Briefe von Gríma einzufordern, auf die eine oder andere Weise …


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