Er lief so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Sie verfolgten ihn, und sie würden ihn auch finden. Ein Versteck musste her, ein gutes Versteck, denn es war nicht mehr viel von seinem menschlichen Äußeren vorhanden. Bei einem Experiment, das er finanziert hatte und sie auf seinen Wunsch gemacht hatten, war etwas schief gegangen. Da sie keinen geeigneten Pedanten für diesen Test gefunden hatten, hatten sie ihn überwältigt. Sein Profil war ideal dafür gewesen. Alles Wehren seinerseits war zwecklos gewesen und im Nichts verlaufen. Er konnte immer noch nicht begreifen, dass seine eigenen Leute sich gegen ihn gestellt hatten. Sie hatten ihn überwältigt, auf eine Bahre geschnallt und ihm Schmerzen ausgesetzt, die er nicht einmal seinem ärgsten Feind gewünscht hätte.
Lange hatte er mit Besinnungslosigkeit, Schmerz und Übelkeit kämpfen müssen, dann war er wieder zu sich gekommen, hatte sich stärker gefühlt, mutiger und voller Elan.
Zu seinem eigenen Erstaunen hatte er die Lederbänder, die seine Hände an der Bahre hielten mit einer kleinen Bewegung zerrissen.
Wütend hatte er das Labor zerstört, hatte die Männer, die ihn festhalten wollten, einfach so gegen die Wand geschleudert.
Hätte er geahnt, was ihn antrieb. Hätte er geahnt, was aus ihm geworden war, er hätte sich selbst vernichtet.
Der Blick in einen sich spiegelnden Gegenstand hatte ihm offenbart, welch hässliche abartige Kreatur er geworden war. Ein Wesen, dessen Äußeres nichts - aber auch rein nichts mehr - mit einem Menschen ähnlich hatte.
Wie eine Furie hatte er zerstört, was er zerstören konnte, war geflohen in die Dunkelheit der Tunnel und Gänge unter Sunnydale.
Eigentlich hatte er nur Frieden wollen. In Frieden dahin vegetieren, doch sie begannen ihn zu jagen. Zu jagen, als wäre er ein Tier, ein Monster und nicht einer ihrer führenden Wissenschaftler.
Und zu allem Übel verfolgten ihn mit einem Male nicht nur die Männer der Initiative, nein, auch die Jägerin begann ihn zu jagen, unwissend, wer er eigentlich war.
So rannte er um sein Leben, rannte durch Sunnydale und hinterließ in seiner Wut einen Pfad der Zerstörung.
Wer waren die, ihn zu richten? Sie hatten ihn erschaffen. Sie würden zu Grunde gehen. Er musste lediglich Verbündete finden.
Zu seinem Glück war die Jägerin irgendwann von der Initiative außer Gefecht gesetzt worden, doch dieser elendige blonde Vampir, dieser Freak, der ständig an ihrer Seite weilte, er folgte ihm weiter unablässig. Es schien ihm fast, als würde er ihn keinen Augenblick aus den Augen verlieren. Lächerlich, ein Vampir, der die Arbeit einer Jägerin verrichtete. Und doch war dieser Kerl lästig, ja fast lästiger als alle anderen Verfolger.
Wenn es ihm doch nur gelingen würde, ihn abzuschütteln.
~
"Reichst Du mir bitte mal das Brot, Wes?" Cordelia, Gunn und Wesley hatten sich den Tisch im ehemaligen Restaurant des Hotel Hyperion gedeckt, um sich ein einmaliges Frühstück zu gönnen. Der Tisch war voll gestellt mit allen möglichen Leckereien. Knuspriger Speck verströmte seinen deftigen Geruch, während knackige Tomaten mit ihrer leuchtend roten Farbe lockten.
Cordelia biss genüsslich in eine Scheibe Schwarzbrot mit Quark und Gurke, während Gunn sich zwei Scheiben Speck auf den Teller schaufelte. Wesley hingegen nahm einen kräftigen Schluck Kaffee und schloss genießerisch die Augen. "Wisst ihr, so sollte es immer sein!"
"Ja, ein bisschen Luxus ist immer gut!", erklärte Cordelia.
"Und die Ruhe nach einem Kampf", ergänzte Gunn.
"Du hast doch gar nicht gekämpft", setzte sie sich ruckartig auf. "Wir mussten diese ekligen stinkenden Tentakel ertragen!"
"Schon gut, so hab ich das ja gar nicht gemeint!" Gunn rollte mit den Augen und griff nach dem Rührei.
"Hört auf ihr zwei!", ging Wesley dazwischen und goss sich Kaffee nach, "ihr könnt einem auch jeden friedlichen Augenblick kaputt machen. Könnt ihr nicht mal fünf Minuten nicht miteinander streiten?"
In diesem Augenblick wehte ein kalter Wind durch den Raum und ließ die drei Protagonisten frieren.
Ohne groß darüber nachzudenken sahen sie alle zur Tür. Es war ein untrüglicher Instinkt. Und kaum eine halbe Minute später betrat Angel den Raum, knallte eine Zeitung auf den Tisch und stibitzte Cordelia eine der Gurkenscheiben vom Brot, ehe er sich setzte.
"Hey!" Sie schlug ihm auf die Finger und sah ihn erbost an. "Ich stecke auch keinen Strohhalm in dein Glas Blut und nehme einen Zug."
Gunn verzog angewidert das Gesicht ob des Vergleiches, während der Vampir die junge Frau irritiert ansah.
Wesley hingegen stellte eine berechtigte Frage in den Raum: "Seid wann hast du das Bedürfnis etwas zu essen?"
Noch bevor Angel antworten konnte, griff Gunn sich die Zeitung vom Tisch und begann die erste Seite zu studieren.
"Morgen Allerseits!", erklärte der Vampir schließlich in die Runde und sah dabei Cordelia beschwichtigend an.
Sie griff hinter sich und reichte ihm ein Glas Blut, welches sie für ihn kaltgestellt hatte. Dankend nahm er es entgegen.
"Also, was gibt es neues in der Welt dort draußen?", Gunn ließ seinen Blick über die Überschriften der Zeitung fliegen.
"Einige Morde in Melrose, merkwürdige Vorkommnisse in der City und einen verheerenden Waldbrand an der Stadtgrenze."
"Du klingst reichlich nüchtern." Wesley stellte seinen Kaffee zur Seite und rückte seine Brille zurrecht.
"Nun ja", Angel nahm einen Schluck der roten Flüssigkeit, "es ist nichts, was uns betrifft."
"Sicher?" Gunn sah ihn fragend an und tippte auf einen der Artikel. "Bestialisch ermordete Menschen finde ich doch recht AI-like."
Cordelia grinste, wie sie es immer tat, wenn Gunn sein neues Lieblingswort benutze.
"Ich war bereits dort. Kate konnte mir den Hinweis geben, dass diesmal nichts Dämonisches oder Außergewöhnliches in Gange war. Es schien sich in den zwei Fällen um einen menschlichen Täter zu handeln. Er ist sogar bereits gefasst." Angel lehnte sich zurück.
"Nichts gegen Kate", Wesley blinzelte kurz, "sie hat uns gerettet. Allerdings bin ich schon überrascht, dass du auf Kates Worte in Hinsicht auf außergewöhnliche Fälle vertraust. Kate hat immerhin nicht die langjährige Erfahrung, die man für diesen Job mitbringen muss. Nicht einmal Gunn hat sie nach all der Zeit."
"Hey!" Gunn sah ihn protestierend an und wechselte dann einen Blick mit Cordelia, die ihre Hände abwehrend hob.
"Sieh mich nicht so an, Gunn. Dank Sunnydale rieche ich Dämonen bereits aus einem Kilometer Entfernung."
"So wie Doyle?", zog Angel sie auf und erntete einen Hieb in die Seite.
"Das ist was ganz anderes. Doyle war kein normaler Dämon."
"Nein, ganz und gar nicht", flachste Angel und zwinkerte ihr zu.
"Könnten wir vielleicht mal wieder zum Thema zurückkommen?", warf Wes freundlich aber bestimmend ein.
Angel, Cordy und Gunn sahen ihn erwartungsvoll an.
"Und? Was denkst du, sollten wir tun?" Angel sah ihn abwartend an.
"Wir sollten uns die Opfer nochmals ansehen." Wesley nahm Gunn die Zeitung aus der Hand und betrachtete den Artikel.
"Das heißt, wir müssen ins Leichenschauhaus einbrechen?" Der junge Schwarze sah ihn skeptisch an.
"Ohhh…." Im gleichen Moment stöhnte Cordelia auf und begann mit ihrem Stuhl zu kippen. Geistesgegenwärtig griff Angel nach der Lehne und verhinderte ein Umkippen, doch er konnte nicht verhindern, dass die junge Frau mit einem ihrer Arme einige der Gegenstände vom Tisch zu Boden riss.
Klirrend und scheppernd gingen Teile des Geschirrs zu Bruch, während sie ihre eine Hand an die Stirn presste und mit der anderen Angels Hand zu zerquetschen drohte.
Angel kniff die Augen zusammen und versuchte nicht zu jammern. Himmel, er hatte nicht geahnt, wie viel Kraft in der kleinen Person steckten.
Dann war die Vision so schnell wieder vorbei wie sie gekommen war. Cordelia entspannte sich sichtlich und fiel nahezu schlaff in Angels tröstende Umarmung.
"Cordy, was hast du gesehen?" Wes sah sie besorgt und neugierig zu gleich an.
"Dass ihr keine Leichenhalle mehr plündern müsst…" Ihre geröteten Augen fixierten kurzfristig Wesleys, ehe dieser besorgt zu Angel aufsah.
~
Während Wesley mit einem Stock im Müll stocherte, ließ Gunn den Lichtstrahl seiner Taschenlampe durch eines der verdreckten Fenster scheinen.
"Hast du irgendwas gefunden?" Gunn drehte sich zu Wes um.
"Nicht das geringste. Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht so recht, wonach ich suchen soll. Wir wissen nicht, was geschehen wird und wann es geschehen wird. Cordelias Vision war sehr vage diesmal."
Eine Tür quietschte und Angel verließ das alte Lagerhaus. Mit einem kurzen Blick an sich hinab, begutachtete er sein Äußeres und begann anschließend seinen Ledermantel auszuklopfen.
"Was auch immer Cordelia gesehen hat, es ist noch nicht aufgetaucht oder schon lange wieder weg. Drinnen ist rein gar nichts. Habt ihr hier draußen vielleicht was gefunden?" Angel sah zu Wes und Gunn hinüber. Beide schüttelten den Kopf.
"Ich würde sagen, dann kehren wir wieder um. Es hat keinen Sinn, sich hier die ganze Nacht um die Ohren zu schlagen." Angel ließ die Arme an seinen Seiten hinunter baumeln und sah resigniert in die Runde.
Gunn nickte kurz, während Wesley seufzend seine Brille zurrecht schob. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Cordelia eine Vision hat, die nicht eintritt. Das ergibt keinen Sinn."
"Ist dir schon mal aufgefallen, dass in letzter Zeit wenig einen Sinn ergibt?", brummte Gunn und stieß seinen Freund an. "Jeder dieser Gottverdammten Dämonen ist sinnlos!"
Wes sah Gunn an und schließlich Angel, der gekränkt seine Arme vor der Brust verschränkte.
Gunn wirbelte herum und ließ den Arm mit der Axt matt herunter fallen. "Angel… so hatte ich das nicht gemeint… ich hatte das nicht auf dich bezogen."
"Schon klar", erwiderte dieser und zog die Augenbrauen hoch.
"Ich wollte damit doch nur sagen…" Gunn kam nicht zu ende. Im selben Augenblick als er seine letzten Worte sprechen wollte, erklang von Wesley ein Warnruf, der sie alle in eine Richtung blicken ließ.
Gunns Hand mit der Axt war in rasender Geschwindigkeit wieder oben und angriffsbereit, während Wesley zur Seite sprang und ein merkwürdiges Wesen durchließ, welches Angel anrempelte, aber nicht umstieß.
Im ersten Augenblick verwirrt, sahen sie hinterher, dann wurden sie fast von einer zweiten Person über den Haufen gerannt und ihre Blicke gingen wieder in die andere Richtung.
Die Person sah die drei und bremste ihren Lauf abrupt ab, so dass sie fast gestolpert wäre.
Entgeistert starrten sie einander an. Angel blinzelte und kniff schließlich die Augen zusammen, während Wes den Mund nur kurz auf und dann wieder zu machte.
Gunn sah irritiert von einem zum anderen, dann erklang Angels feindselige Stimme:
"Spike!"
~
Cordelia schlug das Buch zu und sah auf. Irgendetwas hatte sie gehört. Nur ein feines leichtes Geräusch. Nichts, was wirklich auffiel. Dennoch hatte sie es vernommen. Es gehörte nicht hierher. Nicht ins Hyperion, das mit seinen alten Mauern genügend eigene Geräusche von sich gab.
Einen kurzen Augenblick lauschte sie noch, doch das Geräusch war weg. Seufzend stand sie auf und legte das Buch beiseite. Die Migräne pochte noch immer hinter ihren Schläfen. Sie würde wohl oder übel noch eine weitere Tablette schlucken müssen.
Mit hängendem Kopf und sich den Nacken reibend, verließ sie das Büro von Wesley und ging hinter die Theke, wo sie ihre Tabletten in der Schublade aufbewahrte.
"Alles okay?"
Cordelia zuckte zusammen und tastete Halt suchend nach der Theke, während sie erschrocken herumwirbelte.
Mit einer fast theatralischen Geste fasste sie sich an ihre Brust und schloss für eine winzige Sekunde die Augen.
"Lindsay! Was zum Teufel tun sie hier?" Ihre Stimme klang nicht ärgerlich, aber mehr oder weniger entsetzt.
"Ich wollte sehen, wie es ihnen geht." Er saß in der Mitte der Halle auf dem Couchrondell, so als sei es das Natürlichste auf der Welt.
"Ich wäre fast an einem Herzinfarkt gestorben, aber ansonsten geht es mir gut", zischte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Touché", erwiderte Lindsay und klopfte auf den freien Platz neben sich.
Cordelia sah ihn einen Augenblick lang nachdenklich an, dann stieß sie sich von der Theke ab und ging auf ihn zu, setzte sich jedoch nicht.
"Sie haben noch immer Angst vor mir Cordelia", stellte er nüchtern fest.
"Was erwarten sie, Lindsay, sie gehören Wolfram & Hart an. Da ist es doch kein Wunder, dass ich misstrauisch bin."
Er lächelte und klopfte noch einmal auf den freien Platz neben sich. Diesmal zögerte die Seherin nicht mehr so lange und setzte sich vorsichtig neben ihren Kontrahenten.
"Und warum sind sie wirklich hier?"
Er lächelte und nahm ihre Hand vorsichtig in seine. Erst wollte Cordelia sie ihm entziehen, doch dann ließ sie es geschehen. Es fühlte sich irgendwie vertraut an. Angenehm warm.
"Ich bin hier, weil ich möchte, dass sie mir endlich vertrauen."
"Lindsay, ich…" Sie entzog ihm ihre Hand und versuchte aufzustehen, doch er umfasste ihr Gesicht und zog sie zu einem kurzen, aber eindeutigen Kuss zu sich heran.
Cordelia starrte ihn fassungslos an, sprang von der Couch auf und blieb stehen. Sie war sich nicht im Klaren darüber, ob sie wegrennen oder ihn zur Rede stellen sollte.
Schließlich entschloss sie sich zu letzterem. "Angel hat mir gesagt, dass sie mich als ihr Eigentum wollten. Er hat mir auch von ihrem Pakt erzählt. Aber ich lasse mich nicht ausnutzen und benutzen ebenso wenig!"
Zwischen Wut und Verzweiflung schwankend schritt sie vor ihm auf und ab.
"Cordelia, ich will sie nicht ausnutzen!" Er stand ebenfalls auf, blieb jedoch auf seiner Position.
"Wieso sollte ich ihnen glauben, wieso?" Ihre Stimme hatte einen leicht hysterischen Klang.
"Weil ich die Wahrheit sage." Er machte einen Schritt auf sie zu und sie machte einen rückwärts. "Cordy!"
"Nennen sie mich nicht so!", fauchte sie ihn an.
"Verdammt, Cordelia!" Seine Hände schnellten vor und packten sie an ihren Oberarmen. Mit einem kräftigen Ruck zog er sie in seine Arme und küsste sie erneut. Diesmal fester, inniger.
Cordelia ließ es geschehen, wehrte sich nicht. In ihrem Inneren tobte ein Sturm.
Und so stand sie lediglich mit funkelnden Augen da, als er sie so plötzlich, wie er sie in die Arme gezogen hatte, auch wieder losließ und kehrt machte, aus dem Raum stürmte und ohne ein weiteres Wort verschwand.
~
"Was tust du hier?" Wesleys Stimme war fast genauso feindselig wie die von Angel.
"Das geht euch einen feuchten Dreck an." Spikes Stimme klang abwertend wie eh und je.
"Wenn du in L.A. bist, geht mich das auf jeden Fall etwas an", erwiderte Angel und stellte sich dem anderen Vampir in den Weg.
"Keine Bange, Angelboy, ich werde dir deine Stadt schon nicht durcheinander bringen. Ich will nur das Monster erledigen, dann bin ich schon wieder weg."
"Das Monster?" Angel, Wes und Gunn sahen einander an.
"Was…" Angel verstummte, als er sich wieder umsah. Spike war spurlos verschwunden.
Gunn räusperte sich und ließ seine Axt sinken: "Das war also der berühmte Spike?"
"Berüchtigt", korrigierte Wesley und rieb sich die Nasenflügel. "Angel, könnte es sein, dass er dasselbe Wesen verfolgt, was wir suchen?"
"Hey, ich dachte Spike wäre ein Vampir. Einer ohne Seele, einer von der fiesen Sorte? Wieso sollte er dann die gleichen Wesen jagen wie wir?" Gunn kratzte sich am Kopf und sah verwirrt in die Runde.
"Es gibt in Sunnydale etwas wie eine militärische Geheimorganisation, die sich Initiative nennt. Sie haben Spike einen Chip eingesetzt, der ihn daran hindert, Menschen zu beißen. Er kann ihnen nicht mal einen Schlag verpassen, dann schmerzt es schon. Bei Dämonen ist es allerdings was anderes. Die kann er schlagen und so weit ich weiß, ist es zu seinem Hobby geworden, auf Dämonenjagd zu gehen", erklärte Wesley die etwas heikle Situation.
"Also spielt er jetzt sozusagen den Guten?!" Gunn sah nachdenklich in die Runde.
"Er ist böse, hinterhältig und gewissenlos, egal was für ein Chip da in seinem Kopf stecken mag!", zischte Angel und machte auf dem Absatz kehrt.
"Uh… ich sag ja schon nichts mehr!", erwiderte Gunn gedehnt und sah zu Wes hinüber, der seine Mundwinkel ein wenig verzog. Er schien sich Sorgen zu machen.
~
"Jungs, wie war der Ausflug? Habt ihr etwas herausfinden können? Sind die Bösen ordentlich vermöbelt worden?" Cordelias Stimme klang ein wenig zu aufgesetzt und aufgedreht für Wesleys Geschmack, doch er unterließ jeden Kommentar und begleitete Gunn zum Waffenschrank, um ihr Handgepäck zu verstauen.
"Deine Vision hat uns nur Ärger beschert", erklärte Gunn und sah über die Schulter zu Cordelia hinüber, die nervös mit ihren Fingern spielte.
"Ärger?" Jetzt schien sie hellhörig geworden zu sein.
"Spike ist in der Stadt!", klärte Wesley sie auf und schloss den Schrank.
"Ich glaube, ich habe was mit den Ohren. Okay, Wesley, wer sagtest du, ist in der Stadt?" Sie schüttelte kurz den Kopf und sah ihn dann wieder lächelnd an.
"Du hast schon richtig gehört." Angels Stimme klang von der Treppe her und alle Augenpaare richteten sich augenblicklich auf ihn.
"Spike? Unser Spike? Sunnydale-Spike?" Cordelia riss die Augen auf und sah ihn ungläubig an.
"Ich wünschte, du würdest den Namen nicht so oft wiederholen!", brummte Angel mit zusammen gebissenen Zähnen.
"Oh… schon okay!" Sie hob entschuldigend die Hände und drehte sich in Wesleys Richtung. "Okay, Wes, erklär du mir, was zur Hölle los ist."
"Deine Vision hat uns an einen völlig leeren Ort gebracht. Dort war nichts…"
"Bis plötzlich ein Wesen an uns vorbei rauschte und schließlich Spike da stand", ergänzte Gunn Wesleys Antwort.
"Er schien das Wesen zu verfolgen", erklärte nunmehr wieder Wes, "allerdings wissen wir immer noch nicht was es ist."
"Das sollte unser geringstes Problem sein." Cordelia griff nach dem Telefonhörer und hielt ihn hoch.
~
Spikes Faust donnerte mit roher Gewalt in den Stein. "Ahhh… verflucht!", jammerte der Vampir auf und schüttelte seine Hand, die für einen Augenblick höllisch schmerzte.
Im selben Moment, als er wieder aufsah und glaubte, sich im Griff zu haben, prallte eine Faust in seinen Magen, schleuderte ihn einige Meter an eine Wand und ließ ihn dort dumpf aufschlagen.
Hustend und keuchend versuchte der blonde Vampir wieder in Schwung zu kommen, doch es schien als sei jeder Knochen in seinem untoten Körper gebrochen.
Während er ächzend auf die Beine zurück taumelte, landete der nächste Schlag in seinem Gesicht. Sein Kopf knickte zur Seite weg und aus einer offenen Wunde tropfte zähes dunkles Blut.
Augenblicklich verwandelte sich das Gesicht des blonden Vampirs in seine dämonische Fratze.
Er stieß sich ab und rannte auf das Monster zu, versenkte seine Fäuste in dessen Gesicht, in dessen Magen, doch nichts schien es aufzuhalten. Jeder Schlag tat Spike mehr weh, als dem Monster. Er schien gänzlich machtlos.
"Das kann doch nicht sein!", fluchte er und versuchte einen letzten Schlag, dann wich er taumelnd zurück und trat den Rückzug an. Er hatte keine Chance. Nicht so.
~
Wesley saß mit geschlossenen Augen auf dem Couchrondell, während Gunn seine Axt liebevoll polierte. Cordelia kam aus dem kleinen Büro und ließ einen Stift und einen Notizblock auf dem Tresen fallen.
Wes schlug die Augen auf und noch ehe Angel, der am Tresen gestanden und gewartet hatte, etwas sagen konnte, hatte er auch schon seine Frage gestellt. "Was haben sie gesagt?"
"Es scheint komplizierter als wir dachten. Erinnert ihr euch noch an Adam, dieses künstlich von der Initiative geschaffene Wesen? Nun, scheinbar ist unser derzeitiger Gegner eben genauso ein Wesen. Nicht Adam, aber ein mehr oder weniger verunglücktes Experiment mit Superkräften", erklärte Cordelia und sah betrübt in die Runde.
"Wie kann ich es vernichten", war der einzige Kommentar von Angel.
"Angel, es hat sogar Buffy außer Gefecht gesetzt. Allein schaffst du das nicht!" Ihre Stimme klang nunmehr weniger betrübt, denn besorgt.
"Ah ja, aber Spike schafft es allein?!" Angel kniff die Augen zusammen, als eine Stimme ihm seine Frage aus dem Hintergrund beantwortete.
"Nein, tut er nicht."
"Spike?" Cordelia sah ihn mit einer Mischung von Entsetzen und Erstaunen an, während Wesley erschrocken von seiner liegenden Position aufsprang.
"Du verdammter…" Angel ballte seine Fäuste, lockerte sie dann jedoch wieder und verschränkte seine Arme vor der Brust. "Was willst du hier?"
"Deine Hilfe!", erklärte Spike trocken und kam die Treppenstufen vom Eingang hinunter, "und keine Kommentare bitte, es ist demütigend genug, dich darum zu bitten."
Gunn und Cordelia sahen einander erstaunt an, während Wesley unbewusst nach hinten wich, als der blonde Vampir auf ihn zukam.
Angel streckte die Hände zu den Seiten und zuckte mit den Schultern. "Warum sollte ich dir helfen?"
"Weil du das Monstrum genauso erledigen willst wie ich", erwiderte Spike und näherte sich unaufhaltsam weiter.
"Wer sagt dir das?" Angels Stimme klang gereizt.
Spike deutete mit seinen Finger auf Cordelia und zog die Augenbrauen hoch.
Angel drehte sich in ihre Richtung und sah sie fragend an.
"Halt, halt, ich habe ihm gar nichts gesagt!", verteidigte sich die brünette Seherin und hob abwehrend die Hände.
"Wir haben in Sunnydale angerufen. Noch Fragen?", klärte Wes die Runde auf.
"Aber wie zum Teufel..." Cordelia legte den Kopf schief und rollte mit den Augen, als Spike ein Handy hochhielt.
"Willkommen in der Welt der Schnurlosen Kommunikation!" Er grinste süffisant, legte dieses Grinsen jedoch schnell wieder ab und sah seinen Gegenüber mit zusammen gekniffenen Augen an. "Okay, Angel, wir sind keine Freunde, waren nie welche, aber glaubst du, wir können dieses Monstrum gemeinsam erledigen?"
"Dazu brauche ich dich nicht. Mit Verlierern arbeite ich nicht zusammen", zischte der andere Vampir und ehe einer der Truppe schalten konnte, stürzte sich Spike wutentbrannt auf Angel und riss ihn zu Boden.
Augenblicklich schien das Chaos im Foyer des Hyperion auszubrechen. Gunn und Wes brachten sich in Sicherheit als die Körper der zwei Vampire mit einem dumpfen Schlag gegen den Tresen donnerten.
Cordelia hingegen rannte zum Waffenschrank, zückte ein Schwert und schrie: "Auseinander!"
Als keine Reaktion der beiden Kontrahenten erfolgte, ging sie mit erhobenem Schwert auf die beiden zu und stellte sich so nahe sie konnte an sie heran.
"Wenn ihr nicht gleich aufhört, werde ich dieses Schwert zwischen euch stoßen und Glück dem, der es nicht abbekommt. Verstanden!"
Irritiert blieben die beiden regungslos am Boden liegen und sahen die junge Frau an.
"Das würdest du nicht", erwiderte Spike.
"Doch, sie würde!", entgegnete Angel und schob den anderen Vampir von sich. "Und ob sie würde!"
Ein stolzes Lächeln huschte über sein sonst verärgertes Gesicht, dann nahm er ihr das Schwert aus der Hand und warf es Gunn zu, der neben dem Waffenschrank stand.
Spike betrachtete die junge Frau einen Moment lang mit Skepsis und Erstaunen, dann schüttelte er den Kopf und wandte sich wieder Angel zu.
"Also was ist, werden wir zusammenarbeiten?"
"Wir..."
"Ja, das werden wir!", erklärte Cordelia von der Seite her und fuhr damit Angel über den Mund, der sie völlig überrumpelt ansah.
~
Wesley, der sich immer noch nicht so recht mit der Tatsache anfreunden konnte, dass Spike auf ihrer Seite stand - aus was für Gründen auch immer - nickte kurz, ehe er die Frage des blonden Vampirs beantwortete. "Ja, sie hat seherische Fähigkeiten. Die Mächte der Ewigkeit schicken ihr Visionen, die uns zu Vorfällen leiten, die wir verhindern sollen."
"Interessant, Cheergirl ist also nützlich geworden." Spike sah sie von oben bis unten an und erntete einen giftigen Blick.
"Wes, erinnere mich daran, dass ich ihn das nächste Mal gleich pfähle!" Ihre Stimme hatte einen eiskalten Klang.
"Huh... zickig ist sie aber immer noch", zog Spike sie auf und sah prompt in die zusammen gekniffenen Augen von Angel, dessen drohender Blick ihn verstummen ließ.
"Wollen wir das Wesen besiegen oder willst du mein Team schlecht reden? Wenn letzteres zutrifft, solltest du dir schon mal Gedanken darüber machen, wer deinen Ledermantel erbt."
Spike hob abwehrend die Hände und betrachtete Cordelia einmal genauer. Es war schon erstaunlich, dass Angel so gereizt reagierte, wenn er das Cheergirl aufzog. War Buffy etwa nicht mehr die Nummer eins auf Angels Liste?
"Hier sollte es sein!", rief Gunn in diesem Augenblick aus und deutete auf das mehrstöckige Lagerhaus vor ihnen.
"Hier waren wir doch schon mal!", kommentierte Wesley und rückte seine Brille zurrecht. "Warum sollte das Wesen wieder hierher zurück kommen?"
"Weil es vielleicht nicht denkt wie wir", erwiderte Cordelia und sah die Jungs Schulter zuckend an. "Immerhin scheint es unbesiegbar zu sein. Vielleicht weiß es das."
"Gehen wir mal davon aus, was also werden wir jetzt tun?" Spike verschränkte die Arme vor der Brust.
"Warten", war Angels einziger Kommentar.
~
Sie fragten sich, ob er wusste, wie unbesiegbar er war. Ja, er wusste es. Er wusste es genau, schließlich hatte er die Formel berechnet, die ihn zu dem gemacht hatte, was er war.
Er sah hinunter von seiner Position und betrachtete die kleine Ansammlung. Der blonde Vampir war dabei, sowie zwei weitere Männer und eine Frau. Den anderen großen Mann kannte er nicht, aber er wusste instinktiv, dass es sich nicht um einen Menschen handelte. Er konnte sein Blut nicht riechen.
Diese jämmerlichen Gestalten glaubten wirklich, ihn besiegen zu können. Ihn, den Unbesiegbaren.
Und bald war er mächtiger denn bevor. Eine Organisation hatte ihn zu sich gerufen, sie hatten ihm ein Geschäft vorgeschlagen. Ein Geschäft, dass er nicht ablehnen konnte. Er würde mächtiger werden, stärker und er würde eine Organisation im Nacken haben, die ihn unterstützte, unterstützte, um die Initiative zu zerstören, dem Erdboden gleich zu machen. Er würde alles dem Erdboden gleich machen. Alles.
Doch zuerst würde er diese kleine Gruppe vernichten. Aus dem Weg räumen, damit sie ihm nicht mehr im Weg standen.
~
"Wie lange sollen wir denn warten?" Gunn sah gelangweilt in die Runde. Sein Blick blieb an Cordelia hängen, die sich die Schläfen rieb.
"Was siehst du mich so an, Gunn, wenn die mir jedes Mal eine Zeit mit einblenden würden für jede Vision, wäre ich auch dankbar. Dem ist aber nicht so!" Leicht gereizt drehte sie dem Schwarzen den Rücken zu.
Angel seufzte kaum hörbar und lehnte sich lässig gegen die Wand in seinem Rücken, während Spike am Boden saß und mit der kleinen Streitaxt, die er in der Hand hatte, gelangweilt auf dem Boden schlug.
Während Cordy ihn obgleich des monotonen, aber lauten Geräusches entnervt ansah, lauschte Wesley angespannt. Irgendetwas klang merkwürdig.
"Leute, hört ihr das auch?"
"Ja wie denn?", schimpfte Cordelia und deutete auf Spike.
"Was hörst du?" Angel stieß sich ab und versuchte ebenfalls etwas zu verstehen. Mit einem Male standen sie alle da und lauschten.
Dieses merkwürdige Geräusch... ein Zischen, so als würde etwas... fallen!
Ihre Blicke richteten sich fast gleichzeitig nach oben und Wesley schaffte es als einziger noch ein: "Vorsicht!", zu schreien, ehe etwas mit einer gewaltigen Wucht zwischen ihnen aufschlug.
Das Team war in alle Windrichtungen gesprungen und starrte nun auf ihre Mitte, wo sich ein Berg von einem Wesen, etwas einzigartig Erschreckendes und zugleich Mächtiges aufbaute.
"Was zur Hölle...", fluchte Gunn und riss seine Streitaxt in die Höhe.
Cordelia warf ihre kleine Armbrust achtlos zur Seite und griff nach dem Schwert an ihrem Gürtel. Kleinkram nützte hier nichts.
Angel und Spike fackelten nicht lange. Ehe der Rest der Gruppe reagieren konnte, waren sie bereits vorgeprescht und hatten sich auf das Wesen gestürzt.
Ebenso schnell jedoch landeten die beiden Angreifer auch am Boden. Angel rieb sich schmerzend die Stirn, während Spike seine Rippen abtastete.
"Verflucht noch mal!", zischte er und beobachtete, wie die anderen des Teams versuchten den Koloss zu erledigen.
Gunn prallte gegen eine Wand und blieb einen Moment benommen liegen. Wesley wirbelte sein Schwert herum und jagte es in den Arm des Wesens, doch es blieb stecken und die Bewegung des Monsters ließ ihn herumschleudern.
Einzig Cordelia schien es für einen Augenblick zu gelingen, sich gegen das Ungetüm zu behaupten.
Während Angel sich aufraffte, klopfte Spike seinen Mantel ab. "Beachtliche Leistung von der Kleinen!"
Angel sah kurz zu Spike hinüber, erkannte jedoch, dass er durchaus mit Anerkennung gesprochen hatte und nicht mit Hohn. Also nickte er mit einem leichten Lächeln: "Mein Training."
Spike zog die Augenbrauen hoch, erwiderte jedoch nichts und nickte dann, als Angel ein weiteres Mal das Zeichen zum Angriff gab.
Gemeinsam preschten sie erneut vor und stürzten sich auf die verunstaltete Gestalt. Cordelia hieb mit ihrem Schwert zu und Gunn sowie Wesley kamen ihnen zu Hilfe. Gemeinsam gelang es ihnen, den Koloss zum Umkippen zu bringen und als er endlich lag, sich wehrend, aber unter ihnen begraben, zog Spike etwas aus seinem Mantel.
"Was soll das?", Angel starrte die Spritze an.
"Ein Antiserum, was unseren Freund wieder zu dem machen soll, was er war", erklärte Spike und zog die Kappe der Spritze mit seinen Zähnen von der Spitze.
"Woher hast du das Zeug?" Wesley sah ihn fragend an. Spike konnte aus seiner Stimme heraushören, dass er ihm misstraute.
"Buffy hat es organisiert, ehe die Initiative aktiv wurde und sie außer Gefecht setzte."
"Ich dachte, Riley hat sie dort eingeführt", Angel sah ihn mit zusammen gekniffenen Augen an.
"Könntet ihr aufhören zu diskutieren und endlich etwas unternehmen!", schimpfte Cordelia und stemmte sich auf den Arm des Monstrums, das sich zu befreien versuchte.
Spike sah Angel nur einen kurzen Moment noch an, dann stieß er die Nadel in das dichte Gewebe des Monsters und drückte die Flüssigkeit in seinen Körper.
Bewegungslos starrten sie alle auf das Wesen und warteten ab. Was würde geschehen?
Dann ging ein Rucken durch den Körper und die Crew von Angel Investigations entfernte sich ruckartig von ihm. Spike und Angel blieben nebeneinander stehen und sahen fasziniert und doch angriffsbereit auf den zuckenden Körper.
~
Wesley goss sich heißen Kaffee ein, während Cordelia einen Eisbeutel auf ihren Bluterguss am Oberschenkel platzierte. Gunn ließ sich auf das Couchrondell fallen und fuhr mit seinen Händen über das Gesicht, während Angel sein Schwert in den Schrank zurück stellte.
Sie fühlten sich alle erschlagen, müde und kaputt.
"Was hat Spike jetzt mit dem armen Kerl vor?", Cordelia sah Angel an, schlug jedoch Gunn auf die Finger, der ihr den Eisbeutel wegnehmen wollte.
"Er wird ihn nach Sunnydale zurück bringen. Er hat mit Buffy gesprochen. Die wollen ihn dort ins Krankenhaus bringen und durchchecken lassen. Aber ich vermute mal, die Initiative wird sich noch zu Wort melden. Das wird nicht so einfach laufen, wie sie es sich vorstellen."
"Und warum war er in L.A.?" Gunn drehte sich auf die Seite und sah zu Angel hinüber.
"Das kann ich dir auch nicht sagen, ich habe allerdings eine Vermutung", erklärte dieser und rieb sich das Kinn.
~
"Sie haben wieder einen Schützling verloren! Wie konnte das passieren?" Die Stimme war quer über die ganze Etage zu hören. Lindsay hörte das Knallen einer Tür und die nachfolgende Stille. Genüsslich verließ er sein Büro, schlenderte zum Fahrstuhl hinüber und ging an Lilah vorbei, die noch immer mit hochrotem Kopf dastand.
"Hat es mal wieder nicht so geklappt, wie sie es sich vorgestellt haben?", grinste er und drückte den Knopf für die Empfangshalle.
Lilah sah ihn lediglich giftig an, bis sich die Türen des Fahrstuhles schlossen. Dann ballte sie ihre Hände zu Fäusten und presste zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor: "Ich kriege sie schon noch, Lindsay! Irgendwann machen sie einen Fehler und dann werde ich da sein!"…
Ende