Changes von Nadia

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Spoiler: 2.16 The Whole Truth
Sie sah auf ihren Bauch hinab. Noch war nichts zu sehen, aber sie fühlte ganz deutlich, dass hinter der Haut, sicher und warm in ihrem Körper eingebettet, ihr Baby mit jedem Tag, der verging wuchs.

Sun hatte immer geglaubt Claire zu verstehen, die so dringend von der Insel wollte, um das Baby nicht hier zur Welt bringen zu müssen, wo es kein Krankenhaus gab, keine Hebamme, nichts, das einer Frau garantieren konnte, dass das Baby nach der Entbindung bestmöglich versorgt werden würde.

Jetzt verstand sie Claire. Jetzt, wo in ihr selbst Leben heranwuchs, das sie um jeden Preis schützen wollte. Ein Leben, das nicht auf dieser Insel geboren werden sollte, sondern in einem Krankenhaus, in Sicherheit. Hier würde sie noch nicht einmal Ultraschalluntersuchungen machen lassen können, noch nicht einmal die Routineuntersuchungen eines Gynäkologen. Hier gab es außer Jack keinen Arzt. Niemand, der qualifiziert war einem Baby auf die Welt zu helfen.

Angst ergriff von ihr Besitz und sie sah hinüber zu der Stelle, an der Jin noch bis vor wenigen Minuten gestanden hatte. Sie brauchte einige Augenblicke für sich, musste in Ruhe über das nachdenken, was jetzt auf sie zukam.

Jin freute sich riesig auf das gemeinsame Baby. Und sie selbst freute sich im Grunde auch. Wären da nicht die Probleme, die sie immer noch mit Jin hatte und über die sie nicht mehr sprachen, seit er mit Ana-Lucias Gruppe zurückgekommen war. Und natürlich, wenn sie nicht auf dieser Insel festsäßen.

Sie befanden sich nun den zweiten Monat auf der Insel und es schien so, als gäbe es sie nicht auf irgendeiner Karte. Niemand kam, um sie zu suchen. Es segelten keine Schiffe vorbei, es flog kein Flugzeug über die Insel. Es war, als wären sie auf einem Flecken der Erde gelandet, den es nicht wirklich gab.

Würde sie hier ihr Kind zur Welt bringen müssen, wie die junge Australierin? Würde sie es hier großziehen müssen, wie Claire? Und Angst um es haben, wegen der anderen Bewohner dieser Insel, die Walt entführt hatten?

Bei dem Gedanken an Walt fiel ihr Michael wieder ein und sie fragte sich, ob sie ihn jemals wieder sehen würde und wie es ihm wohl ging? Hatte er seinen Sohn gefunden und sich lediglich im Dschungel verirrt, oder hatten ihn die anderen erwischt und ermordet und seine Leiche verweste langsam in der Hitze der Insel vor sich hin? Der letzte Gedanke bescherte ihr unwillkürliche Gänsehaut und sie schob ihn beiseite.

Sie legte schützend beide Hände über die Stelle ihres Bauches, an der sich der Uterus befand und schloss einen Moment die Augen. Ihrem Kind im Stillen ein Versprechen geben, von dem sie nicht sicher war, ob sie es würde halten können. Sie versprach es in Sicherheit zu bringen, zurück in die Zivilisation, wo es in einem hygienischen Raum von Personen zur Welt gebracht werden würde, die genau darauf spezialisiert waren.

Ihre Augen waren noch geschlossen, als sie hinter sich ein leises Rascheln hörte. Sofort war sie alarmiert, öffnete sie Augen und drehte sich um. Kate stand hinter ihr und begann zu lächeln.

„Ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte die Kanadierin und ging neben Sun in die Hocke. „Du solltest nicht allein hier sein.“

„Jin wollte bleiben, aber ich bat ihn mir einige Minuten zu geben“, erklärte Sun und erwiderte das Lächeln ein wenig gequält.

„Hast du es ihm gesagt?“

Sun nickte langsam. „Er freut sich auf das Baby.“ Ihre Stimme war leise und unsicher.

„Was ist mit dir?“

„Ich mache mir die gleichen Sorgen, wie Claire. Das ist nicht der Ort für ein Baby. Ich habe Angst“, gestand sie und blickte auf die Pflanzen vor sich hinab. Das Beet sah wieder so schön aus, wie vorher, nur die Pflanzen ließen ein wenig die Köpfe hängen. Waren zu lange ohne Erde und Wasser in der Sonne gelegen, nachdem Jin sie herausgerissen und fortgeworfen hatte. Als sie wieder auf und Kate in die Augen sah, hatten sich ihre eigenen mit Tränen gefüllt. Ihr Blickfeld war verschwommen. „Ich habe furchtbare Angst.“

Ohne weitere Worte nahm Kate ihre Freundin in die Arme und streichelte Sun über das schwarze Haar. Sie wusste, dass sie ihr die Angst nicht nehmen konnte, egal was sie auch sagen würde. Und so hielt sie Sun einfach, bis diese sich nach einigen Minuten, in denen sie ihren Tränen freien Lauf gelassen hatte, langsam wieder fasste.

Schließlich wechselten sie das Thema und sprachen über den kleinen Garten. Kate spürte, dass Sun die Ablenkung brauchte und war mehr als froh darüber zu sehen, dass die Koreanerin einige Minuten später schon wieder imstande war zu lächeln.

Und als die Abenddämmerung sich über die Insel legte, machten sich die beiden Frauen auf den Weg zurück ins Camp.

~fin


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