7.16 - Valentinstag von Nadia

7.16 - Valentinstag von Nadia

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Story Bemerkung:

Co-Autor war Anna-Lena
Ashley Harper nahm eine der Erdbeerschalen und roch daran. Der süße Duft von im Treibhaus gezüchteter Früchte stieg ihr in die Nase. Sicher würden die Erdbeeren ein tolles Dessert zum Abendessen werden, wäre da nicht die dicke Luft, die zwischen ihr und Justin herrschte und die es ihr absolut vermieste auch nur einen Finger für den Tag der Liebenden krumm zu machen.

Seufzend stellte sie die Erdbeerschale zurück zu den übrigen und nahm stattdessen ein Bündel Bananen, die sie kurzerhand wog, nachdem sie sie für gut befunden hatte und dann zum restlichen Einkauf in den Wagen legte. Ihr Wagen füllte sich zusehends und egal wohin sie auch sah, wurde sie auf diesen speziellen Tag aufmerksam gemacht, der ihr zum ersten Mal seit vielen Jahren wie ein Dorn im Auge war.

Warum musste Justin ausgerechnet jetzt den Macho rauskehren, wo sie endlich glücklich war? Was sollte dieser Quatsch von wegen, dass er das Geld verdienen wolle? War ihr Geld nicht ebenso gut? Jahrelang hatte er für das Haupteinkommen gesorgt, nachdem sie ihre ‚Model-Karriere’ an den Nagel gehängt hatte.

Völlig in Gedanken versunken schob die Blondine mit ein wenig zu viel Kraft den Einkaufswagen vor sich her und wäre beinahe einer Brünetten in die Hacken gefahren, die plötzlich hinter einer Kurve im nächsten Gang dastand. Gerade im letzten Moment vermochte sie es den Wagen zu bremsen und fluchte dabei leise vor sich hin.

Sie war den Gang schon fast hinabgehetzt, als hinter ihr plötzlich eine inzwischen vertraute Stimme erklang und sie wandte sich mit einem aufgesetzten Lächeln um.

„Joey, hey, was für ein Zufall!“ Langsam machte Ashley kehrt und schob den Wagen zurück zu ihrer Bekannten, der besagten Brünetten, die sie um ein Haar überfahren hätte.

„Na, auch dabei ein romantisches Dinner zu planen?“, erkundigte sich Joey und warf einen flüchtigen Blick in Ashleys Wagen, der voll mit Lebensmitteln war.

„Na ja …“, begann sie zögerlich zu antworten. Und gerade, als Ashley ihr von dem Streitgespräch mit Justin erzählen und ihr Herz ausschütten wollte, fiel Joey ihr ins Wort.

„Ich habe ein spektakuläres Essen für Pacey und mich geplant.“ Sie lächelte übers ganze Gesicht. „Er sagte, er habe eine riesige Überraschung für mich und es hat nichts mit Essen zu tun. Daher denke ich, dass er möchte, dass ich mich um das Essen kümmere. Dir hat er nicht zufällig erzählt, was er heute Abend vorhat?“ Joeys Wortschwall brach damit ab und sie sah die Blondine hoffnungsvoll an, während sie sich den runden Bauch hielt. Es war ein Instinkt. Und sie ertappte sich immer wieder bei dem Gedanken, dass sie bald genauso fett aussehen würde wie Bessie damals, als sie in den letzten Wochen mit Alexander schwanger gewesen war. Zwar hatte Joey noch fünf Monate vor sich, aber dennoch sah man ihr die ‚anderen Umstände’ bereits gut an.

„Nein, er hat nichts erwähnt“, verneinte Ashley und zuckte mit den Schultern. Neid kroch in ihr hoch, doch sie bemühte sich Freunde für das befreundete Paar zu zeigen. Sie legte Joey eine Hand auf den Arm und sagte mit einem ehrlichen Lächeln: „Ich bin sicher, dass es ein sehr schöner Abend werden wird. Lass dich einfach überraschen und genieße es.“

Joey nickte lediglich. „Ich muss leider weiter. Pacey erwartet mich in anderthalb Stunden im Icehouse.“

„Alles klar“, erwiderte Joey schlicht. „Dann will ich dich mal nicht länger aufhalten. Man sieht sich.“

„Bestimmt.“ Damit machte sich Ashley wieder auf den Weg den zu Kassen und winkte Joey nochmals zum Abschied.


***

Jack stand vor dem Kopiergerät im Lehrerzimmer und machte einige Kopien der vorbereiteten Arbeitsblätter für die anstehende Unterrichtsstunde. Die letzten Wochen hatten ihm schwer zugesetzt, besonders die vielen Auseinandersetzungen mit Doug.

Spätestens jedoch seit Amy in seiner Gegenwart immer zu weinen begann, hatte er angefangen über alles nachzudenken. Er konnte nicht leugnen, dass, seitdem er Jen sah, alles in seinem Leben komplizierter geworden war. Und er vermochte es nicht länger zu verdrängen, dass es nicht richtig war, sie überhaupt zu sehen. Egal wie gerne er sie wiederhaben wollte, wie sehr sie ihm fehlte, und bestimmt auch Amy und den anderen, sie war nun mal gestorben. Und daran war nichts zu ändern.

Er hatte viele Nächte lang wach gelegen und sich in den Schlaf geweint, ehe Doug zu ihm gezogen war und die Lücke wieder gefüllt hatte, die Jen hinterlassen hatte. Doug war da gewesen, als er ihn am meisten gebraucht hatte, als er glaubte nicht mehr atmen zu können, da ihm seine beste Freundin, seine Seelenverwandte, so sehr fehlte.

Und er hatte es so sehr genossen wieder mit ihr reden, sie halten und mit ihr lachen zu können. Hatte verdrängt, dass dies eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit war, da man ihre sterblichen Überreste in einem Mahagonisarg in sechs Fuß Tiefe begraben hatte und er bei ihrer Beerdigung zugegen gewesen war.

Es hätte ihm viel eher klar sein müssen, dass die letzten Wochen nicht normal verlaufen waren, dass es so nicht weitergehen konnte. Dass er sein und auch Dougs Leben damit erheblich erschweren und ihre Beziehung auf Spiel setzen würde. Von Amy ganz zu schweigen. Es war nicht auszudenken, dass er sie verlieren könnte. Wie würde es sich in den Adoptionsakten machen, stünde darin, dass man ihm das Sorgerecht hatte nehmen müssen, weil er dem Wahnsinn verfallen war?

Der letzten Wochen müde, rieb er sich das schmerzende Genick, nahm die fertigen Kopien aus der Halterung und stapelte sie sorgfältig.

„Hey, Jack.“

Er zuckte regelrecht zusammen, als er erneut die ihm so vertraute Stimme Jens hörte.
Langsam drehte er sich herum. Und da stand sie. Schön wie immer. Sie trug ein weißes Kleid mit kleinen Sonnenblumen darauf. Das hatte sie letztes Jahr von ihm zum Geburtstag bekommen. Bei der Erinnerung daran schossen ihm Tränen in die Augen und er sah sich ganz automatisch im Lehrerzimmer um. Sie waren allein. Nein – ER war allein.

„Du solltest nicht hier sein, Jen“, sagte er und stellte erstaunt fest, dass seine Stimme mitten im Satz brach. „Bitte geh und komm nicht wieder.“

„Was redest du da für einen Unsinn, Jack?“ Sie bemühte sich zu lächeln und er drängte die Tränen zurück.

„Du hast mich schon verstanden. Bitte geh. Bitte! Es ist nicht gut für mich, wenn du immer wieder auftauchst.“ Er schluckte schwer. „Ich werde verrückt, verstehst du? Und das kann schlimme Konsequenzen nach sich ziehen.“

„Wer sagt, dass du verrückt wirst?“ Einfühlsam legte sie ihre rechte Hand auf seinen Oberarm und streichelte ihn, bis er sich mit einer jähen Bewegung zurückzog, fast so, als würde sie in Flammen stehen und ihn mit verbrennen.

„Verschwinde!“, schrie er nun deutlich energischer. „Hau endlich ab, Jen!“ Er schloss die Augen, als die Tränen immer mehr darin brannten. Und als er sie wieder öffnete, war Jen tatsächlich verschwunden. Er drehte sich wieder zurück zur Kopiermaschine, stützte sich darauf und gab die zurückgehaltenen Tränen frei. So konnte es nicht weitergehen, das wusste er jetzt. Er brauchte Hilfe. Ernsthafte Hilfe.

Allmählich beruhigte er sich wieder, nahm das Mobiltelefon aus der Arbeitstasche und wählte mit zitternden Fingern Dougs Nummer.


***

Außer Atem stellte Ashley die schweren Papiertüten auf dem Küchentresen ab und seufzte leise. Sie hatte eingekauft, als würde sie wie immer ein schönes Essen für sich und Justin zaubern wollen, doch eigentlich war ihr absolut nicht danach.

In letzter Zeit war ihre Ehe nicht gerade frei von Problemen, wie sie es einmal gewesen war. Nur was sollte sie tun? Ihren Job aufgeben und mit ihrem Mann nach L.A. oder in eine andere Großstadt ziehen, wo er seinem Beruf erfolgreich nachgehen konnte, sie dafür aber unglücklich und einsam sein würde? Andererseits … durfte sie von ihm erwarten, dass er seine Karriere für ihren Job aufgab?

An Joey und Pacey sollten sie sich ein Beispiel nehmen, dachte sich die Blondine. Trotz aller unerwarteter Begebenheiten in der letzten Zeit schienen diese beiden alles im Griff zu haben und sich einig zu sein.

War es nicht möglich, dass sie beide hier in Capeside glücklich werden?

Noch während sie den Einkauf in den Schränken verstaute und ihren Gedanken nachhing hörte sie plötzlich Justins Stimme. Sehr leise und dumpf, aber immer klarer werdend, als käme er aus dem oberen Stockwerk runter. Ashley wusste, dass es albern war, aber sie versteckte sich, um lauschen zu können, als sie bemerkte, dass es in dem offensichtlichen Telefonat unter anderem um sie zu gehen schien.

„Nein, das ist es ja“, hörte sie Justin sagen. Es folgte ein tiefes Seufzen, wie sie es nur von ihm kannte, wenn er verzweifelt war. „Ich habe Angst, dass das alles ein Fehler war. Dass wir nicht hierher hätten ziehen sollen.“ Er machte eine Pause und schien seinem Gesprächspartner zuzuhören. Dann: „Natürlich liebe ich sie …“ und „Ich weiß, dass ich ein riesen Glück habe.“

Jetzt konnte sie ihn sehen. Er stand in der Diele, an die Wand gelehnt, halb mit dem Rücken zu ihr gewandt. Er konnte sie nicht sehen. Und sie fragte sich, mit wem er da sprach.

„Es ist nur nicht leicht hier zu sitzen und nichts zu tun, während sie arbeiten geht, um für unser Einkommen zu sorgen. Ich bin da eben sehr altmodisch und der Ansicht, dass der Mann der Brötchenverdiener ist.“ Abermals seufzte Justin und ließ sich an der Wand entlang nach unten auf den Boden gleiten. „Ich schätze, dass wir uns was überlegen müssen, vielleicht einen Kompromiss eingehen. Ganz auf die Fotografie möchte ich nicht verzichten. Davon träume ich schon, seit ich mit 8 Jahren meine erste Kamera in den Fingern hielt.“

Plötzlich tat ihr Justin einfach nur noch leid. War es denn richtig, dass sie ihn dazu brachte seinen Traumberuf für sie aufzugeben? Für ein Leben in dieser Idylle, die ihr selbst offenbar deutlich mehr gefiel als ihm? Bedeutete Ehe nicht, dass beide glücklich sein sollten? War es nicht möglich, dass sie es beide sein würden?


***

Das restliche Besteck fiel klimpernd in den dafür vorgesehenen Korb. Nun waren nur noch die Teller dran, dachte Pacey froh. Er selbst hatte sein Restaurant heute putzen und aufräumen müssen, da es geschlossen war. Ihm war zwar viel Geld entgangen, aber der heutige Tag war ihm wichtiger.

An der Bar saß seine Schwester Gretchen, die ihm gelangweilt zuschaute und in ihrem Kaffee herumrührte. „Hättest du mir gesagt, dass es so lange dauert, wäre ich erst später gekommen“, bemerkte sie.

Lachend sah Pacey sie an: „Du könntest mir auch einfach helfen, dann wäre dir nicht mehr so langweilig.“

Rügend sah Gretchen ihn an. „Bitte Rücksicht auf meinen alten Rücken. Der kann auch nicht mehr alles.“

„Oh ja, so mit fast 30 Jahren wird das Leben wirklich schwerer. Ich bedaure dich zutiefst!“

„Dankeschön“, erwiderte sie trocken und lachte.

Endlich war auch der letzte Teller weggeräumt und die beiden konnten sich an Paceys Überraschung machen.

„Weißt du denn schon, was du kochst“, fragte seine große Schwester, als sie dabei war den Tisch zu dekorieren. Überall im Restaurant standen schon große Blumevasen mit frischen Blumen und auch die roten Kerzen standen in den für sie vorhergesehen Haltern.

Gretchen faltete gerade kunstvoll zwei Servietten. Derweil war Pacey damit beschäftigt das Geschirr anzuordnen und nochmals die Gläser zu polieren.

„Ich hatte an bunten Salat, Brot und ein bisschen Fleisch gedacht. Pizza war mir einfach zu normal und nach Spaghetti sieht Joey immer wie ein Ferkel aus.“ Grinsend sah er sie an und beide mussten lachen.

„Aber die Sachen hast du alle schon eingekauft, oder?“, erkundigte sich seine Schwester weiter und schaute ihre Servietten an. „Was meinst du?“, fragte sie dann neugierig weiter und hoffte, dass ihrem Bruder die Servietten gefielen. Heute Abend war ihm jede Kleinigkeit wichtig, das hatte sie schon erfahren.

„Doch, sieht gut aus“, stellte dieser zufrieden fest und legte gerade den letzten Löffel nach ganz außen.

„Wir müssen nur noch eben schnell ins Geschäft und ein paar Teelichter kaufen“, informierte er sie dann und die beiden betrachteten ihr Werk.

„Sieht doch wirklich gut aus“, lobte Gretchen sich und ihren kleinen Bruder.

„Na dann lass uns noch eben ins Geschäft fahren.“


Zehn Minuten später standen die Beiden vor einer großen Menge von Teelichtern.
„Also, ich fände ja auch gelb richtig schön“, urteilte Gretchen, „die sieht man wenigstens ein bisschen im Dunkeln.“

Doch Pacey schüttelte den Kopf: „Irgendwie muss doch alles in Rot sein, in der Farbe der Liebe. Schließlich ist heute der Tag der Liebenden.“

„Okay“, gab sich Gretchen schließlich geschlagen und sie gingen zur Kasse.

Dort war leider eine lange Schlange. „Mist“, ärgerte sich Pacey, „ich wollte doch schon in zwei Stunden fertig sein. Ob ich das noch schaffe?“

„Aber klar“, beruhigte ihn seine große Schwester.

Beide standen schweigend da und man sah, dass Gretchen mit einer Frage kämpfte.
„Ich will ja nicht neugierig sein, aber hast du sonst noch etwas Besonderes geplant?“

Verdutzt sah Pacey sie an. „Was meinst du mit besonders?“

Vorsichtig meinte Gretchen schließlich: „Den Heiratsantrag vielleicht?“

Ein trauriges und müdes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Unschlüssig sah er sie an: „Das hatte ich mir auch schon gedacht. Aber irgendwie habe ich ein bisschen Angst, sie zu fragen. Es läuft gerade alles so gut und wenn sie wieder nein sagt ...“

Tröstend und aufmunternd legte Gretchen ihren Arm um die Schulter ihres Bruders. „Ich kann dir da auch nicht wirklich helfen, aber ich denke heute wäre der perfekte Tag dafür. Schließlich klappt es gerade so gut mit euch beiden und eigentlich kann sie nicht nein sagen. Aber ich dachte auch nur ...“

„Ist schon okay“, sagte Pacey. „Ich habe ja auch schon darüber nachgedacht Vielleicht mache ich es ja auch ganz spontan.“

Lächelnd sah Gretchen ihn an und wünschte ihm insgeheim viel Glück.

Endlich konnten die beiden bezahlen und fuhren dann zum letzten Ort, zu dem Pacey seine Joey entführen wollte. Danach brachte er seine Schwester nach Hause und bedankte sich bei ihr für die Hilfe und auch für den gut gemeinten Rat. Aber wegen dem Heiratsantrag war er immer noch nicht weitergekommen.


***

„Können wir nicht noch mal darüber reden, Jack?“

„Was gibt es da zu bereden? Es ist nicht richtig, dass du hier bist! Du dürftest nicht da sein, verdammt noch mal!“ Er schrie so laut, dass seine Stimme immer wieder brach und ihm der Hals schmerzte.

Jen jedoch war ruhig. Es kam ihm so vor, als brächte nichts sie aus der Ruhe. Nicht einmal, dass er sie anschrie wie noch nie zuvor in seinem Leben.

„Ich werde mehr als dich verlieren, wenn du nicht endlich aufhörst aufzutauchen! Ich liebe dich und vermisse dich über alle Maße, aber das rechtfertigt nicht, dass du hier vor mir stehst und versuchst ein Teil meines Lebens zu sein. Du bist in diesem Krankenhaus gestorben. Schon vor vielen Monaten. Du DARFST nicht hier sein!“

Seine Ohren waren ganz rot, so sehr war er außer sich. Er atmete viel zu schnell und zu flach und hörte bald nichts weiter als das Rauschen seines eigenen Blutes in den Gehörgängen. „Verschwinde doch bitte einfach“, flehte er und sank vor seinem Bett auf die Knie. Er begann bitterlich zu weinen und presste den Kopf in die Bettdecke, als suche er Schutz.

„Jack? Jack, ist alles okay?“

Die Stimme klang ebenfalls vertraut. Ebenfalls weiblich, doch sie war nicht von Jen. Sie kam aus einiger Entfernung, klang irgendwie dumpf. Er reagierte nicht darauf. Weinte einfach weiter in die Bettdecke und fürchtete, sie sich ebenfalls einzubilden. Er glaubte nun endgültig den Verstand verloren zu haben, als ihn eine Hand sanft an der Schulter berührte und ihn zwang das Gesicht aus der Decke zu heben.

Rot geschwollene Augen blickten in besorgte blaue, in die seiner Schwester Andie.

„Jack, was ist passiert?“ Liebevoll streichelte sie ihm die Tränen von den Wangen.

„Ich kann nicht mehr“, schluchzte er. „Ich kann nicht mehr, Andie.“ Er machte eine Pause und schluckte, bemüht sich wieder zu sammeln und unter Kontrolle zu bringen. „Ich sehe sie immer wieder und obwohl ich ihr sagte, dass sie gehen soll, sie verschwindet nicht.“

„Wer? Jen?“ Andie streichelte ihn am Arm und setzte sich neben ihn auf den Boden.
Er nickte nur und begann erneut heftig zu weinen. So aufgelöst hatte sie ihn schon lange nicht mehr gesehen.

Jäh schossen ihr Erinnerungen ins Gedächtnis zurück, die sie lange Zeit erfolgreich verdrängt hatte. Sie hatte Timothy gesehen, obgleich er nicht da gewesen war. Und damals waren Jack und Pacey für sie da gewesen, als sie glaubte im Strudel der Gefühle zu ertrinken.

Aus diesem Grund war sie auch vor einigen Tagen wieder von Deutschland angereist. Doug hatte sie um Hilfe gebeten, da er glaubte den Zugang zu Jack mehr und mehr zu verlieren. Er würde ihm Angst machen, hatte Doug ihr am Telefon gesagt. Und nun wusste Andie auch weshalb.

Sie hatte insgeheim gehofft, dass es Jack nicht so ergehen würde wie ihr damals und ihrer Mutter. Den Tod seines Bruders hatte er damals gut verkraftet, vielleicht auch deshalb, weil er selbst viel zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sich um seine Schwester und Mutter zu kümmern, als der Vater nicht dazu imstande gewesen war. Er hatte keine Zeit gefunden zu trauern und nun war er überwältigt von den Gefühlen und der Leere, die der Tod seiner besten Freundin in ihm hinterlassen hatte.

„Ich bin für dich da, Jack“, flüsterte sie ihm ins Ohr und drückte seinen bebenden, schluchzenden Körper an sich. „Ich werde dir helfen das durchzustehen, hörst du?“ Sie gab ihm einen Kuss auf das verschwitzte Haar und stand auf. „Ich hole dir was zu trinken“, sagte sie und ging hinaus.

Im Erdgeschoss angekommen rannte Andie zum Telefon hinüber, welches in der Diele stand und wählte hastig die Nummer der hiesigen Polizei. Als sich irgendein Officer meldete ließ sie sich zum Sheriff durchstellen und seufzte erleichtert, als sie Dougs Stimme hörte.

„Doug, du musst sofort heimkommen. Jack sitzt völlig aufgelöst oben im Schlafzimmer und weint. Er zittert am ganzen Körper und beruhigt sich nicht.“

„Ich bin schon unterwegs“, kam es nur von Doug und die Leitung war tot.

Schnell ging Andie in die Küche, um Jack ein Glas Wasser zu holen. Sie hörte ihn bis nach unten, so ungehalten weinte er. Nur gut, dass Amy gerade mit der Babysitterin spazieren war, dachte Andie bei sich.

***

Sorgfältig klebte Justin das letzte Foto in das Album, welches nun schon ziemlich schwer war. „Fertig“, stellte er laut fest und klappte es zufrieden zu. Dieses Fotoalbum hatte eine Menge an Arbeit gekostet, aber er war froh, dass er es fertig hatte, zumal es bis heute auch fertig sein musste.

Mit einem Summen sah er sich im Wohnzimmer um. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster, denn die Sonne ging im Februar noch ziemlich früh unter. Die warmen Strahlen tauchten das Zimmer in ein sanftes Licht und ließen ihn mit den vielen Rosenblättern auf dem Boden ziemlich Märchenhaft aussehen. Die Kerzen, welche Justin aufgestellt hatte, würde er erst später anzünden. Da hörte er auch schon ein Klicken an der Haustür, die im nächsten Moment auch aufschwang. Also war er gerade noch rechtzeitig fertig geworden.

Im nächsten Moment stand seine Frau auch schon in der Tür. „Justin ...!“, rief sie und dann blieb ihr der Mund offenstehen. Ihre Augen flogen zwischen all den liebevollen Details hin und her. Mit einem Lächeln stand Justin auf und ging auf sie zu.

„Gefällt es dir?“, fragte er.

Die junge Frau sah ihn ungläubig an. Zwei Sekunden später lag sie in seinen Armen und drückte ihn an sich. „Oh mein Gott! Bist du verrückt?“

„Nein, nur verrückt nach dir“, erwiderte er lachend.

Nun sah ihn auch Ashley mit einem breiten Lächeln an. „Du bist fantastisch, Justin.“ Mit den Worten küsste sie ihn zärtlich.

Als sie sich wieder voneinander lösten, lächelte Justin sie an. „Einen fröhlichen Valentinstag, mein Schatz.“

„Dir auch einen schönen Valentinstag“, antwortete die Blondine mit einem glücklichen Lächeln. Noch immer umarmten sie sich, doch nun befreite sich Justin aus der Umarmung.

„Ich habe noch etwas für dich“, erklärte er und holte das Fotoalbum hervor. Beide setzten sich auf das Sofa und schließlich drückte er ihr das Album in die Hand.

„Ich wollte es dir einfach geben, damit du auch erkennst wie viel du mir bedeutest, nach all unseren Streitigkeiten. Schließlich ist heute Valentinstag und da dachte ich mir, dass es ein guter Zeitpunkt ist.“

Mit einem Lächeln sah Ashley ihn an: „Mir tut es auch leid. Schließlich sind wir beide an den Streitereien schuld.“ Beide küssten sich nochmals und dann schlug Ashley das Album endlich auf.

So weit sie sah, überall Fotos. Eigentlich hätte sie es sich auch denken können. Doch anstatt irgendwelchen Modebildern oder Landschaftsbildern klebten überall Fotos von ihr und Justin. Fotos aus ihrem Alltag.

Dort ein Foto von ihrem Geburtstag, als sie in Spanien gewesen waren oder auch nur einfach Bilder in ihrem Garten. Auf all diesen Porträts war sie am lächeln. Ein Glücksgefühl stieg in ihr auf und in ihren Augen bildeten sich Tränen.

„Justin, das ist wirklich wunderschön. Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll“, presste sie hervor und sah ihn aus ihren blaugrünen Augen an. Doch Justin sah sie nur kurz an und legte einen Arm um ihre Schultern.

Schließlich blätterte Ashley weiter und kam schließlich an die letzte Seite. Was dort stand, brachte sie schließlich richtig zum Weinen. Dort stand mit rotem Stift auf dem schwarzen Untergrund: „Du bist die Einzige, von der ich Fotos haben muss, um sie mir anzuschauen, wenn ich dich mal eine Stunde nicht sehe.“

Total sprachlos starrte sie erst die Seite im Album an und dann ihren Mann. Auch dieser sah sie an, doch eher aufmerksam und abwartend. Was würde sie wohl sagen?

Nun liefen ihr vor Rührung doch noch die Tränen die Wangen hinunter. „Justin, ich liebe dich. Das ist das schönste Geschenk, das du mir machen konntest“, gestand sie ihm und nahm ihn in den Arm.

„Ich wollte dir einfach nur zeigen, dass ich dich noch immer liebe, egal was passiert ist. Du bedeutest mir einfach unheimlich viel und ich brauche dich.“

Beide sahen sich wieder in die Augen und küssten sich erneut. Schließlich wischte sich Ashley die Tränen aus den Augen.

„Ich bin schon jemand. Sitze hier und heule, dabei ist alles so schön.“

Sanft wischte ihr Justin die Tränen aus den Augen. „Eigentlich solltest du dich ja auch freuen und nicht weinen“, meinte Justin mit einem kleinen Lachen in der Stimme.

„Tue ich ja auch. Heute ist der schönste Valentins Tag meines Lebens“, sagte Ashley und lächelte ihn dabei an.

***

Mit quietschenden Reifen brachte Doug den Dienstwagen vor dem Strandhaus zum stehen. Als wäre der Teufel hinter ihm her stieg er aus und schlug die Autotür mit einer solchen Wucht zu, dass es einen lauten Schlag tat und man meinen könnte, die Tür würde jeden Moment aus der Angel fliegen.

So schnell ihn seine Beine tragen konnten, rannte er die Stufen der Veranda rauf und stürzte ins Haus. Die Haustür ließ er offen, hastete einfach die Treppen hinauf und ins Schlafzimmer. Er hielt kurz inne und verschnaufte als er Jack in Andies Armen auf dem Boden sitzen und weinen sah, ehe er sich zu den Geschwistern begab. Andie stand wortlos auf und überließ es Doug von nun an, sich um Jack zu kümmern.

Sie selbst war so erschrocken über Jacks plötzlichen Zusammenbruch, dass sie jetzt erstmal das Gefühl hatte, etwas Abstand gewinnen zu müssen. Zu viele schlimme Erinnerungen gingen mit Jacks momentanem Gemütszustand einher.

„Schatz …“, hauchte Doug noch immer außer Atem und ließ sich neben Jack nieder. „Was ist passiert? Andie hat mich völlig aufgeregt angerufen.“

„Du hattest Recht“, brachte Jack nur mühsam zwischen zwei schluchzenden Atemzügen hervor. „Ich bin krank.“

Doug nahm Jack fest in die Arme, presste seinen zitternden Körper eng an sich, um ihm Nähe und Wärme zu spenden. Liebevoll gab er seinem Liebsten einen Kuss auf das Haar.

„Ich habe sie gebeten zu gehen, aber sie weigert sich.“ Jack vergrub das Gesicht in Dougs Brust, um nicht aufschauen und Jen unweit von sich stehen sehen zu müssen. Sie stand wortlos da und sah ihn an.

„Sie dürfte nicht hier sein“, sprach Jack weiter.

„Nein, da hast du Recht“, stimmte ihm Doug zu. „Vielleicht will sie nicht gehen, weil du noch nicht bereit bist sie loszulassen.“

„Aber es ist nicht gut, dass ich sie sehe.“

„Ich weiß das. Dein Verstand weiß das auch, aber dein Herz weigert sich.“ Erneut gab Doug ihm einen Kuss, diesmal jedoch auf die Stirn. Dann nahm er Jacks Gesicht in seine beiden Hände und hob es an, so dass sie einander in die Augen sehen konnten. „Du brauchst professionelle Hilfe, Jack. Jemand, der dir hilft sie gehen zu lassen.“ Nun hatte auch Doug Tränen in den Augen. So schrecklich dieser Zusammenbruch Jacks auch war, so gut war er auch. Endlich hatte er wieder das Gefühl zu seinem Geliebten durchzudringen. Und endlich schien er etwas bewirken und ihm tatsächlich helfen zu können.

Jack nickte und wischte sich die Nase mit dem Handrücken. Dann sah er Jen an und wieder zu Doug. „Ich habe Angst, Doug. Was, wenn ich sie niemals gehen lassen kann?“

„Ich werde dir helfen. Alle deine Freunde werden dir dabei helfen. Joey, Pacey und alle anderen vermissen sie ebenfalls. Vielleicht solltet ihr mal einen Abend zusammen verbringen und über sie reden, über die schönen Zeiten mit ihr, als ihr zusammen gelacht habt. Möglicherweise hilft es dir auch, wenn sie dir sagen, wie sie mit dem Verlust umgehen. Jens Tod hat auch bei ihnen eine Lücke hinterlassen, meinst du nicht?“

Neuerlich nickte Jack. „Du hast Recht. Und auch damit, dass ich professionelle Hilfe brauche. Und ich glaube, dass ich aufhören sollte mir das Videoband von ihr anzusehen.“

„Ich werde es für dich wegschließen, bis es dir bessergeht und du tatsächlich bereit dazu bist es dir wieder anzusehen. In Ordnung?“ Doug lächelte aufmunternd, doch Jacks Gesicht blieb ernst.

„Wieso hast du nicht schon lange die Flucht ergriffen? Ich habe dir die letzten Wochen weiß Gott zur Hölle gemacht. Du hattest doch praktisch nicht eine Minute Zeit zu relaxen. Immer hast du gearbeitet, dich um Amy oder mich gekümmert. Warum bist du noch immer bei mir, obwohl ich so ein Arschloch war?“

„Ich sag’ dir warum“, sagte Doug und streichelte mit den Daumen über Jacks Wangen. „Weil ich dich über alles in der Welt liebe. Ich würde dich niemals verlassen. Schon gar nicht, wenn du mich so dringend brauchst wie in dieser Zeit. Du bist meine Welt, alles wofür ich morgens aufstehe.“

„Ich liebe dich auch“, hauchte Jack und wieder lösten sich Tränen von seinen dunklen Wimpern. „Danke, dass du da bist.“

Langsam näherten sich die beiden Männer einander, bis sie den Atem des jeweils anderen auf ihrem Gesicht fühlen konnten. Und dann küssten sie sich. Zuerst zärtlich, dann sehr leidenschaftlich.

Und als sie sich wieder voneinander lösten und Jack sich im Schlafzimmer umsah, war Jen verschwunden. ‚Zumindest vorerst‘, dachte er erleichtert und gleichzeitig bedrückt.


***

Glücklich lächelnd sah Joey Pacey an. „Es schmeckt wirklich hervorragend“, meinte sie mit einer Geste auf das Essen!

„Dankeschön. Irgendwie dachte ich mir, dass dir das Essen schmecken würde“, zwinkerte Pacey ihr zu.

Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht und ihre Grübchen wurden sichtbar. „Jeder muss was können, nicht?“, meinte sie scherzhaft und grinste ihn dabei an, doch gleichzeitig legte sie ihre Hand auf deinen Arm.

„Tja, dann muss ich mich doch auch mal selbst loben“, erwiderte Pacey mit einem ebenso großen Grinsen.

„Nein“, lenkte die Brünette ein, „es hat wirklich hervorragend geschmeckt und ich habe mich so gefreut, als ich die Überraschung gesehen habe. Ich habe schon lange nicht mehr so einen schönen Abend erlebt.“

„Der Abend ist ja auch noch lange nicht zu Ende“, gab Pacey zu bedenken und holte ihre beiden Mäntel von der Gardarobe.

„Du hast noch eine Überraschung?“, fragte Joey völlig verblüfft, aber gleichzeitig neugierig.

Lachend half Pacey ihr in den Mantel. „Weihnachten war gerade eben und es gibt schon wieder Überraschungen. Deine Augen leuchten bei dem Wort Überraschungen jedes Mal auf“, witzelte er.

Sie zuckte mit den Schultern und meinte einfach nur: „Im Allgemeinen sind Überraschungen ja nicht schön, außer wenn sie von dir sind, denn da weiß ich ja Bescheid.“

„Ach ja?“

„Ja. Du musst mir ja tolle Überraschungen machen, denn sonst bin ich ganz schnell weg“, erwiderte sie mit einem Lächeln.

„Na dann freut man sich ja gerade zu dir Überraschungen zu machen, wenn man immer Angst haben muss, du verlässt einen“, gab Pacey trocken zurück.

Doch Joey lachte ihn nur an und gab ihm einen Kuss: „Mit deinem Essen hast du auf jeden Fall schon mal Pluspunkte gemacht.“

Mit einem Ausdruck der Verzweifelung sah Pacey sie an: „Dann habe ich ja noch mal Glück gehabt“, sagte er und hielt ihr die Autotür auf, sobald sie den Wagen erreicht hatten.


Eine Viertelstunde später parkte Pacey das Auto, hielt Joey die andere Tür auf und half ihr beim Aussteigen, da sie einen Schaal um die Augen gebunden hatte.

„Vorsicht, Stufe ... und jetzt einfach gerade aus“, beschrieb Pacey ihr den Weg.

Wirklich vorsichtig ging Joey den Weg hinunter. Plötzlich hörte sie Holz unter ihren Füßen und auch die Luft veränderte sich. Müsste sie jetzt raten wo sie waren ...?

„Und jetzt … einen Moment“, unterbrach Pacey seine Freundin in ihren Gedanken, „einen kleinen Moment und du kannst dich von diesem Teil befreien.“

Eine Minute später konnte sie wieder etwas sehen – sie waren am Meer.

Mit offenem Mund stand sie da und blickte auf den Ozean. „Gefällt es dir?“, fragte Pacey leise und schlang seine Arme um ihren Körper.

„Es ist wunderschön“, konnte Joey nur hervorpressen. In ihre Augen waren Tränen gestiegen und ihre Lippen zitterten bei diesem Anblick.

Auf dem Meer schwammen Kerzen, die ein Herz bildeten. Sie hoben sich wunderbar von dem dunklen Wasser ab und nur die Sterne spendeten ein bisschen Licht. Joey drehte sich zu Pacey und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Ich liebe dich, Pacey“, gestand sie ihm unter Tränen.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte dieser und die beiden küssten sich zärtlich. Als sich ihre Lippen voneinander lösten, wischte sich Joey ihre Tränen von den Wangen und meinte schließlich: „Und ich habe dir gar nichts geschenkt.“

„Kannst du aber“, antwortete Pacey und ging dann vor ihr auf die Knie nieder. Ihre Hand lag in seiner und ihre Augen trafen sich.

„Bitte erweise mir die Ehre und werde meine Frau, Josephine Potter?“

Total überwältigt starrte Joey ihn an. Schon wieder machte er ihr einen Heiratsantrag. Er ließ einfach nicht locker. Meinte er es wirklich ernst? Sollte sie ihn diesmal annehmen?

***

Es war bereits dunkel, als Jack und Doug gemeinsam das untere Stockwerk betraten. Dort saß Andie im Wohnzimmer auf der Couch und las Amy ein Buch vor.

„Ah, ihr kommt gerade rechtzeitig“, sagte sie, legte das Buch beiseite und stand mit Jens Tochter im Arm auf. „Ich habe euch ein Essen gekocht, diese süße Maus hier beschäftigt und meine Sachen gepackt. Ich denke, dass Amy bald ins Bett kann. Sie hat schon ein paar Mal gegähnt und wirkt auch relativ müde.“

Jack und Doug sahen sich an, dann fiel ihr Blick in die Essecke unmittelbar neben der Küche, wo ein romantisch gedeckter Tisch mit Kerzen, einer Flasche Wein und festlichem Valentinstag-Dekor auf sie wartete. Sie staunten beide und sahen Andie mit großen Augen an. Waren sie so lange im Schlafzimmer, dass es ihr möglich gewesen war ein solches Dinner vorzubereiten? Sie mussten ja mehrere Stunden oben gesessen und geredet haben.

„Heute ist Valentinstag und das ist meiner Meinung nach der perfekte Tag für euch, um einen Neuanfang zu machen, eure Beziehung zu festigen und diesen speziellen Tag zu zelebrieren. Wenn ich schon kein romantisches Dinner mit meinem Liebsten haben kann, dann sollt ihr diesen Abend wenigstens eures bekommen.“ Sie lächelte verschmitzt, wie immer, wenn sie etwas Derartiges ausgeheckt hatte, und verstand es perfekt die eigene Sehnsucht nach Sasha zu verbergen, den sie gerade jetzt besonders vermisste.

„Du bist unglaublich“, sagte Jack vollkommen gerührt, ging zu seiner Schwester und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich danke dir. Auch dafür, dass du die letzten Tage hier warst und uns mit Amy unterstützt hast. Und vor allem dafür, dass du vorhin so schnell reagiert hast und immer für mich da bist.“

„Dafür sind kleine Schwestern doch da“, erwiderte sie ihm, übergab Amy und schnappte sich Jacke und Reisetasche. „Mein Taxi wird jeden Moment kommen.“ Sie drückte Jack und auch Doug, ehe sie sich zur Tür begab. „Ich wünsche euch einen schönen Valentinstag. Macht’s gut und bis bald.“ Damit ließ sie die beiden Männer und ihre Tochter allein, die sich zu dritt an den Tisch begaben und das vorbereitete Dinner genossen.

***

Genüsslich stopfte sich Ashley den letzten Bissen von der Pasta in den Mund. Justin und sie hatten zusammen gekocht und sich im Wohnzimmer zusammen „Pearl Harbor“ angesehen. Die Kerzen waren fast heruntergebrannt und draußen war es dunkel.

„Mhm“, seufzte die Blondine am Ende des Filmes und Justin sah eine Träne in ihrem Augenwinkel blitzen. Mit einem Grinsen kam er auf sie zu und wischte diese weg.

„Du weinst ja“, stellte er dann fest.

Auch Ashley wischte sich die Tränen aus den Augen und lachte dann. Beleidigt spielend sagte sie: „Ist aber auch wahr! Warum müssen immer die gutaussehenden Menschen sterben? Evelyn und Danny hätten viel besser zusammengepasst.“

„Tja, zum Glück kommen im wahren Leben immer die gutaussehenden Menschen zusammen“, meinte Justin und gab ihr einen Kuss.

„Warte, warte ... du meinst doch nicht etwa …“

Justin sah sie von der Seite an, fast schon ängstlich. Hatte er etwa etwas Falsches gesagt?

„... dass du gut aussiehst?“

Beide sahen sich an und mussten lachen.

„Na, warte, das bekommst du zurück“, erwiderte Justin immer noch lachend und schnappte sich ein Kissen von der Couch. Doch auch seine Frau hatte verstanden was er anstellen wollte.

„Oh nein, wage es ja nicht“, warnte sie ihn, nahm sich aber vorsichtshalber schon mal ein Kissen.

„Glaubst du etwa ich traue es mich nicht?“, forderte ihr Ehemann sie heraus. Im nächsten Moment traf ihr Kissen ihn aber auch schon am Kopf. Im ersten Moment starrte er sie nur fassungslos an, doch dann schlug er zurück.

So ging die Kissenschlacht weiter bis beide erschöpft und schwer atmend auf das Sofa fielen. Kopf an Kopf lagen sie also auf der Couch und sahen sich an.

Noch immer lachend drehte Ashley schließlich ihren Kopf und küsste Justin auf seine, vom schweren Atmen, geöffneten Lippen. Dieser schloss genießerisch seine Augen und genoss die Nähe.

Als sie ihre Augen wieder öffneten, hatte Ashley gleich die nächste Idee. Sie sprang auf und lief zum Wohnzimmerschrank.

„Was suchst du?“

„Irgendwo müssen wir doch noch unsere alten Videos haben“, murmelte die junge Frau und stieß gleich drauf einen Triumphschrei aus. „Ich hab sie!“, triumphierte sie und legte eines der kleinen Videos in die Adapterkassette. Einige Sekunden später sah man Justin und Ashley auf dem Bildschirm flimmern.

Beide sahen genau auf das Bild, denn es war ihr Hochzeitsvideo. Ashley kuschelte sich an ihren Mann und dieser legte seine Arme um sie.

„Schön, nicht wahr?“, flüsterte Ashley schließlich, die Augen noch immer auf dem Bildschirm gerichtet.

„Du bist und bleibst eben wunderschön“, meinte Justin und küsste ihr Haar. Lächelnd sah Ashley ihn an, konzentrierte sich dann aber wieder auf das Video.

Plötzlich flimmerte das Bild und schließlich hörte man eine jubelnde Menge und sah Ashley auf dem Laufsteg. Justin wollte schon aufspringen und weiterspulen, aber seine Frau hielt ihn davon ab. Sie sah ihm fest in die Augen und sagte: „Ist schon gut. Ich glaube, ich kann damit jetzt umgehen. Schließlich habe ich Abstand gewonnen.“

„Glaubst du wirklich? Früher konntest du es dir doch nie im Leben ansehen“, stellte Justin skeptisch fest.

„Irgendwas hat sich eben geändert. Ich habe Abstand zu der Sache gefunden und mich damit auseinandergesetzt. Außerdem gab es ja auch schöne Zeiten. Ansonsten hätten wir uns ja auch nicht getroffen.“

Mit einem warmen Lächeln sahen sie einander an und küssten sich erneut. Schließlich sahen sie wieder auf den Bildschirm.

Gerade eben sah man die beiden nach der Modenschau. Ashley kam strahlend auf ihn zugelaufen und zwischen all den wuselnden Menschen fielen die zwei sich in die Arme und küssten sich schlussendlich. Das war noch lange bevor sie Drogen genommen hatte.

***

„Möchten Sie noch etwas zu trinken haben?“, fragte die freundliche Stewardess Andrea McPhee, die gerade in einer Zeitschrift blätterte. Sie war gerade wieder auf dem Rückflug nach Deutschland.

Endlich hatte Jack eingesehen, dass er krank war und hatte einer Therapie aus eigenen Stücken zugestimmt. Mit Doug zusammen würde er einen Psychotherapeuten finden, der ihm helfen würde endlich dieses Trauma zu überwinden. Da heute Valentinstag war, hatte sie Jack und Doug auch allein gelassen. Außerdem hatten die beiden sicher noch eine Menge zu tun.

„Nein, danke“, lehnte sie das Angebot schließlich ab. Neben ihr saß ein Mann Mitte dreißig. Wie sie, blätterte auch er die ganze Zeit in seiner Zeitung herum.

„Steht auch nichts Neues mehr drin, nicht wahr?“, meinte sie schließlich mit Blick auf die Zeitung. Diese blätterte er bestimmt schon zum sechsten Mal auf diesem Flug durch.

Mit einem Lächeln schüttelte der braunhaarige Mann den Kopf und legte das Schriftstück beiseite.

„Gar nicht am Valentinstag zuhause?“, fragte sie schließlich weiter. Es war nun mal nicht normal, am diesem besonderen Tag nicht zuhause zu sein. Wenigstens nicht in diesem Alter, in dem man Frau und Kinder hatte.

„Nein, leider nicht. Ist aber eine längere Geschichte“, klärte er sie auf. Sein Blick hatte irgendwas Sehnsüchtiges.

Nickend erwiderte die Blondine: „Erzählen Sie ruhig. Wir haben ja noch so eine halbe Stunde Zeit.“

Der Mann grinste sie an und meinte dann: „Ich bin übrigens Robert. Robert Zimmermann.“

„Andie McPhee.“

Einen Moment hörte man nur das Stimmengewirr der anderen Leute, die im Flieger saßen und die Geräusche der Maschinen.

„Ich arbeite für ein halbes Jahr in Deutschland und für ein halbes Jahr in Amerika, immer abwechselnd. Die letzten Valentinstage habe ich auch verpasst, aber dieser soll ein ganz besonderer werden. Meine Frau heißt Marina.“ Für einen Moment schwieg er, doch dann fuhr er fort: „Marina ist einfach wunderbar. Obwohl ich immer so lange weg bin, ist sie eine wunderbare Ehefrau. Sie beschwert sich nie, da sie weiß, dass wir das Geld brauchen. Jeden Tag ruft sie an, jede Woche schreibt sie einen Brief und einmal in diesem halben Jahr besucht sie mich sogar. Außerdem hält sie die Entwicklung unseres Sohnes per Video und mit Bildern fest.“

Fasziniert sah Andie diesen Mann an. Er wusste wie viel Glück er hatte und konnte es immer noch nicht glauben. Seine Augen glitzerten und seine Stimme zitterte ein bisschen.

„Doch dieses Jahr soll alles anders werden. Ich kann schon zum Valentinstag nachhause kommen und dieses Jahr ... dieses halbe Jahr kann ich die Entwicklung unserer kleinen Tochter miterleben, die in den nächsten Tagen geboren werden soll.“

Ein Lächeln glitt über sein Gesicht und auch Andie war gerührt.

„Das ist wirklich wunderschön. So etwas Schönes habe ich noch nie gehört“, stellte sie fest und lächelte den Mann an. Doch ein bisschen lachen musste sie auch: „Daher sind Sie so aufgeregt und haben die ganze Zeit in der Zeitung herumgeblättert.“

Robert nickte. „Das ist der Grund.“

„Bitte schnallen Sie sich an. Wir sind im Landeanflug auf Hamburg“, tönte es im nächsten Moment aus dem Lautsprecher.

„Na ja, jetzt sind wir ja gleich da“, zwinkerte die Blondine ihrem Sitznachbarn zu.


Eine halbe Stunde später traten die Beiden gemeinsam aus dem Raum, aus dem man das Gepäck abholen musste. Nun mussten sie nur noch eine Treppe hinunter und schon standen sie im großen Wartesaal. Robert setzte seinen Koffer ab und sah Andie an.

„Es war nett Sie kennen gelernt zu haben“, meinte Robert und Andie erwiderte sein Lächeln.

„Finde ich auch. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“

Spontan umarmten sich die Beiden. Danach nahm Robert seinen Koffer und wandte sich zum Gehen.

„Frohen Valentinstag“, wünschte er noch und Andie erwiderte diesen Gruß.

Sie schaute ihm nach, als er die Treppen hinunterging und im nächsten Moment eine Frau mit rundlichem Bauch auf ihn zukam.

Die beiden fielen sich um den Hals und küssten sich. Doch schon im nächsten Moment wurde ihre Aufmerksamkeit auf ein Schild gelenkt, das eine Person hoch über die Köpfe der anderen wartenden Personen streckte.

HERZLICH WILLKOMMEN ZURÜCK
ANDIE, ICH LIEBE DICH

Und tatsächlich, die Person, die das Schild hielt, war Sasha. Wie konnte sie ihn nur nicht sofort bemerken? Mittlerweile waren sie schon so lange zusammen. Mit einem glücklichen Lächeln winkte sie ihm zu. Sie hatte mindestens genau so viel Glück wie Robert, dachte sie sich, bevor sie nach unten lief.


Fade to black…


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